8. Die 11a

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Erstaunt blickte ich Herrn Karlsen an.
,,Frau Lorenz hat davon berichtet und ein Blick auf deine Noten dieses Halbjahr hat ebenfalls klar gemacht, dass du deinen Klassenkameraden mit Bestnoten weit voraus bist und sogar nicht selten Aufgaben aus höheren Stufen selbstständig löst. Da fanden wir es angebracht, wenn du Aufgaben bekommst, die dich nicht unterfordern. Wir haben auch schon mit dem Direktor abgeklärt, dass es in Ordnung wäre."

Ich nickte. ,,Generell würde ich das sehr interessant finden."

,,Wegen deiner Freunde und Klassenkameraden, würde ich natürlich verstehen, dass du in deiner Klasse bleiben willst und der Wechsel kommt jetzt ja ziemlich plötzlich zum Halbjahr."
Ich schüttelte langsam den Kopf. ,,Meine Bildung ist mir wichtiger."

Herr Karlsen nickte. ,,Das sollte auch Vorrang haben."
Er lächelte. ,,Dann können wir uns ja am Freitag mit Frau Lorenz, dir und deinen Eltern zusammensetzen und das besprechen. Frag deine Eltern doch bitte, wann sie Zeit hätten."

,,Ich habe nur eine Mutter."
Das kurze mitleidige Schimmern, das dieser Satz für gewöhnlich auslöste, blitzte kurz in seinen Augen auf, aber er fing sich schnell wieder.
,,In Ordnung. Dann frag sie doch bitte, ob ihr Freitag um 16.00 Uhr gelegen käme oder wir den Termin ändern sollen."

Ich nickte. Herr Karlsen verabschiedete sich. Ich war erstaunt, dass er mich gefragt hatte.
Aber ich war auch froh endlich unter Leute kommen zu können, die ein gewisses geistliches Niveau hatten.

Die 11a hatte im Gegensatz zu der 10a einen hervorragenden Ruf.
Und vielleicht war es wirklich gut für mich, mal von der Geschichte mit Jonathan Abstand zu finden.
Seit dem Vorfall im Krankenhaus hatte ich nichts mehr von ihm gehört und es gab auch keine Hausaufgaben, die ich ihm hätte bringen können.

Das Gespräch am Freitag lief hervorragend.
Meine Mutter und Herr Karlsen waren schnell einer Meinung. Frau Lorenz schwieg die meiste Zeit.

Nächste Woche konnte ich in die 11a wechseln, da das zweite Halbjahr ja erst letzte Woche begonnen hatte und ich laut Frau Lorenz und einem Wissenstest den Stoff lückenlos beherrschte.

Das war ziemlich klar gewesen.
Nur Frau Lorenz schien auf einmal nicht mehr ganz so begeistert von der Idee zu sein, auch wenn ich nicht verstand, warum.

Sie schlug meiner Mutter eine zweiwöchige Probezeit vor, um zu sehen, ob ich klarkommen würde.
Meine Mutter fand das genial und da es mir egal war, wurde so entschieden.
Auch wenn Herr Karlsen versicherte, dass das sicher nicht nötig wäre.

Am nächsten Montag schien meine ganze Klasse schon alles zu wissen.
,,Gut, dass wir dich dann endlich los sind", raunte mir Robin zu.

Monicia hatte sich im Unterricht zu ihm gesetzt, so dass ich alleine saß.

,,Frau Fischer, Sie hatten als Hausaufgabe die Seite 56, Nummer 3 und 7 gegeben", sagte ich nur laut.

Robin knirschte wütend mit den Zähnen.
Frau Fischer nickte.
,,Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Danke für die Erinnerung."

Mehr als Robin sahen mich wütend an. Doch das störte mich nicht.
Ab Morgen war ich in der 11a. Heute wurde nur noch der Papierkram geregelt.

Dann musste ich auch Jonathan nicht mehr die Hausaufgaben bringen.
Endlich musste ich ihn nicht mehr sehen.
Heute war das letzte Mal.

Jonathan war inzwischen in ein anderes Zimmer verlegt worden.
Netterweise hatte mich die Empfangsdame aber nicht informiert, weswegen ich erstmal zwanzig Minuten im Krankenhaus herumirrte, bis ich den Arzt von Jonathan traf, der mir den Weg beschrieb.

Ein Glück war heute das letzte Mal. Danach würde ich dieses Krankenhaus nie wieder freiwillig betreten.

