15. Regen und Backe, backe Kuchen

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Genervt tippte ich mit dem Finger gegen den Rand der Mauer, auf der ich saß.

Jonathan, der neben mir saß, summte eine Melodie vor sich hin.

Zwei Wochen waren um und wir waren auf dem Nachhauseweg vom zweiten Treffen vom Regen überrascht worden.
Nun hatten wir uns unterstellen müssen.

Jonathan holte aus seiner Tasche eine Dose und schüttete zwei Tabletten in seine Hand. Die spülte er mit Wasser hinunter.

,,Was machst du da?", wollte ich wissen.
,,Nach was sieht es denn aus?"
,,Warum nimmst du Tabletten?"

Jonathan lachte. ,,Vielleicht weil mein Bein wehtut?"
,,Dann hör auf es zu überanstrengen."

Jonathan lief meiner Meinung nach viel zu viel dafür, dass der Bruch nur fast zwei Monate her war.
Das seine Krücken die ganze Bewegung mitmachten war ein Wunder.
Nicht dass ich mit Sorgen um ihn machte.
Ich wollte nur nicht schuld daran sein, wenn er wieder ins Krankenhaus kam und sein Arzt mir wieder Vorwürfe machte.

Aber ich musste ihm ja nicht mehr die Hausaufgaben bringen. Das hieß, dass ich den Arzt nicht einmal treffen würde.
Dann machte es ja nichts.

Langsam wurde es dunkel und es regnete immernoch.
Ich begann in meiner nassen Kleidung zu frösteln.
Jonathan rutschte näher zu mir und legte seinen Arm um mich.

Das erinnerte mich stark an Kalles Berührungen und ich wollte ihn gerne loswerden, aber dann würde mir wieder kalt werden.

,,Warum machst du das, Jonathan?", fragte ich in die Dunkelheit.
,,Was?", wollte er wissen.
,,Das alles. Du...meintest doch selbst, dass ich ein Ekelpaket bin und hast mich wegen Moni beleidigt."

,,Trotzdem braucht jeder Mensch jemanden, dem er vertrauen kann und du scheinst niemanden zu haben, weil du niemanden an dich heranlässt. Wieso?"

Ich zuckte die Schultern. ,,Ich weiß es nicht."
,,Aber das alles muss doch einen Grund haben."
,,Ich weiß es wirklich nicht."

Inzwischen war es ganz dunkel, als ich leise sagte: ,,Vielleicht weil ich nie jemanden hatte und dachte, dass ich immer alleine klarkommen würde."
Fast wurde meine Stimme vom Regen übertönt, aber Jonathan hörte sie.

,,Was ist mit deiner Mutter?"
,,Die arbeitet sehr viel, um für uns zu sorgen", seufzte ich.
,,Und dein Vater?"
,,Ist bei einem Unfall gestorben, als ich noch klein war. An ihn erinnere ich mich nicht einmal."

Jonathan zog mich näher zu sich und ich legte zögernd meinen Kopf auf seiner Schulter ab, was mir normalerweise schon zu viel war.
Jonathan störte es nicht.
So saßen wir eine Weile.

Auf einmal zuckte ich zusammen und riss mich los.
,,Auf Wiedersehen!", rief ich Jonathan zu und rannte durch den immernoch schüttenden Regen davon.
Warum brachte dieser Junge mich immer wieder dazu, Dinge von mir zu erzählen, die ich niemandem erzählen wollte!?
Jetzt hatte er wieder etwas, das er berichten konnte und über das sich alle lustig machen würden!

Klitschnass kam ich zuhause an. Doch meine Mutter war noch nicht da.
Als ich auf mein Handy sah, hatte sie mir eine Nachricht geschrieben.
Es konnte später werden.

Seufzend schmiss ich mich in nassen Klamotten aufs Bett und sprang sofort wieder auf, als das Regenwasser in meine Laken sickerte.

Auf der Suche nach einem Handtuch fiel mein Blick auf das Regal, wo ein Regenschirm lag. Sollte ich zurückgehen und Jonathan damit nach Hause begleiten?
Aber das war demütigend.
Außerdem war er vielleicht schon längst weg.

Ich setzte mich in die Küche, um noch meine Hausaufgaben zu machen, doch ich sah vor dem Fenster, wie es draußen schüttete.

Ich stöhnte und schnappte mir den Regenschirm. Wann war ich so weich geworden?

