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Mir wurde vor kurzem erst bewusst, wie sehr Alkohol zu unserer Gesellschaft dazugehört. Wie oft wir Alkohol trinken. Zu welchen Festen oder Mahlzeiten.

Natürlich, man kann ab und zu ein Bier trinken. Aber warum gehört es dazu, wenn man in einem Restaurant sitzt, ein Bier zu bestellen? Oder, weshalb gehört der Schnaps zu einer Partynacht? Du wirst schräg angeguckt, wenn du "Nein" sagst zu Alkohol und dir eine Cola völlig ausreicht. Pure Cola, ohne Bacardi oder Jägermeister oder sonst was. Wann wurde es Brauch, Alkohol bei Festen zu trinken?

Sekt zum Schulabschluss. Warum nicht ein Glas Milch oder eine Tasse Tee?

Alkohol zu konsumieren ist in Ordnung, bis es zur Abhängigkeit führt. Und du damit dich selbst und andere in Gefahr bringst.

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"Aus dem Dorf, woher ich kam ist alles noch sehr konservativ. Da kennt jeder jeden und wenn du Scheiße gebaut hast, weiß es direkt das ganze Dorf. Das ist schon mal sehr anstrengend. Ein ehemaliger Klassenkamerad, der auch zufällig in meinem Dorf wohnte, hat sich als "non-binary" geoutet. Sprich: Biologisch ist sie/er ein Mann aber er/sie fühlt sich nicht nur wie einer. Sondern auch als Frau. Und als das rauskam, wurde sie/er von der Gemeinde verstoßen. Das war ein echter Skandal, den ich nie so richtig verstanden habe. Also, nicht das Outing, sondern die Reaktionen darauf."

Mit einem Eis in der Hand spazieren wir am Rhein entlang. Uns kommen viele Menschen entgegen, aber auf die achten wir nicht. Es ist so, als wären Sebastian und ich in einer Blase gefangen, die uns von den anderen abschirmt.

"Bist du deswegen nach Köln gezogen? Weil du mit dem Dorf nicht so klar kamst, sage ich jetzt mal?", fragt Sebastian.

Er schleckt an seinem Eis und ich muss schon sagen, dass es sehr niedlich aussieht. Wie ein Kätzchen, das aus ihrem Napf trinkt. Das einzige, was mich gerade just im Moment stört, dass er verdammt nochmal sein Eis schon fast aufgegessen hat. Wie kann ein Mensch so schnell essen?

"Ne, es ist eine kompliziertere und langatmigere Geschichte.", gebe ich zu.

Immer wieder stoßen Sebastian und ich mit der Schulter an den anderen an. Ob mit Absicht oder aus Versehen, spielt keine Rolle. Auch seine Hand berührt immer wieder leicht meine. Ich warte nur darauf, dass er sie nimmt.

Plötzlich klingelt ein Handy, aber ich denke mir dabei nichts. Bis Sebastian sein Handy aus seiner Hosentasche fischt und irritiert aufs Display blickt.

"Geh ruhig ran. Ich habe kein Problem damit", meine ich voll und ganz ehrlich. In der Zeit, wo er mit wem auch immer spricht, kann ich meine Gedanken sortieren.

"Tut mir leid", entschuldigt er sich und im gleichen Atemzug begrüßt er den an der anderen Leitung.

Ein paar Schritte weiter ist eine Bank, worauf ich Platz nehme.

Ich amüsiere mich, ist das einzige was mir zum Tag einfällt. Ich habe Spaß und das wundert mich ein wenig. Lange wusste ich gar nicht mehr, was Spaß überhaupt bedeutet. Oder einen Tag was zu unternehmen und wenn es nur Eis essen ist. Das alles habe ich verlernt. Stattdessen habe ich den ganzen Tag damit verschwendet, Zuhause zu hocken, mal vom Arbeiten abgesehen. Nichts getan und das Leben an mir vorbeiziehen lassen. Trübsal geblasen und Dämonen immer mehr von meiner Seele nehmen lassen. Aber jetzt fühle ich mich so lebendig wie nie zuvor. Als könnte ich die ganze Welt bereisen, so lange tanzen bis Blasen meine Füße schmücken und durch den Regen laufen. Das kann ich auch alles, stelle ich fest. Ich muss es nur machen, mich nur trauen und genügend Eierstöcke in der Hose haben. 

Sebastian kehrt zurück zu mir, schneller als ich gedacht hätte. Er setzt sich zu mir und schaut zum Rhein. Das Wasser ist schon beruhigend. Früher habe ich mir immer gewünscht, in einem Dorf am Nordmeer zu wohnen. Nicht nur um dorthin zu flüchten, wenn meine Mutter und ihr Mann einen schlechten Tag hatten. Sondern, um dort die Ruhe zu genießen, die das Meer versprüht.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now