Kapitel 34

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Nervös nehme ich einen Schluck von meinem Kaffee und lasse meine Augen über die Tageszeitung schweifen. Ich nehme keine Worte wahr, denn mein Kopf ist ganz woanders. Dann öffnet sich die Tür zum Café und ich drehe mich um. Lars steht mitten in der Tür und blickt sich etwas ratlos um, bis er mich erblickt. Seine Miene versteift sich und er kommt auf mich zu. „Hey" begrüßt er mich distanziert. „Hallo" erwidere ich nicht weniger kühl. Er setzt sich und wir schweigen uns an. Die Kellnerin nimmt seine Bestellung auf und lässt uns dann mit unserem Schweigen wieder allein. Keiner weiß so recht was er sagen soll. Ich öffne gerade den Mund, da fängt Lars an zu reden. „Du Sarah, es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht, warum du dich nochmal mit mir treffen wolltest, aber es ist aus zwischen uns. Und egal was du jetzt sagst, es wird nichts daran ändern." Er blickt mich entschuldigend an und ich pruste vor Lachen. „Wie um alles in der Welt kommst du darauf, dass ich dich zurückhaben will?! Ich wollte mich einfach nur noch einmal mit dir über alles unterhalten mit ein wenig Abstand und Zeit, um damit ordentlich abzuschließen." Er schaut mich erst etwas verwirrt, dann aber doch erleichtert an. „Alles klar. Das beruhigt mich wirklich." Es ist schon ziemlich arrogant von ihm zu glauben, dass ich immer noch an ihm hänge.

 „Ich habe viel über deine Worte nachgedacht" beginne ich, „und ich denke, dass diese Beziehung schon deutlich früher vorbei war, als wir beide es realisiert haben. Ich war nur noch in die Idee von dir und einem gemeinsamen Leben verliebt, aber mit dir hatte das nicht mehr viel zu tun. Das wurde mir erst im Nachhinein klar. Ich meine wir waren noch Kinder als wir zusammengekommen sind. Es ist ganz natürlich, dass wir uns noch weiterentwickeln und manchmal geschieht das eben in unterschiedliche Richtungen. Es tut mir leid, dass du die schwere Aufgabe hattest mir das klar zu machen und der Böse warst. Ich wollte dir nur nochmal sagen, dass ich das jetzt weiß und ich dir auch nicht böse bin. Die Trennung war schon längst überfällig, auch wenn ich das nicht wahrhaben wollte."

Lars sieht mich wie gebannt an, dann nimmt er meine Hand und drückt sie fest. „Danke Sarah! Wirklich! Es war auch für mich irrsinnig schwer diesen Schritt zugehen und dich so zu verletzen. Deine Worte bedeuten mir unendlich viel." Wir sehen uns lange in die Augen und verstehen uns ohne Worte. Es ist okay wie es ist... Für uns beide.

Nach unserem Gespräch fühle ich mich befreit. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so gut verläuft und ich bin froh, dass ich den Mut dazu hatte. Mit neuem Enthusiasmus stürze ich mich in den Einkaufstrubel der Berliner Weihnachtszeit. Nach einer Stunde kann ich die Weihnachtsmusik schon nicht mehr hören und krame meine Kopfhörer raus. Nach kurzer Überlegung starte ich Wincents Album. Ich sollte die Songs zumindest schon einmal gehört haben, bevor ich morgen bei dem Konzert bin. Außer bei dem Konzert auf dem Marktplatz, hab ich seine Stimme noch nie singen gehört. Sie macht mich sprachlos. Ich laufe durch die Geschäfte mit seiner Stimme im Ohr und muss für einen Moment innehalten. Es ist als würde er sein Herzen offen darlegen, für jeden sichtbar, der ihm nur zuhört. Wie kann ein Mensch so viel Gefühl in jeden einzelnen Song legen? Ich kann es nicht verhindern, dass eine einzelne Träne sich den Weg über meine Wange bahnt. Es ist das Lied über seinen Vater, dass mich am meisten mitnimmt. Wir haben schon einige Male über ihn gesprochen, doch Wincent hält das Thema meisten kurz. Er ist für ihn scheinbar nicht von Bedeutung, viel eher das was er von ihm gelernt hat. Wenn ich mal Vater werde, will ich nie so sein wie du.

Jetzt kann ich das Konzert kaum abwarten. Den ganzen Samstagvormittag bin ich hibbelig und wusle durch das Haus. Ich freue mich so unheimlich Wincent einmal bei seiner Leidenschaft begleiten zu dürfen. Um 15 Uhr mache ich mich auf den Weg in die Max-Schmeling-Halle. Vor dem Einlass stehen schon einige seiner Fans und warten, obwohl der Einlass erst in 2 Stunden beginnt. Ich gehe auf den Securitymann an der Tür zu und spreche ihn an. Nachdem er meinen Namen gehört hat gibt er mir einen Pass und lässt mich hinein. Die Blicke der Mädels draußen folgen mir und beobachten mich. Ich schreibe Wincent, dass ich da bin.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissKde žijí příběhy. Začni objevovat