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Ich leide unter Migräne.

In meiner Jugend bekam ich immer mal wieder, nicht regelmäßig, Kopfschmerzen, die meinen Alltag durcheinander brachten. Oft bin ich zur Schule gekrochen, mit einer ganz guten Dröhnung Schmerzmittel im Blut, um dann Zuhause mich ins Bett zu legen und dort vor mich her zu vegetieren.

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So ähnlich fühle ich mich jetzt. Zu beschreiben, wie man betrunken ist und darauf einen Kater zu haben, ist schwierig, vor allem so verständlich zu machen, dass jemand, der kein Alkohol angerührt hat, es nachvollzieht.

Betrunken war ich in Partystimmung und habe nicht weiter über die Dinge nachgedacht, die mir Falten bereiten. Mir ging es gut bis zu einem bestimmten Punkt.
Nüchtern fühle ich mich zerbrechlich und schwach. Mein Kopf der pocht, mein Mund ist trocken wie in der Sahara und meine Schuldgefühle verursachen mir Übelkeit. Und vielleicht auch mein Sodbrennen.

Sebastians Nähe ist mir bewusst, immerhin liege ich mehr oder weniger auf ihm drauf, und mir ist auch klar, wie es zu dieser Situation kam. Peinlich berührt lasse ich die Augen geschlossen und versuche langsam zu atmen. Erst mal muss ich alles ordnen und ja, den Augenblick noch kurz genießen.

Aber ich möchte nicht denken, denn es macht mich traurig und jetzt zu analysieren, was für einen Mist ich gebaut habe, ist wohl bescheuert.
Keine Ahnung, wie viel Uhr es ist, welcher Tag oder sogar welches Jahr wir schreiben, der einzige Gedanke ist Sebastian.

Sebastian.

Er berührt mein Inneres, so wie es niemand je zuvor gemacht hat und ich vertraue ihm. Obwohl ich noch immer misstrauisch bin, denn welcher Mann ist so zuvorkommend, außer denen in Büchern? Vielleicht spricht da auch nur mein Misstrauen gegenüber anderen Menschen, die mich immer verletzt haben.

"Ich weiß, dass du wach bist", flüstert Sebastian mir ins Ohr.

"Hi", krächze ich. Was für ein Wunder, dass meine Stimme sich nicht verbessert hat und ich mich anhöre wie ein Kettenraucher. Fürs Protokoll, geraucht habe ich nie. Habe ich auch nicht vor, aber ich fahre eine verrückte Schiene gerade. Meine Zukunft ist offen, vielleicht ist das Morgen genau mein Ding.

"Auf einer Skala von 1-10, wie schlimm ist dein Kater?", fragt er.

"So lange ich still liegen bleibe und niemand laut redet, ich glaube, eine gute elf."

Lautlos lacht er. Das bemerke ich, da sich sein Bauch und seine Brust, auf denen ich mit dem Kopf liege, auf und ab bewegen. Schmerzerfüllt stöhne ich und drehe mich weg von ihm. Kurzschlussreaktion. Sofort vermisse ich seine Wärme, aber zurück kann ich jetzt schlecht.

"Wie lange habe ich geschlafen?", nuschel ich in die Matratze. Draußen ist es hell, aber im Sommer bedeutet das wohl nichts.

"Nicht lange. Es ist gegen 18 Uhr und Milky ist auch noch nicht Zuhause, also können wir noch ganz viel Schwachsinn treiben, bis wir nicht mehr alleine sind", meint er verschmitzt.

"Falls du auf meine Aussage anspielst von vorhin, ich bin gerade nicht in der Lage Sex zu haben. Oder doch? Keine Ahnung. Geht das so verkatert? Macht das dann noch Spaß. Fragen über Fragen. Mein Kopf platzt gerade ein wenig und ich rede nur Scheiße."

"Ruhig Schöne. Stress dich nicht. Es war nur Spaß..."

Das ist mir auch klar und dass er noch was dazu sagen wollte. Bewusst ist mir auch, dass er mich Schöne genannt hat. Ich bin glücklich, auch wenn ich traurig bin.

Milky verlässt mich. Meine Eltern wollten heute noch kommen und ich habe mich betrunken. Aber Sebastian ist hier und flirtet mit mir. Er findet mich schön. Tatsächlich, er findet mich schön.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now