Kapitel 2 - Gold

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Ausgeschlafen streckte ich mich und kuschelte mich noch einmal tief ins Kissen. Ich hatte erstaunlich erholsam geschlafen und von Tattoos und schnellen Autos geträumt.
Na wo das wohl herkommt, dachte ich schmunzelnd und griff nach meinem iPhone.
9:24. Erstaunlich früh dafür, dass ich erst um 02:00 Zuhause gewesen war. Auf dem Display befand sich eine Nachricht von Jonas, welcher mir noch ein weiteres Mal eine gute Nacht gewünscht hatte. Dies hatte er im Auto schon bereits zehnmal getan.
Er war echt lieb und ich hoffte sehr, dass ich einen guten Draht zu ihm aufbauen könnte. Natürlich eilte ihm sein Ruf voraus und ich wusste selber ganz genau, wie temperamentvoll und unbedacht er war, doch all das stellte ich hinten an. Wir hatten uns für heute Nachmittag zum Kaffee verabredet.
Apropos Kaffee: mein Körper sehnte sich nach seiner ersten Dosis und somit stand ich auf, um die Kaffeemaschine einzuschalten. Während diese heiß wurde, stellte ich mich unter die Dusche und wusch meine Haare, sowie meinen Körper. Heute Abend war ich zum Feiern mit meiner besten Freundin Celia verabredet und da man nie wusste, was einen erwartete, rasierte ich mich vorsichtshalber. Obwohl ich eigentlich nicht so der One-Night-Stand-Typ war, sehnte ich mich danach mich endlich mal wieder sexuell auszuleben. Das letzte Mal war schon viel zu lang her. Ich war quasi zur Nonne geworden in der letzten Zeit.
In bequemen Sachen setzte ich mich mit meiner Tasse dampfenden Kaffees auf meinen kleinen Balkon und genoss die Ruhe. Samstagsvormittag war es in Altona noch sehr ruhig. Das einzige was zuhören war, war Geschirrgeklappere und Familien die beim Frühstück ihr Wochenende planten.
Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt hatte, diesen Luxus nahm ich mir jeden Samstagmorgen, setzte ich mich an meinen Unikram, beantwortete E-Mails und surfte ein wenig im Internet.
Nach einiger Zeit blickte ich geistesabwesend auf die Uhr und erschrak. Es war bereits 15:17 und um 15:50 wollte Jonas mich abholen. Hektisch klappte ich mein MacBook zu und rannte ins Schlafzimmer, wo ich mir in Windeseile ein vernünftiges Outfit zusammensuchte und rannte dann ins Bad um mich zu schminken. 20 Minuten später sah ich vorzeigbar aus und ich schlüpfte gerade in meine Nike Air Max 97, als Jonas mir eine Nachricht schrieb, dass er da war.
Oh wow, sogar überpünktlich. Freudig zog ich meine Lederjacke über, griff nach meiner Mappe und verließ dann das Haus. Blubbernd stand Jonas CL am Straßenrand und als er mich bemerkte stiege er mit einem breiten Lächeln aus dem Wagen aus und breitete die Arme aus. Glücklich umarmte ich ihn.
„Hey Kleine", begrüßte er mich und musterte mich. „Gut siehst du aus"
Ich bedankte mich und stieg dann auf der Beifahrerseite ein.
Auf der Fahrt ins Café berichtete er mir, dass seine Freundin Jana mich sehr gerne kennenlernen würde und sie sich sehr gefreut hat, dass ich ihn kontaktiert hatte. Ich war mehr als zufrieden mit meiner Entscheidung und war froh, dass ich mich nicht von meiner Mutter hatte aufhalten lassen diesen Schritt zu tun, denn sie hätte diese Verbindung ganz und gar nicht gut geheißen.
In Gedanken machte ich mir eine Erinnerung, dass ich die Tage mit ihr sprach und sie zur Rede stellen würde.

