Kapitel 62 || Verstärkung

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Trotz des Erleichterung über meine Unauffälligkeit, klopfte mein Herz wie das eines kleinen Tieres, welches von großen Wölfen gejagt wurde. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, zog ich die die schwere Holztür ein wenig auf und spähte hindurch. Ein kalter Luft Stoß wurde mir ins Gesicht geblasen und brachte meine Zähne zum klappern. Das, was ich erblickte, ließ mich jedoch um Weiten stärker erschaudern. Gefühlt hunderte Wachmänner waren auf dem Gelände verteilt, viele trugen ein rot blaues Wappen und zeichneten sich somit als Astucische Soldaten aus. Das Königsblau zeichnete sie als coryianische Soldaten aus, die andere Farbe, zeigte, dass sie aus Astucia, einem östlichen Teil Coryias kamen. 

Die Verstärkung konnte nur eines heißen. Man wusste von unserem Fluchtversuch, oder man hatte ihn kommen sehen. Da ich mir nicht vorstellen konnte, dass einer der fünf Anderen uns verraten hatte, tippte ich auf die zweite Möglichkeit. 

Ich zitterte. Diese Begebenheit würde alles komplizierter machen. Doch trotzdem riss ich mich zusammen und öffnete die dunkle Tür erneut, der Spalt war gerade breit genug, damit ich hindurch schlüpfen konnte. Mich möglichst klein machend ging ich hinter einem Busch in Deckung. Würde mich jemand finden, wäre es gelaufen. Würde mich jemand entdecken, während ich versuchte mich in den Wald zu schleichen, ebenfalls. Durch den Beutel über meiner Schulter, wäre meine Ausrede mit dem Spaziergang nun unglaubwürdig.

Das, was mir vermutlich am ehesten helfen würde, wäre ein Punkt, der auf der Strecke lag, wo es nicht auffällig wäre, wenn ich dahin liefe. Grübelnd betrachtete ich die Wachmänner, bis mir die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen fiel. Arvids Hütte. Ihre Lage war nicht perfekt, allerdings besser als nichts. Ein kleines, listiges Lächeln huschte mir über die Lippen, als ich mich Aufrichtete und in Richtung des winzigen Holzhauses eilte. 

Ich hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter mir, als ein heller Lichtblitz nicht weit von mir erschien. Kurz darauf folgte ein schmerzerfüllter Schrei. "Manuel...", hauchte ich ängstlich, "Um Gottes Willen, Manuel, bitte sag, dass dir nichts passiert ist."

Panik machte sich in mir breit, eiskalter Schweiß rann mir den Rücken herunter. Dann rannte ich los, als wäre eine Horde wilder Barbaren hinter mir her. Ich raste um eine Ecke, doch was ich vor mir erblickte, ließ mich erstarren. Zwei Soldaten lagen in dem weißen Schnee, umgeben von einer riesigen, roten Blutlache. Ihre Augen waren noch offen, doch unmenschlich und starr gegen den Himmel gerichtet. Nicht weit von ihnen standen Manuel und Roxane, die wieder ihren normalen, schwarzen Zopf trug. Dem Anschein nach mochte sie das Kämpfen in dieser Gestalt mehr. Beide trugen einen Ausdruck zur Schau, der zwischen Genugtuung, Angst vor sich und dem Geschehenden und Schrecken schwankte. 

Ich merkte, wie mir übel wurde. Ich drehte mich von den Hexen weg und erbrach mich mitten in die Rosensträucher. Manuel war sofort zur Seite, strich mir vorsichtig über den Rücken und reichte mir ein Stofftaschentuch von Roxane weiter, als ich fertig war. "Danke", flüsterte ich, traute mich jedoch nicht einem der Beiden in die Augen zu sehen. Sie hatten getötet. Und ich war drauf und dran ihnen zur Flucht zu verhelfen. Ein irres Lachen entwich mir, als Manuel mir half wieder auf die Beine zu kommen. "Komm. Wir dürfen keine Zeit verlieren." Ein letztes Mal schluckte ich, dann nickte ich und ließ mich von ihm mit zerren. Wir sprinteten in Höchstgeschwindigkeit in Richtung der Stallungen, ein Blick nach hinten versicherte mir, dass wir von fünf Soldaten verfolgt wurden. Und es wurden immer mehr.

Des Hexers Herz ° KürbistumorWhere stories live. Discover now