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„Was ist mit dir?" Seine Stimme löste etwas in mir aus, dass ich nicht beschreiben konnte

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„Was ist mit dir?" Seine Stimme löste etwas in mir aus, dass ich nicht beschreiben konnte. Es war als hätte ich sie vergessen, ihren Klang.
Ich biss die Zähne zusammen, als meine Tränen auf meine ausgestreckten Hände tropften, die ich zu Fäusten ballte. „I-Ich..." Mehr als ein Stottern brachte ich nicht zu Stande.

Er war stehengeblieben. Genauso wie alle anderen, die in ihren Bewegungen inne gehalten hatten. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, genau wie meine.
Vor meinem inneren Auge flackerte etwas auf.
Du brichst mir das Herz...wenn du weinst.

Ich hielt mir die Hand vor den Mund und schluchzte, als mir wieder die langen Nächte in Erinnerung kamen.
„S-Sakura" Er drehte sich mir zu, reagierte nicht einmal auf Tsukishimas Kommentar, den ich ebenfalls überhörte.

„Du bist so ein..." Ich stoppte, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und holte tief Luft.
Meine tränenverschleierten Augen starrten ihn nun wütend an. Reiß dich zusammen. Drohend näherte ich mich ihm mit wenigen Schritten. Shoyo kicherte leise, als der Zuspieler erschrocken zurück wich.

„Du bist so ein elendiger Vollidiot!"
beschimpfte ich ihn und schubste ihn nach hinten. „Was fällt dir ein, du Pfosten?"
Verwirrt sah er auf mich herunter, wieder stieß ich ihn ein Stück weg.

„Warum trainierst du dich hier zu Tode? Was willst du damit erreichen? Dass du gar nicht mehr spielen kannst?" Er sah weg.
„Du hast gesagt ich soll mehr trainieren" warf er mir an den Kopf. Da knallte ich ihm eine. Es war eine Affekthandlung, aber es fühlte sich gut an.

Noch eine. Beim dritten Mal fing er meine Hand ab. „Hör auf" Sein Griff war fest, beinahe schmerzhaft, aber ich hab keinen Laut von mir.
„Ich habe gesagt, du sollst Prioritäten setzten! Du sollst dich auf die Meisterschaft konzentrieren!"
Die anderen Spieler flüsterten leise im Hintergrund. Endlich lichtete sich für sie der Vorhang der Fragen.

„Schieb deine scheiß Aktionen nicht auf mich!"
Ich riss meine Hand los und drehte mich um.
„Wenn du so weitermachst, kannst du deine Karriere knicken. Zeig mal das du Eier hast und krieg dich wieder ein, nur weil dein Stolz verletzt ist!" Ich ließ die Worte wirken, er stand wie gelähmt da.
Meine Wut hatte nicht nachgelassen, im Gegenteil, mit jeder Sekunde Schweigen kochte sie beinahe über. „Sag was" fuhr ich ihn an.

„Es ist mir egal, was du gesagt hast" Ich hörte auf zu atmen. „Ich trainiere so wie ich es für richtig halte"
„Wie kann man eigentlich so dumm sein?"
Wieder ging ich auf ihn zu, bereit ihm erneut eine zu scheuern. Er antwortete nicht.

„Ich habe nicht nachgelassen, auch wenn ich im Training nicht jedes Mal da war" Ich sah kaum merklich zu Hinata, der seine Finger knetete. Ihn plagte die Schuld.
„Du hast gesagt ich soll ernst trainieren, dann mache ich es. Was ist jetzt wieder falsch
daran?" fragte er angriffslustig und kam mir einen Schritt entgegen. Verächtlich stieß ich die Luft aus.

„Das ist nicht ernst. Schau dich an. Das ist dumm" Ich zeigte auf seine Hände.
„Es ist einfach nur hart" Meine Hand knallte erneut gegen seine Wange. Sein Kopf schnellte zur Seite und er schloss die Augen um dich zurückzuhalten.
„Lüg dich nicht auch noch selbst an. Du weißt genau, dass du dich kaputt machst" Ich sagte es leise genug, dass es nicht alle hörten.

„Was interessiert es dich überhaupt?" zischte er zurück. Ich hielt seinem bohrenden Blick stand, unter dem Yachi und Yui wahrscheinlich wieder das Weite gesucht hätten.
„Was es mich interessiert? Glaubst du ich wollte hier her kommen?"

Seine Augen wurden kaum merklich etwas größer. „Jeder einzelne aus diesem Team ist bei mir angetanzt" Ich zeigte auf den kleinen Halbkreis, der sich um uns gebildet hatte.
„Und jeder einzelne hat mich gebeten mit dir zu reden"
Kageyama sah in die Runde. Aber nicht einmal Tsukishima sagte etwas.

„Wie schlimm musst du wohl sein, wenn alle bei mir ankommen, hm?" Mein Finger bohrte sich in seine trainierte Brust. Das machst du gut, redete ich mir ein.
Er packte wieder mein Handgelenk und zog mich dicht an sich. Die plötzliche Nähe ließ meinen Atem flach werden.

