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Mein Geburtstag war mir nie wichtig, jedenfalls nachdem ich immer enttäuscht wurde. Meine Mutter und ihr Mann erlaubten mir nicht richtig zu feiern. Es gab einen gekauften Kuchen und das wars. Und das war meistens mehr, als ich erwartet hatte und auch nicht jedes Jahr bekam ich einen. In meinen letzten Jahren bei ihnen bekam ich nicht mal eine Gratulation, außer von Milky.

Ich hatte zwar nie Freunde, mit denen ich meinen Geburtstag hätte feiern können, aber ich hätte doch gerne die Möglichkeit, es machen zu können, gehabt. Aber die hatte ich nie und irgendwann wurde mir mein Geburtstag egal. Doch innerlich habe ich mich jedes Jahr gefreut ein weiteres Stück zur Volljährigkeit geschafft zu haben.

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Ist es nicht verrückt extra bis Mitternacht wach zu bleiben, um darauf zu warten, Geburtstag zu haben? Eigentlich unnötig, denn es ist ja nicht so, dass um Null plötzlich Falten entstehen und graue Haare wachsen. Es passiert in diesem Zeitpunkt rein gar nichts, außer dass du just im Moment älter wirst.

Und deswegen bleibe ich auch wach und starre auf die Uhr. Es dauert noch eine halbe Stunde und dann bin ich 21. Das bedeutet, dass ich auf dem ganzen Planeten Alkohol kaufen darf. In den Jugendknast zu kommen, statt in den "Normalen" wird auch jetzt relativ schwer. Aber 21. Woaw. Es ist ein Wunder, dass ich soweit gekommen bin.

Oft habe ich nicht daran gedacht, überhaupt den nächsten Tag erleben zu können. Wohl eher, dass ich im nächsten Morgengrauen das Zeitliche küssen würde und alles vorbei ist. Keine tollen Gedanken eines Teenagers, aber zu dem Zeitpunkt doch verständlich.

Milky ist heute Abend kurz vorbeikommen, um mein gekochtes Essen zu essen. Wahrscheinlich kommt er nur deswegen jeden Abend nach Hause, um zu essen und zu beobachten, dass ich bloß auch was zu mir nehme. Diese Geste ist süß mit einem großen bitteren Nachgeschmack.

Doch was Milky eigentlich von mir wollte ist, fragen, ob er trotz meinem Geburtstag übers Wochenende weg fahren darf. Wie hätte ich ihm nicht versprechen können, dass es Morgen ein ganz gewöhnlicher Tag ist? Dass alles wie zuvor ablaufen würde. Wie alle 21 Jahre auch. Dennoch habe ich mir gewünscht, er würde bei mir bleiben. Nur bis ich mich mit Sebastian treffen würde. Aber ich lasse ihn gehen und er lässt mich mit seinem Geschenk alleine.

Seit wir alleine wohnen haben wir eine neue Tradition begonnen, sodass wir alles Alte verscheuchen. Jetzt schenken wir uns etwas. Für andere völlig normal, aber für uns was besonderes. Er weiß, dass es besonders für mich wird, das Geschenk auszupacken und mein Bruder wird nicht dabei sein. Wo auch immer er sich aufhalten wird, ich wünsche ihm aus dem ganzen Herzen viel Spaß. Dennoch ist ein Teil von mir enttäuscht, da er es doch hätte besser wissen müssen.

Die Zeit vergeht schneller, als gedacht. Plötzlich sind es nur noch ein paar Minuten, bis der 6. Tag des Monats August anbricht.

Mit meinem Handy öffne ich YouTube und drücke dort auf meine Playlist, die ich erstellt habe. Dazu stecke ich meine Kopfhörer an, um so laut Musik zu hören, ohne Ruhestörungen zu riskieren. Meine Nachbarn sind zwar cool drauf, aber so sehr nun auch wieder nicht.

Noch so eine neue Tradition. Grundsätzlich wird getanzt, wenn etwas besonderes passieren wird. Besonders in dem Sinne von Feiertagen, Geburtstagen und Geschehnissen, die alle positiv sind.
Diese Tradition entstand dadurch, dass Milky und ich uns früher über nichts wirklich freuen konnten und wenn doch, es nie so zeigen durften, wie wir es wollten. Somit starte ich die Musik und stehe von meinem Bett auf, schließe die Augen und tanze in meinen Geburtstag rein.

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"Verdammt, was soll ich anziehen?", frage ich in meinen Kleiderschrank und bekomme -natürlich- keine Antwort.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now