Jonathan humpelte schweigend neben mir unter dem Regenschirm her.
Nach zehn Minuten hielt er an.

Ich sah mir das Haus an, vor dem wir stehen geblieben waren.
Ich weiß nicht, ob ich irgendetwas Außergewöhnliches oder Besonderes erwartet hatte. Es war eben ein ganz normales Haus. Weiß, mit dunklem Dach, Beete im Vorgarten, Rasen ein wenig zu lang.

Ich begleitete Jonathan bis zur Überdachung der Tür.
Er klemmte eine Krücke geschickt unter den Arm, steckte den Schlüssel ins Schloss und schloss auf.

Sofort hörte man Schritte durch den Flur rennen.
Ein kleines Mädchen mit zwei dunkelbraunen Zöpfen in einem blauen Kleid kam angerannt. Sie hatte die gleiche Augenfarbe wie Jonathan.

,,Jonathan, wer ist das?", fragte sie neugierig.
,,Das geht dich gar nichts an", behauptete Jonathan schmunzelnd.

Das Mädchen hüpfte auf und ab und die beiden Zöpfe hüpften mit.
,,Wenn du es mir nicht sagst, dann sag ich Mama, wenn sie heimkommt, dass du draußen warst, obwohl du nicht sollst."

Das kleine Mädchen beugte sich zu mir vor und flüsterte:
,,Weißt du, mein Bruder hatte einen Unfall wegen so einer blöden Kuh, die ihm nicht mal dankbar ist. Deswegen ist er jetzt behindert."
Sie drehte einen ihrer Zöpfe in den Händen.

,,Ich meine, er war vorher ja schon nicht ganz richtig im Kopf.
Aber jetzt ist er so richtig behindert mit Rollstuhl und so." Nun flüsterte sie wieder. ,,Mama regt sich immer über dieses Mädchen auf, für dass er das gemacht hat."

Ich spürte, wie ich rot wurde.
,,Also ähm..."
,,Wie heißt sie jetzt?", wollte das kleine Mädchen von Jonathan wissen.
Sie hatte beide Hände in die Hüften gestemmt.

,,Das geht dich immer noch nichts an."
Das kleine Mädchen lief zum Schrank im Flur, auf dem das Telefon lag.
Sie wählte eine Nummer und hielt es ans Ohr.

,,Hallo Mami."
Jonathan lief eine Schweißperle die Stirn hinab.
,,Pami, leg das Telefon weg!", rief er.
,,Jonathan hat heute..."
,,Sei still! Ich sags dir ja, ich sags dir! War doch alles nicht ernst gemeint!"

Aus dem Telefon konnte man die Stimme der Mutter hören.
,,Ja Schatz? Was hat Jonathan? Er ist doch nicht etwa zu viel rumgelaufen!?"
Jonathan warf Pami einen warnenden Blick zu.

Pami grinste. Sie schüttelte den Kopf.
,,Nein nein, Mami. Er hat nur für uns diesen tollen Kuchen gebacken, deswegen solltest du schnell heimkommen!"

,,In Ordnung, ich mache mich in einer Stunde auf den Weg. Papa kommt dann auch bald. Bis nachher, Liebling."

,,Bis nachher, Mami!"

Pami legte auf und kam wieder zur Tür gelaufen.
,,Also Bruderherz?"

Jonathan verdrehte die Augen.
,,Das ist Liz."
,,Elizabeth."

Pami grinste wieder und man sah eine Zahnlücke in der oberen Zahnreihe.
,,Hi Liz. Ich bin Pami."

,,Hallo Pami", murmelte ich. Das mit dem Liz hatte sie gleich wie Jonathan übernommen. Vermutlich war es sinnlos zu versuchen, ihr das abzugewöhnen.

,,Super und wegen dir muss ich jetzt Kuchen backen", murrte Jonathan.
Pami drehte sich um und lief den Flur entlang.
,,Ojaa. Aber bitte meinen Lieblingskuchen!"

Jonathan warf mir einen bittenden Blick zu.
,,Willst du noch mit reinkommen und mir beim Backen helfen?"

Ich schüttelte den Kopf und wollte gerade gehen, doch Pami kam zurückgelaufen, packte mich bei der Hand und zog mich mit sich.
,,Und ob Liz will!"

1053 Wörter

Fünf im KopfNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