„Und so konnte ich mir die Wohnung in Ottensen leisten.", beendete ich meine Erzählung.
Wir saßen in einem kleinen Café in der Schanze bei Kaffee und Kuchen und anfangs hatte Jonas sich super unwohl gefühlt, sich jedoch dann relativ schnell entspannt und wir hatten beiden den anderen aufgeklärt, was wir die letzten 24 Jahre verpasst hatten. Zuletzt gesehen hatten wir uns vor 7 Jahren. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, was wir in den letzten Jahren seit unserer letzten Begegnung alles voneinander verpasst hatten.
Wir sahen außerdem die Dokumente durch, welche wir beide unterschreiben müssten.
Unser Vater musste vor ein paar Wochen ins Gefängnis, da er mit seiner Firma Geld unterschlagen, Steuern hinterzogen und weitere schmutzige Geschäfte abgewickelt hatte. Wir hatten jetzt die Möglichkeit das Erbe der Firma, und die damit verbundenen Schulden, auszuschlagen oder eben die Geschäftsführung zu übernehmen. Ich saß bereits seit mehreren Wochen an den Dokumenten mit einer befreundeten Anwältin und Jonas und ich einigten uns beide darauf, dass wir das Erbe ausschlagen würden.
„Der Hurensohn hat sich jahrelang nicht für mich interessiert. Erst, als ich viel Kohle gemacht habe.", gab Jonas aufgebracht von sich und mehrere Leute im Café scheuten neugierig zu unserem Tisch herüber.
„War bei mir dasselbe, nur hat er mich einfach von Anfang an ignoriert", erwiderte ich leise und sah auf meine leere Kaffeetasse.
„Jetzt hast du ja mich. Und durch mich hast du jetzt eine richtige Familie."
Lächelnd sah ich zu meinem Bruder. Ja, jetzt würde sich alles ändern.
Nachdem wir bezahlt hatten fuhren wir weiter in die Innenstadt, wo wir noch eine Weile über den Neuen Wall schlenderten und uns über ganzen Reichen amüsierten, die hier herumspazierten. Optisch passte Jonas so gar nicht hier her mit seinen ganzen Tattoos und dem düsteren Blick.
„Irgendwann gehe ich hier auch einmal Einkaufen.", dachte ich laut und sah verträumt in das Ladenfenster von Tiffanys.
Nachdenklich betrachtete Jonas mich von der Seite schaute aber schnell weg, als ich ihn dabei erwischte.
„Was ist?", fragte ich.
„Naja, du hast jetzt einen großen Bruder welcher reich ist. Also falls du mal irgendwas brauchst kannst du jederzeit zu mir kommen."
Dankbar sah ich ihn an. „Danke Jonas, das ist echt lieb von dir, aber ich möchte nicht dein Geld ausgeben. Mir geht es gut und bald verdiene ich hoffentlich mehr als 450€."
Jonas schenkte mir ein kleines Lächeln und wir gingen zurück zu seinem Wagen.
Während wir durch Hamburg brausten hörten wir „500PS" von John und Raf und sangen beide laut mit.
„Finde ich richtig korrekt von dir, dass dir mein Geld egal ist", sagte Jonas, als wir vor meinem Haus zum Stehen kamen.
„Ich war nie an deinem Geld interessiert, was John aber wahrscheinlich glaubt."
Jonas stieß einen Seufzer aus. „Ja, John ist schwierig. Eigentlich ist er sehr aufgeschlossen Neuem gegenüber, aber bei dir ist er anders."
Schulterzuckend wand ich mich von ihm ab. Da mich der Rest von Jonas Freunden gut leiden konnte war es mir egal, dass John ein Problem mit mir hatte.
„Was steht bei dir heute noch an?", fragte Jonas neugierig.
Ich erzählte ihm von Celia und das sie heute unbedingt mit mir feiern gehen wollte, da sie sich von einer mal wieder gescheiterten Bettgeschichte ablenken wollte.
Ernst sah Jonas auf mich hinab. „Geht ihr auf'n Kiez?"
„Ja, wahrscheinlich ins Noho und dann mal weiterschauen."
Meine Antwort schien Jonas zu missfallen, denn er wirkte angespannt.
„Jonas, ich kann schon selber auf mich aufpassen", sagte ich beschwichtigend und legte meine Hand auf seine.
Verdrossen schaute er auf seine Hände. „Ich hole dich ab, wenn ihr nach Hause wollt. Der Kiez ist viel zu gefährlich geworden. Ihr lauft dort ganz sicher nicht alleine rum!"
Um ihn nicht noch mehr zu reizen stimmte ich seinem Vorschlag zu und wir vereinbarten, dass ich ihm zwischendurch schreiben würde.
Mit einer Umarmung verabschiedeten wir uns voneinander und ich schloss die Haustür auf.

"Doch die Dunkelheit glitzerte in der Nacht" | Bonez MC | Teil 1 & 2Where stories live. Discover now