Kapitel 10

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Gerade als wir den ersten Schluck trinken, klingelt es auch schon. Eine Mädelstruppe steht vor der Tür und kreischt als Franzi öffnet. Oh man, ich dachte aus dem Kreisch-alter sind wir langsam rausgewachsen mit 25. Daniel scheint meine Gedanken lesen zu können, denn er lächelt mir amüsiert zu und flüstert dann: „Keine Sorge es kommen auch noch ruhigere Leute." Nach einer halben Stunde ist die Wohnung schon gut gefüllt und Daniel hatte recht. Es sind wirklich viele nette Leute dabei. Da ich niemanden kenne, unterhalte ich mich zuerst mit zwei Kommilitoninnen von Franzi, die ein ähnliches Fachgebiet haben wie ich. Allerdings wird es schnell langweilig, wenn Biologen unter sich sind und um ehrlich zu sein habe ich genug Kontakt mich solchen bei mir an der Uni gehabt. Ich löse mich höflich aus der Unterhaltung und gehe ins Bad, um mir ein kaltes Bier aus der Badewanne zu holen, die Daniel vorhin mit Eis gefüllt hat.

Mit dem Bier in der Hand gehe ich wieder ins Wohnzimmer und lasse meinen Blick über die verschiedenen Leute schweifen. Es ist mittlerweile wirklich voll in der Wohnung. In der einen Ecke hat Daniel auf dem Esstisch Bierpong aufgebaut und spielt mit ein paar Freunden. In der anderen Ecke tanzen die Mädels von vorhin und zwischen drin stehen immer wieder kleine Grüppchen, die sich unterhalten. Ich beschließe mich dem Team von Daniel anzuschließen. Meine Bierpongfähigkeiten wurden durch 8 Semester Studium ganz beachtlich trainiert, sodass ich die Typen tatsächlich ein wenig beeindrucken kann. Daniel und ich feiern noch den Sieg als die anderen schon eine neue Runde aufbauen, ich gehe schnell ins Bad Bier holen. Als ich zurückkomme, sind ein paar neue Leute gekommen, die Daniel und die anderen überschwänglich begrüßen. Ich gehe weiter auf den Tisch zu, um die Flaschen abzustellen. Mitten in der Gruppe sehe ich einen dunkelbraunen Wuschelkopf, der sich genau in dem Augenblick umdreht und mir dabei versehentlich 3 Flaschen Bier aus der Hand schlägt. „Scheiße!" rufen wir gleichzeitig. „Oh man Wincent! Keine zwei Minuten hier und schon muss ich putzen" lacht ihn Daniel aus. Ich eile in die Küche, suche Handtücher und einen Besen für die Scherben. Daniel und Wincent helfen mir die Sauerei zu beseitigen. „Tut mir wirklich leid, ich bin so ein Schussel" flüstert er mir zu und guckt betreten drein. „Ach nicht so schlimm" versuche ich ihn aufzumuntern. „Nur schade um das Bier" sage ich lachend. „Zum Glück haben wir auch noch einen Kasten mitgebracht" sagt er und lächelt nun wieder.

Als alles wieder sauber ist, gehe ich mit Wincent den neuen Kasten kaltstellen und so stehen wir zu zweit im Badezimmer. „Wir kennen uns doch" sagt er und mustert mich nachdenklich, „Na klar, du bist das Mädchen aus dem Zug Donnerstag und in dem Café gestern. Was machst du denn hier?" „Stimmt. Ich wusste nicht, dass München so klein ist" meine ich lachend. „Ja das ist echt das Dorf unter den Großstädten" erwidert er, „Ich dachte du bist nur zu einem Vorstellungsgespräch hier, wie kommt es dann, dass ich dich auf dem Geburtstag meines alten Mitbewohners wiedertreffe?" „Dann ist dein alter Mitbewohner wohl der Freund meiner Freundin" stelle ich grinsend die Verhältnisse klar. „Auf den Zufall trinken wir erstmal was" schlägt Wincent vor und öffnet uns zwei Bier. Wir stoßen an und verlassen das Bad dann, bevor sich noch eine Schlange davor bildet.

Kaum stehe ich im Flur kommt Franzi auf mich zu gerannt. „Bist du grade mit Wincent im Bad verschwunden?" fragt sie mich zwinkernd. „Franzi, du siehst schon wieder Dinge, die gar nicht da sind" erwidere ich lachend, „wir haben das Bier aufgefüllt und dabei ist uns aufgefallen, dass wir uns schon mal begegnet sind. Im Zug nach München." „Achso" sagt sie schon fast etwas enttäuscht. „Hey, denkst du ich starte hier was mit dem erstbesten Typen, der mir über den Weg läuft?" will ich ungläubig wissen. „Ach quatsch, ich kenn dich doch süße. Es ist nur, Wincent ist echt ein toller Kerl und wir versuchen schon länger ihn zu verkuppeln, aber so richtig wird das nie was." „Franzi, vielleicht solltest du die Leute mit 25 einfach mal ihr Leben selber leben lassen, ohne immer alles für jeden bestimmen zu wollen" sage ich und merke in dem Moment, dass es deutlich härter klang als beabsichtigt, „also ich meine nur, wir sind doch alle alt genug, um unser Leben selber zu leben oder?" „Ja ich weiß ja was du meinst. Aber es ist immer so blöd ihn alleine zusehen, wenn alle andern mit ihren Partnern da sind" sagt die betrunkene Franzi und lehnt sich müde an meine Schulter. „Aber das ist doch nicht deine Entscheidung. Er kann doch genauso glücklich sein ohne eine Freundin zuhaben, wie ihr mit Freundin" versuche ich ihr zu erklären und streichle ihr über den Kopf. Ich sehe auf die Uhr, schon kurz vor Mitternacht. „Franzi, nicht einschlafen." Ich schiebe sie sanft von meiner Schulter, „dein Freund hat gleich Geburtstag." Sofort ist sie hellwach und düst in die Küche, um den Überraschungskuchen mit Wunderkerzen zu bestücken.

Ich drehe mich noch nach ihr um und sehe Wincent im Türrahmen stehen. Er kommt auf mich zu und sagt: „Danke. Ich weiß ich hätte nicht lauschen sollen, aber Franzis Stimme ist nun mal nicht die leiseste." „Oh ja das weiß ich" sage ich lachend, „aber wofür das danke?" „Dass du sie so sanft zurechtgewiesen hast. Ich wollte das schon lange, aber ich treffe bei sowas nie den richtigen Ton. Ich habe einfach das Gefühl, dass meine Freunde, die in Beziehungen sind, mich nicht verstehen können."„Ja das ist kein leichtes Thema. Ich bin da grade ganz neu dabei." Bei den letzten Worten wird meine Stimme traurig. Es scheint ihm direkt aufzufallen,„Frische Trennung?". „Ja..." Wir beide starren nachdenklich geradeaus, jeder in seinem eigenen Gedankenstrudel. Unterbrochen werden wir von Franzi, die mit einem riesigen Kuchen voller Wunderkerzen das Wohnzimmer betritt und alle fangen an zu singen.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissWhere stories live. Discover now