Als ich ins Zimmer kam, schlief Jonathan mal wieder.
Die Sonne schien durch das Fenster auf sein Bett und sein Gesicht. Er sah friedlich aus.

Ich überlegte, ob ich ihn wecken sollte, doch schüttelte dann den Kopf und legte einfach den Stapel auf seinen Nachttisch, wo reichlich Zeug herumlag.

Warum mich lange aufhalten, wenn es auch schnell ging?

Ich lief durch die Cafeteria nach draußen. Eigentlich könnte ich mir noch etwas mitnehmen. Meine Mutter war heute den ganzen Tag arbeiten und irgendwie hatte ich, was eigentlich selten vorkam, keine Lust zu kochen.

Obwohl es vernünftiger wäre, da der ganze Kühlschrank voll war.

Ich stellte mich gerade in die Schlange, um von dem Geld, das ich noch dabei hatte, ein belegtes Brötchen zu kaufen, da fiel mein Blick auf die Blumen, die vor dem Blumenladen vor dem großen Fenster standen.

Jonathans Blumen aus dem anderen Zimmer waren längst verblüht.

Blumen waren billiger als ein Brötchen hier. Wenn ich schon Unvernünftiges tat, dann das vernünftigere Unvernünftige.

Die Schwester war so nett mir eine Vase zu bringen und ich stellte die gelben Blumen auf Jonathans Nachttisch hinter den Stapel Blätter.

Meinem Pflanzenwissen nach, waren es Dahlien.
Die Farbe war nicht mein Fall, aber sie waren eben im Angebot gewesen.

Ich drehte mich gerade um und ging zur Tür, da hörte ich, wie Jonathan hinter mir etwas sagte.

,,Stimmt es, dass du morgen die Klasse wechselst?"

Ich zuckte zusammen und mir stieg Röte ins Gesicht, obwohl ich es mir nicht erklären konnte. Meine Hand verharrte über der Türklinke, aber ich entschloss mich doch zu bleiben.

Ich drehte mich zu ihm.
,,Ja. Ich wechsle in die 11a. Dann seid ihr mich endlich los."

Jonathan rieb sich mit der Hand über den Kopf, wo die fast verheilte Platzwunde war.
Ich widerstand dem Drang, dasselbe zu tun.

,,Wer sagt, dass ich dich nicht vermissen würde?", lachte Jonathan.
Ich drehte den Kopf zur Wand.
,,Besser wäre es. Warum würde mich schon einer von euch vermissen."

,,Stimmt auch wieder. Ein echtes Ekelpaket bist du schon."
,,Danke, gleichfalls."
Ich ging zur Tür und drückte die Klinke herunter.

,,Viel Glück in der 11a", rief Jonathan mir nach. ,,Ich hab gehört, das die Klasse echt unangenehm werden kann."

,,Ich komm schon klar, vielen Dank", sagte ich kalt.
,,Woher kennst du überhaupt die 11a?"

Jonathan verschränkte die Hände hinter dem Kopf. ,,Eishockeyteam."

,,Ah. Dann auf Wiedersehen."
Irgendwie wollte ich ihm aus reiner Förmlichkeit gute Besserung wünschen, doch seine Verabschiedung ließ mich das schnell vergessen.

,,Auf Wiedersehen, Liz."
Ich ballte die Hand zur Faust, zog die Tür auf und hinter mir wieder zu.
Dem würde ich schon zeigen, dass ich klarkomme!

Zuhause machte ich mir Essen.

Morgen war der erste Tag in der neuen Klasse.
Wirklich aufgeregt war ich nicht.
Was zählte, war meine Leistung.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf.
In der Schule schaute ich auf den Plan. Die 11a hatte das Klassenzimmer im gleichen Stockwerk wie meine alte Klasse. Aber zum Glück am anderen Ende des Gangs.

Mit meinem Buch setzte ich mich vors Klassenzimmer. Nun, da ich eine Stufe höher war, hatte ich wieder Zeug zum lernen.

Außer mir war kaum jemand da. Nur ein großgewachsener Junge mit dunklen Haaren saß auf der anderen Seite des Flurs.

Auch er schien zu lernen. Das war gut.
Alle Schüler, die kamen, machten es ebenso.
Endlich vernünftige Leute.

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Fünf im KopfМесто, где живут истории. Откройте их для себя