25.

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Ich würde gerne behaupten, dass ich sehr erholsam geschlafen habe und weil ein Mann bei mir war, die glücklichste Person auf Erden bin. Wie immer in den Büchern beschrieben.

Spoiler! Das bin ich nicht. Ehrlich gesagt, geht es mir sehr dreckig. Mein Kopf dröhnt, der Hals tut mir weh und über meinen Schleimauswurf sollte ich nicht sprechen. Willkommen Sommergrippe.

Die Jungs sind vor einer halben Stunde zur Arbeit und Uni gefahren und haben mich auf dem Sofa liegen lassen. Beide haben versprochen, früh zu mir zurück zu kehren und sich zwischendurch zu melden. Trotzdem fühle ich mich in der Morgensonne krank und erschöpft, einsam.
Ich möchte, dass mir jemand eine Suppe kocht und mir Tee bringt, für meine heiße Stirn einen nassen Lappen holt und beruhigend mir den Rücken krault. Aber das wird nicht passieren, deswegen liege ich wie in einem Sarg auf der Couch und lasse mir die Sonnenstrahlen auf das Gesicht strahlen. Dabei spiegele ich die letzten Tage wieder und ordne meine Gedanken. Aber vor allem denke ich an Sebastian.

Was zwischen uns ist, ist unbeschreiblich. Ich finde keine Worte, die das beschreiben könnten. Eine normale Freundschaft ist das nicht. Es ist so, als hätten wir die ersten Monate des Kennenlernens übersprungen und wären sofort beim blinden Vertrauen angekommen. Aber was genau Sebastian vor hat, weiß ich nicht. Worauf er hinaus will und wie unsere Freundschaft verlaufen wird. Mir fällt nichts ein, welche Rolle ich spiele. Ich meine, was kann ich ihm geben, sodass er einen Zweck in mir sieht? Es ist wohl klar, dass ich ihn mehr brauche als er mich und das macht mir Sorgen. Er könnte mich wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Doch ich habe ihn schon lieb gewonnen und es passt zwischen uns. Wie verrückt es auch sein mag, es ist so, als würden wir uns schon Jahre kennen. Es macht mich nervös und es kribbelt, diese Ungewissheit, was das eigentlich ist. Auch wenn nichts wirklich zwischen uns ist, oder? Und wenn, das Beste ist jetzt abwarten und Tee trinken.

Die nächste Baustelle ist es, mit meinen Bruder zu sprechen, da ich merke, dass in ihm etwas vorgeht. Er verschweigt mir etwas wichtiges und das ist mir nicht recht. Natürlich kann er Geheimnisse vor mir haben. Alles habe ich ihm auch nicht aus meinem Leben erzählt, aber er leidet und ab da muss ich mich einmischen. Wenn er heute nach Hause kommt, spreche ich ihn darauf an und bekomme hoffentlich eine Antwort. Ja! So wird's gemacht.

Puuh. Und jetzt die Atombombe. Meine Eltern werden wohl bald auftauchen und ich habe mich dazu entschlossen, nicht die Türe zu öffnen. Es ist hart für mich, wegen meiner Mutter, aber es muss so sein. Es geht nicht, dass ich sie rette, wenn sie es nicht möchte und ich muss anfangen egoistischer zu werden. Und ich leide zu sehr darunter und muss endlich meine Jugend verarbeiten. Und wenn nicht jetzt, wann dann?

Ein paar Minuten lang konzentriere ich mich nur auf meine Atmung, bis ich den Tag nun voll beginne. Und das sieht so aus, dass ich Elexis schreibe, dass ich krank bin und nicht zur Arbeit kommen kann. Vielleicht ist es auch praktisch, dass es mir so mies geht, da kann ich mich heute entspannen.

Nachdem ich eine Nachricht verschickt habe, begebe ich mich ins Bad. Eine heiße lange Dusche ist jetzt das richtige. Ich entkleide mich und steige unter den Wasserstrahl.

Verschrumpelt ziehe ich meinen weitesten und bequemsten Schlafanzug an und binde meine Haare irgendwie zusammen. Da ich keinen Appetit habe, lege ich mich zurück auf das Sofa, schalte aber den Fernseher an, um eine Geräuschkulisse zu haben. Aber nichts tun, ist für meine hibbelige Natur nichts, deswegen nehme ich mir wieder das Handy zur Hand. Aber nichts. Mir fällt nichts ein, was ich meinen Kontakten schreiben könnte und somit lege ich es wieder weg.

Ein Buch könnte ich lesen, aber im Regal steht nichts, was mich just im Moment interessiert. Bevor ich mich aufregen kann, klingelt es an der Tür und schnell wie ein Blitz springe ich auf. Mein Körper findet das überhaupt nicht gut, aber bevor mir gänzlich schwarz vor Augen wird, stehe ich still.

Einen Moment, doch dann schaue ich durch den Spion. Ein kleines Mädchen steht vor der Tür. Selbstsicher mit einem Rucksack auf dem Rücken und starrem Blick auf die Tür.

Ich öffne die Tür und schaue auf sie herab. Sie ist hübsch, keine Frage. Sie erscheint für mich wie eine Elfe, klein und zierlich, aber stark. Ihre roten Haare sind zu einem langen Zopf geflochten und ihre Augen funkeln mich an.

"Hallo. Kann ich dir weiterhelfen?", krächze ich.

Gott, schmerzt das und klingt furchtbar.

"Guten Tag. Ich möchte mit Milky sprechen", sagt sie klar und deutlich.

Ihre Statur ist sehr kindlich, aber ihre Ausdrucksweise ist erwachsener und auch wie sie mich ansieht. Als würde sie ein "nein" nicht akzeptieren und dagegen kämpfen.

"Der ist nicht im Haus. Kann ich dir weiterhelfen? Vielleicht ihm etwas ausrichten? Aber sag mir erstmal deinen Namen."

Was möchte ein Mädchen schon von Milky? Sie ist bestimmt nicht seine Altersklasse und Milky ist auch kein Pädophiler. Oder warte, nicht dass das sein Geheimnis ist...

"Mein Name ist Hazel Adelmann und ich kann nur mit Milky darüber sprechen. Bist du seine Freundin? Davon hat er mir Samstag nichts erzählt."

Vorhin war ich noch ruhig und gelassen, jetzt geht in mir die Pumpe los. Regelrecht spüre ich mein Herz und wie mein Gehirn nachdenkt. Der Nachname kommt mir vage bekannt vor. Samstag war mein Geburtstag, wo mein Bruder auf einer Party war,  aber dieses Mädchen sagt was anderes.

"Anscheinend nicht die Freundin", murmelt Hazel.

"Was hast du mit Milky zu tun?", frage ich nun direkt.

"Er ist mein großer Bruder", grinst sie.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now