Kapitel 40

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Seit meinem Besuch in Berlin ist nun eine Woche vergangen. Eine Woche, in der ich nichts von Wincent gehört habe. Er respektiert meine Entscheidung, was ich ihm hoch anrechne. Doch es ändert nichts daran, dass er mir unendlich fehlt. Er, der Wuschelkopf vom Dorf mit dem ich Filme schaue und die Nacht durchtanze, mein bester Freund.

Die Tage ziehen sich wie Kaugummi und ich fühle mich so leer. Ich bin zurück in meinem Trott, zwischen Arbeit und Haushalt, doch mein Kopf hängt immer noch in Berlin und den Geschehnissen dort. Ich kann mich einfach nicht an die Tatsache gewöhnen, dass Menschen so grausam urteilen und das nur auf Grundlage von zwei Fotos. Und was sollte das überhaut heißen „Wincent Weiss neue Freundin"?! Freunde sind wir schon länger und was das andere angeht... Ich wünschte jemand könnte mir die Antwort auf die Frage geben, die sich seit Wochen in mein Hirn brennt. Sind wir wirklich nur Freunde? Und was würde passieren, wenn die Antwort nein lautet? All diese Gedanken formen sich zu einem Strudel in meinem Kopf, der mich die komplette Woche beschäftigt.

Endlich ist Samstag. Das bedeutet ich bin nicht mehr Julias prüfenden Blicken ausgesetzt. Ihr ist aufgefallen, dass ich wenig geschlafen habe und etwas durch den Wind war. Doch sie hatte genug Feingefühl es nicht jedes Mal aufs Neue anzusprechen. Ich werde den Tag heute mit Plätzchen backen verbringen und morgen mache ich mich wieder auf den Weg zu meiner Familie, stelle ich freudestrahlend fest. Es wird mir mit Sicherheit guttun, mich auf sie zu konzentrieren, anstatt auf den Gedankensturm in meinem Kopf. Voller Vorfreude suche ich mir alle Zutaten zusammen und beginne dem Rezept zu folgen. Begleitet werde ich dabei von Wincents Stimme, die durch die Boxen erklingt.

Plötzlich reißt mich die Türklingel aus meiner Arbeit. Überrascht wasche ich mir schnell die Hände und eile zur Tür. Als ich sie öffne, traue ich meinen Augen kaum. Vor mir steht ein dunkelbrauner Wuschelkopf, der mir mit genicktem Blick einen riesigen Blumenstraß entgegenhält. Völlig verblüfft von dieser Überraschung bitte ich ihn herein und stelle die Blumen in eine Vase in die Küche.

Bis jetzt hat Wincent nicht einen Ton gesagt. Fragend trete ich auf ihn zu, „Winnie, warum bist du hier?" „Sarah! Ich..." sucht er verzweifelt nach den richtigen Worten, „als du einfach weg warst, hast du mich sehr verletzt. Aber ich konnte dein Handeln verstehen. Ich hatte schon so oft Momente, in denen ich einfach nur wegwollte, zurück an die Ostsee." Betreten sehe ich ihm in die Augen. Mir war klar, dass ich ihn damit verletzen würde. Aber jetzt den Schmerz in seinen Augen zusehen, trifft mich heftig. Mit Bedacht wählt er die nächsten Worte: „Aber ich glaube es war das Richtige, dass du abgehauen bist." Ich schlucke schwer, dass kann er doch nicht so meinen. Er tritt einen Schritt auf mich zu und legt seine Hand unter mein Kinn, sodass ich seinem Blick nicht ausweichen kann. „Nachdem du weg warst, ist mir klargeworden, dass mir nichts so sehr weh tut, wie dich so verletzt zu sehen. Ich will nicht, dass es dir wegen mir jemals wieder so schlecht geht‼" Er sieht mich ernst an. „Also denk bitte gründlich über das nach, was ich dir zusagen haben: Sarah, ich liebe dich! Es hat gedauert bis mir das klargeworden ist, aber in deiner Nähe fühle ich mich vollständig und kann einfach ich sein. Du bedeutest mir einfach alles und die letzten Tage bin ich fast wahnsinnig geworden vor Sorge und Sehnsucht nach dir. Ich kann nicht von dir verlangen in mein Leben zu treten, aber ich will mit dir einen Kompromiss suchen, indem unsere beiden Leben ihren Platz finden. Gemeinsam." Wincents Blick liegt erwartungsvoll auf meinem. Doch ich kann nichts dazu sagen. Ich stelle mich einfach nur auf die Zehenspitzen und schließe die letzten Zentimeter zwischen uns mit meinen Lippen auf seinen.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissWhere stories live. Discover now