Kapitel 11

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Um mich dem ganzen Trubel ein wenig zu entziehen, gehe ich auf den Balkon. Ich stehe mit meinem Bier in der Hand am Geländer und starre hinaus in die Nacht über München. Diesmal kann ich tatsächlich ein paar Sterne erkenne, aber irgendetwas fehlt mir hier in München... Und ich hoffe wirklich, dass das nicht Lars ist...


„Kann ich mich dazustellen?" reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Ich drehe mich um und Wincent steht in der Tür. Er kommt auf mich zu und  stellt sich einfach nur stumm neben mich. Wir beide beobachten die Sterne. „Ich liebe den Nachthimmel", sage ich leis, mehr zu mir selbst. „Er strahlt so eine Ruhe aus" kommt von Wincent und wir beide sehen uns an. Ich mustere ihn und mein Blick bleibt auf seinen Augen hängen. Sie sind immer noch so tiefbraun, wie vor ein paar Tagen im Zug, aber diesmal sind sie von Traurigkeit erfüllt. Instinktiv spreche ich es einfach an: „Ist alles okay? Du siehst irgendwie... traurig aus..."
Erst blickt er mich nur verwundert an und scheint abzuwägen, ob eine fremde der richtige Ansprechpartner ist. Doch dann fängt er einfach an zu erzählen.

„Das Gespräch vorhin an der Küche hat mich irgendwie zum Nachdenken gebracht. Na klar komme ich super klar in meinem Leben auch ohne Freundin, aber das ist nicht unbedingt das Leben, das ich mir vorgestellt habe. Ich bin so viel unterwegs, da bleibt für andere Dinge neben dem Beruf wenig Zeit und ich genieße es ja auch sehr. Aber mir fehlt dann doch jemand, den ich abends anrufen, der einfach immer da ist. Verstehst du was ich meine?"
„Leider viel zu gut..." langsam bilden sich Tränen in meinen Augen, „du glaubst gar nicht wie anders ich mir mein Leben vorgestellt habe. Das sollte alles anders verlaufen..." bringe ich leise hervor und eine Träne rinnt mir die Wange runter. Wincent schaut mich mit seinen warmen, traurigen Augen an. Er zögert kurz, dann wischt er die Träne mit seinem Daumen weg und hält mein Gesicht für einen Moment in seiner Hand.
„Ich kenne dieses Gefühl" sagt er bedrückt und dreht sich wieder zum Geländer, „ich hatte mit meiner Exfreundin so viele Pläne und auch wenn ich über sie wirklich hinweg bin, um unsere Zukunft trauere ich immer noch in Momenten wie diesen."
„Wolltet ihr auch eine Familie?". Ich zögere kurz. Komisch eigentlich, dass ich mit einem eigentlich wildfremden, über solch tiefgreifende Themen spreche, aber ich fühle mich von ihm verstanden.
„Ja" nickt er lächelnd, „am liebsten zwei Kinder und ein Haus mit Garten."
„Das klingt wirklich schön" und auch ich muss lächeln, „aber das kannst du doch alles noch machen. So alt bist du jetzt auch noch nicht."
„Haha danke, das weiß ich doch. Mit 26 ist das Leben ja noch nicht vorbei. Aber meine Vorstellung war eben immer eine Andere. Ich wollte früh Vater werden und mit meinen Kindern durch den Garten toben. Aber es scheitert ja schon daran eine Frau kennenzulernen..." nachdenklich schaut er mich an, „Es tut echt gut das alles mal auszusprechen, ohne dafür verurteilt zu werden. Danke." Ein warmes Lächeln schleicht sich in sein Gesicht.
„Ich würde nie jemanden verurteilen, der sein Leben plant. Ich wollte vor zwei Wochen noch am liebsten 3 Kinder und am liebsten auch sofort" sage ich lachend, „aber jetzt fange ich wohl erstmal wieder ganz von vorne an und suche mir einen Punkt für meinen Neustart."
„Vielleicht ist das ja auch eine Chance nochmal alles anders zumachen" meint Wincent aufmunternd.
„Ja vielleicht hast du recht..." sage ich nachdenklich und wir beide stehen einfach nur nebeneinander und schauen in die sternenklare Nacht.


Wir hatten doch Pläne | wincent weissWhere stories live. Discover now