Kapitel 47 || Süß

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Händchenhaltend liefen wir durch die dunkeln Gänge des Schlosses. Ich fühlte mich, als würde ich von dicken, weichen Wolken getragen werden. "Bist du auch auf einem dieser Gemälde?" fragte Manuel, die aushängende Kunst bewundernd. "Ja, bin ich.", schmunzelte ich, "Es hängt in einem etwas kleineren Korridor, soll ich es dir zeigen?" Meine Angst wurde von dem triumphalen Gefühl unserer überraschenden Wiedervereinigung in den Schatten gedrängt. "Liebend gern." flüsterte der Größere, während er seinen Kopf leicht zu mir neigte.

Von Glück erfüllt zog ich Manuel in den Gang, der zum Ostflügel führte. Dann, etwa auf der Hälfte der Strecke legte ich meine Hände auf seine Augen. "Wehr dich nicht." flüsterte ich ihm ins Ohr, als er Anstalten machte sich aus meinem Griff zu winden. Nach kurzen Zögern hörte er auf und fügte sich meinem Willen.

Dann hielt ich an und befreite seine Augen. "Darf ich vorstellen?" Verschmitzt lächelnd betrachtete der Grünäugige das Gemälde. Ein zehn Jahre alter Patrick blickte mir streng in dir Augen, auf seiner Schulter ruhte die Hand des Königs. Maurice sah auf dieser Abbildung deutlich ernster aus, als er es in echt getan hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er sieben gewesen, was Disziplin anging, war ich ihm um Welten voraus. Mir war es ganz genau in Erinnerung geblieben. Die ganze Zeit hatte er gekichert und war von einem Fuß auf den anderen gesprungen. Ich hatte ihm lediglich hin und wieder einen bösen Blick zugeworfen. Termine dieser Art waren für mich damals eines der bedeutendsten Dinge gewesen. 

"Du warst süß." meinte Manuel irgendwann mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen, woraufhin ich den Kopf abwandte, da ich nicht wollte, dass er die sich ausbreitende Röte bemerkte. "Danke." "Ist dir das unangenehm? Dann kann ich dir noch etwas sagen. Du, in deinem jetzigen Zustand, bist noch viel süßer." "Und du bist blöd." murrte ich, schlang meine Arme um seinen Nacken und vergrub meinen Kopf an seiner Brust. "Wenn dies meine Strafe ist, bin ich das gerne." schmunzelte er und platzierte einen federleichten Kuss auf meinem Hinterkopf. 

Wir verharrten nicht lange, allerdings fühlte es sich an, als würde die Zeit innerhalb des Schlosses erneut stehen bleiben, nur um uns diesen Moment zu gewähren. Dieser Gedanke war gar nicht so verwerflich, vielleicht konnte der Hexer alle, bis auf uns, Maurice und Michael zum Schlafen bewegen, doch würde ich ihn das ein anderes Mal fragen. 

"Manuel?" flüsterte ich. Ein zustimmendes Brummen ertönte. Ich sah auf und bemerkte, dass er seine Augen geschlossen hatte. "Lass uns in mein Gemach gehen, es wäre von Vorteil, würden wir nicht hier einschlafen." Sein Kopf bewegte sich auf und ab, seine Beine blieben jedoch fest verankert. Seufzend zog ich ihn hinter mir her, sodass wir, zum Glück ohne auf andere Personen zu stoßen, in meinem Zimmer angelangten. 

"Muss ich dich wieder entkleiden?" grinste ich und stach ihm mit meinem Zeigefinger in den Bauch. "Lass mich schlafen." murrte er und drehte sich von mir weg. "Vergiss es.", lachte ich und krabbelte über ihn, "Ich will den Dreck, der an deiner Kleidung haftet, nicht in meinem Bett haben. Also los." erneut gab er einen unwilligen Laut von sich, gehorchte aber, als ich ihm androhte, dass er auf dem Boden schlafen müsse.

Des Hexers Herz ° KürbistumorWhere stories live. Discover now