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Ich finde Augen wunderschön und faszinierend. Dabei ist ganz egal, welche Farbe sie haben. Wenn man jemandem richtig in die Augen schaut, kann man so viel erkennen. Ob die Person dich anlügt, traurig ist, sich freut und vieles mehr.

Milky sagt mir immer, dass man mir deutlich in den Augen ansieht in welcher Stimmung ich bin. Anscheinend leuchten sie wie ein Stern am Horizont, wenn mich etwas begeistert. Oder sind so trüb wie ein schlammiger Fluss, wenn es dem Gegenteil entspricht. Man kann so vieles in den Augen aller Menschen erkennen, sodass sie mein Lieblingskörperteil sind.

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Die Kaffetasse steht schon auf dem Tablett. Extra habe ich eine alte und unschöne Tasse ausgewählt, die sich nun opfern muss.

"Ihr Pin ist 1234 und ihr Freund ist wohl unter einem Spitznamen eingespeichert. Einem, der auffällt unter vielen Männern. So, wünscht uns Glück"

Wenn ich einen Moment innehalten würde und über diese lachhafte Idee nachdenke, würde ich es sein lassen. Aber ich tu das, was Elexis mir empfohlen hat. Mein Leben leben, solange ich es kann. Wahrscheinlich hat sie sich darunter was anderes vorgestellt. Dazu zählt, mich in eine Angelegenheit anderer Menschen einzumischen, so wie es bei mir war. Der Person war ich sehr dankbar und deswegen mache ich das Gleiche wie sie.

Ein paar Schritte gehe ich und stolper tatsächlich über meine Füße. Danke Tollpatschigkeit, diesmal bin ich dir dankbar.

Die Tasse fliegt genau auf Blondie zu. Fällt auf ihren Oberkörper und knallt dann auf den Boden.

"Oh mein Gott. Das tut mir so leid", schauspieler ich so gut ich kann. "Wenn du das schnell sauber machst, bleiben keine Flecken"

Blondie zischt mich nur an und geht dann auf Toilette. Sina eilt zu Markus und erzählt ihm sonst was. Ich schnappe mir Blondies Handy und reiche es unauffällig nach hinten, sodass Milky es nehmen kann. Danach mache ich alles trocken und kehre die Scherben weg. Ruhe in Frieden Tasse, du hast deine Arbeit gut gemacht.

Mein Bruder reicht mir wieder das Handy und geht. Ich lege es dort hin, wo es sich auch zuvor schon befunden hat. Sina verschwindet und somit bin ich mit Markus alleine. Wir starren uns an, als existieren wir alleine auf diesem Planeten.

"Ich...", er räuspert sich. "Ich hatte nie die Gelegenheit mit dir zu reden und ich-"

"Spar es dir", unterbreche ich ihn. "Du hast mir weh getan, sehr sogar. Ich wollte noch keinen Sex, aus vielen verschiedenen Gründen und du konntest es nicht akzeptieren. Du konntest noch nicht mal richtig meine Gründe verstehen. Also hast du dir andere Frauen gesucht, damit sie deine Bedürfnisse stillen können. Leider kann ich dir nicht hier und jetzt ins Gesicht sagen, dass ich dich hasse. Das ich dich nicht mehr liebe. Das geht nicht und ich hoffe du wirst niemals vergessen, was du mir angetan hast. Und jetzt geh und komm nie wieder. Komm nie wieder an meinen Arbeitsplatz oder sonst wo, wo ich öfters bin. Ich habe es nicht verdient, dich je wieder sehen zu müssen. Leb wohl"

Ich drehe mich um und gehe. Es fühlt sich an, als ob ich in Zeitlupe mein altes Leben verlassen würde. Als ob ich mit den wenigen Schritten zu meinem Bruder alles verlieren würde, was ich aber schon verloren habe. Ein Abschied für immer, obwohl mein Herz sich dagegen wehrt. Es schreit mich an, umzudrehen und Markus anzuflehen mich zurück zu nehmen. Ich würde ihn auf den Knien anbetteln und alles anbieten.

Doch gehe ich den riesenlangen Weg, der eigentlich so kurz ist. Meine Beine werden immer schwerer und schwerer. Bis sie mich nicht mehr tragen wollen und einknicken. Aber da ist auch schon Milky, der mich auffängt.

Markus geht, das spüre ich an meinem viel zu schnell klopfendem Herzen. Kurz später höre ich Blondies Gezicke, doch reagiere ich gar nicht. Dieser Moment gehört einzig nur mir.

Die letzte halbe Stunde war ich so stark. Ohne eine Träne zu verschütten oder auch nur irgendeinen Schmerz zu spüren. Und jetzt fällt alles ab, auch wenn ich nicht weine. Der Schmerz ist lähmend und voll da. Es tobt in mir, am Liebsten würde ich schreien, etwas zerstören. Doch bleibe ich ganz ruhig in seinen Armen und will einfach nur diesen Schmerz spüren. Den tobenden Löwen in mir, der gezähmt, eingesperrt und weggeschafft werden muss. Und heute wurde ein guter Anfang gemacht.

"Ich finde wir sollten tanzen. Tanzen hilft gegen sehr viel und dir würde es auch helfen. Deswegen mache ich unser Lied an und dann tanzen wir. Hier genau vor allen Leuten und deine Seele wird anfangen zu heilen", sagt Sina und prompt läuft Musik.

Und wie soll es nicht anders sein: Paradies von George Ezra.

Ich löse mich langsam von Milky. Er nickt mir nur zu und nimmt meine Hand. Führt mich vor den Tresen und wackelt verrückt mit seinem Körper.

Laut lache ich. Es ist ein Lachen, als hätte ich es Jahre nicht mehr richtig getan und das habe ich wirklich. Es ist so verdammt lange her, dass ich unbeschwert gelacht habe und es wirklich so gemeint habe.

Sina nimmt Milkys andere Hand und macht im gleichen Moment komische Bewegungen und sieht dabei noch so elegant aus, sodass ich glatt neidisch werde. Bevor ich überhaupt nachdenke, was ich da tue, bewege ich mich zu der Musik.

Und lache. Verdammt, ich lache aus dem Herzen, obwohl es in mir blutet.

Langsam aber sicher schließen sich meine Wunden.

~

"So, ich muss zur Arbeit", Milky küsst mich auf die Wange. "Und ich wünsche euch beiden noch viel Spaß, aber bitte keine Agent 008 Aktionen mehr. Jedenfalls, nicht ohne mich. Wie sehen uns"

Er betrachtet Sina von Kopf bis Fuß, bis er schließlich ihr auch einen zarten Kuss auf die Wange gibt. Dann läuft er schnell raus und lässt eine vollkommen verwirrte Sina zurück. Sie fängt sich aber schnell wieder und doch bemerke ich einen leichten roten Schein auf ihrer Wange.

"Also, gestern war hier ein super scharfer Kerl mit dem ich mich unterhalten habe. Nichts Ernstes, aber auch nicht einfach larifari. Er hat mir Kaffee in den Schritt geworfen und meinte, dass wir uns bald wieder sehen würden. Seit dem warte ich darauf, dass er durch diese Tür kommt und mir weiter erzählt, was für blöde Kollegen er hat".



Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now