„Und wenn alle schon bei dir waren, warum kommst du erst jetzt? Magst du Prügeleien?"
Sein Lächeln war extrem gequält.
„Hinata hat mich regelrecht angefleht nach dir zu sehen" Ich entriss ihm meine Hand nicht, er ließ sie auch nicht los.
Der Blick meines Gegenübers suchte den seines besten Freundes.

Lange starrten sie einander an, bis er sich wieder mit zuwandte.
„Und wieso hörst du auf Hinata?" Diese Fragerei ging mir auf die Nerven.
„Was ist mit dir passiert?" stellte ich als Gegenfrage, er runzelte die Stirn.
„Ich könnte dich dasselbe fragen"

Du fehlst mir. Die Worte lagen mir auf der Zunge. Aber Meis Stimme in meinem Kopf warnte mich.
Noch immer hielt er meine Hand fest umklammert. Es war vollkommen still um uns herum. Dann zog er mich ganz nah zu sich.
Seine Stimme war dicht an meinem Ohr.

„Du fehlst mir so unglaublich" flüsterte er. Ich schnappte überrascht nach Luft, als er meine Hand losließ und aus der Halle joggte. Alle folgten ihm mit den Blicken, sahen dann zu mir. Gestresst fuhr ich mir durch die Haare. Mein Bruder nahm mich wortlos in den Arm.

Aber ich würde meine Wut nicht hier auslassen, nicht vor allen, auf keinen Fall vor Tsukishima. Am liebsten würde ich ihm selbst nochmal eine verpassen. Ich stieß Koshi weg und verließ ebenfalls die Halle.
Fest entschlossen steuerte ich in Richtung Schwimmbad.

-

Kinder jeden Alters kamen mir auf meinem Weg entgegen, mal mit Eltern, mal ohne. Erinnerungen keimten in mir auf, ich lächelte. Als ich die Eingangstür öffnete, war es leer bis auf eine Person, die sich bereits von mir entfernte.
„Onakuua-Sensei!" rief ich dem Mann hinterher, sofort drehte er sich um und sein Gesicht leuchtete. „Sakura-san!"

Er bleibt stehen und stämmte die Hände in die breiten Hüften. „Wir haben uns ja ewig nicht gesehen" lachte er, seine Rauchstimme war rau wie Sandpapier.
Ich nickte. „Ist das Schwimmbad noch auf?"
Eingehend musterte mich der Mann mittleren Alter, reichte mir dann einen Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln.

„Schließ hinter dir ab. Und sei froh, dass du als meine Lieblingsschülerin noch schwimmen darfst, obwohl du kein Mitglied bist!" Als ich mich dankend verbeugte tätschelte er meinen Kopf. „Mach nicht zu lange"

Sobald er sich umgedreht hatte erlosch mein Lächeln.
Auf dem Weg in die Umkleide sah ich auf die Uhr an der Wand. 19:17 Uhr. Mit einem metallischen Klicken entriegelte sich die Tür, ich trat ein. Es roch nach Chlor. Beruhigt entkleidete ich mich, streifte mir meinen Badeanzug, den ich daheim schnell geholt hatte, über und stieß die Tür auf.

Das Wasser glitzerte im fahlen Mondlicht. Ich kniete mich an den Beckenrand und ließ meine Hand in das kalte Nass gleiten. Einige Minuten ließ ich es einfach wirken, meine Finger zogen kleine Kreise.
Dann erhob ich mich, streckte meinen Rücken durch und sprang. Mit geschlossenen Augen stieß ich durch die Wasseroberfläche, meine Haut kribbelte, ich lächelte.

Mit kräftigen Beinschlägen schoss ich wieder nach oben, den linemen Arm angewinkelt, ließ ich meine Fingerspitzen die Oberflächen durchbrechen. Freistil. Mein Herz atmete auf. Um meine Wut zu kontrollieren, eher um sie auszulassen, bewegte ich meine Beine wie wild, meine Hände zerrissen das Wasser. Irgendwann begann ich unter Wasser zu schreien, in der Hoffnung keiner hörte mich. Eine Bahn nach der anderen, eine Wende nach der anderen, ein Armzug, ein Beinschlag, noch einer.

Vollkommen fertig, ohne Zeitgefühl ließ ich mich auf den Boden des Beckens sinken. Wie in Zeitlupe stiegen die Luftblasen nach oben, entwichen aus meinem geöffnetem Mund. Ich schloss die Augen und lauschte der Stille. Aber bald wurde die Luft in meiner überstrapazierten Lunge knapp und ich stieß mich ab, wieder an die Oberfläche.

Mit letzter Kraft stemmte ich mich über den Beckenrand, wie eine müde Robbe lag ich träge auf den Fliesenboden. Meine Glieder schmerzten, dennoch lächelte ich. Meine Wut war verraucht, der Mond bestrahlte mich in sanftem weiß durch die Fenster.

Meine langen, nassen Haare warf ich über meine Schulter, genau wie das Handtuch, und stolzierte zu den Duschen. Mein Kopf war befreit von Kageyama, ich hatte ihn vergessen. Vorerst.

AUSGEHEN (kageyama)Where stories live. Discover now