21. Später Besuch

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Jonathan blieb hinter mir zurück.
,,Ich vermisse dich, Liz", sagte er leise.
Ich blieb stehen und schüttelte den Kopf. Auf diese Masche würde ich nicht reinfallen.
,,Pami hat schon danach gefragt, wann du wiederkommst."

Ich schluckte. ,,Gar nicht."
Mit schnellen Schritten lief ich den Flur hinunter und kam gerade noch rechtzeitig zum Unterricht ins Klassenzimmer.
Herr Karlsen nahm keine Notiz davon, da er gerade mit Frederik schimpfte, der mit Kreide nach Leni geworfen hatte, als sie an der Tafel stand, um sie sauber zu machen.

Still setzte ich mich neben Kalle.
,,Wo warst du?", wollte er sofort wissen.
,,Das geht dich gar nichts an", antwortete ich kühl.
Kalle zog die Brauen hoch. ,,Doch nicht etwa bei diesem Jonathan?"
,,Warum sollte ich."

Mit kalten Gesichtsausdruck zog ich meinen Ordner aus dem Schulranzen und ignorierte Kalle.
Dieser lies mich dann auch in Ruhe. Zumindest was weitere Fragen anbelangte. Eine angenehme Eigenschaft, die er besaß.
Anders als Jonathan.

Als die Schule vorbei war, wartete er wieder auf mich.
Mit einer seiner Krücken hätte er mir fast ein Bein gestellt.
,,Was ist?", fragte ich genervt.
,,Bitte Liz, glaub mir, ich..."
,,Ich heiße nicht Liz."
Mit diesen Worten wandte ich mich ab und ging nach Hause.

Die nächsten Tage machte Jonathan noch so weiter, aber irgendwann schien er aufzugeben.
Zumindest wartete er nicht mehr irgendwo auf mich.
Das war auch gut so.

In der nächsten Arbeit war ich wieder Klassenbeste. Zwar zusammen mit Katrin, die wohl nicht zu überbieten war, aber immerhin.

Bis zum Spiel war es noch ein Monat, wie uns allen bei jedem Training von Dean und Cora klargemacht wurde.
Ich hatte versucht, aus dem Team auszutreten, aber das hatte Cora geschickt zu verhindern gewusst und ich fragte mich, ob auch sie von dem Plan gegen mich gewusst hatte.

Was an dem Spieltag gegen Kalle passieren würde, interessierte mich nicht mehr. Sollten die anderen doch machen was sie wollten. Ob sie dabei erfolgreich waren oder nicht, interessierte mich nicht.
Zumindest dachte ich das.

,,Micky! Spiel zu Nada ab!"
Adrian spielte den Puck zu mir und ich beförderte ihn an Iv vorbei ins Tor.
Jeremy fluchte laut.
,,Keine Schimpfwörter, Ready", ermahnte ihn Dean.

Jeremy murmelte etwas Unhöfliches vor sich hin.
Iv passte den Puck zu ihm, Jeremy passte zu Cora und die bekam ihn von Nana abgejagt, die danach fast mit Jeremy zusammenstieß, der sie anfunkelte, aber in Ruhe ließ, nachdem sie zu Micky gepasst hatte.

Juls verhinderte ein Tor von Nada, der gefährlich nah dran gewesen war, den Punktestand auszugleichen.
Ich glitt hinter Set vorbei und Bo spielte mir den Puck zu.

So traurig war ich gar nicht, dass Cora mich nicht hatte gehen lassen. Eishockey spielen machte den Kopf frei.

Dean lobte uns am Ende tatsächlich alle, da Jeremy doch noch ein Unentschieden erreicht hatte.
,,Wenn wir so weiterspielen, schlagen wir das Team nächste Woche locker und dann steht dem großen Spiel nichts mehr im Weg."

Und ob dem etwas im Weg stand. Allerdings nichts, was mit Eishockey zu tun hatte. Aber das war nun nicht mehr meine Angelegenheit.

Dean entließ uns mit einem seiner seltenen Lächeln.
,,Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen."

Das war mir egal. Sportlicher Ergeiz war nichts, was ich besaß.

Die folgende Schulwoche schrieben wor nur eine Arbeit. Meine Mutter sah ich trotzdem wie immer kaum.

Sie arbeitete und arbeitete. Ich hatte das Gefühl, selbst wenn ich im Krankenhaus liegen würde, würde sie auf der Arbeit bleiben.

Ich lag auf meinem Bett und starrte an die Decke.
Mein Handy piepte. Ich hielt es hoch und sah auf den Bildschirm.

,,Sorry Schatz, kann heute wieder später werden. Essen steht auf dem Herd. Kuss, Mama."

Ich tippte ein ,,Ok" und ließ das Handy sinken. Meine Hand fiel kraftlos neben mir auf die Bettdecke.

Ich schloss die Augen und es fühlte sich einfach leer an. Da war nichts. Da war niemand. Niemand, der sich um das Nichts kümmern wollte. Niemand bis auf...

,,Aua", ertönte es draußen vor dem Fenster.
Erschrocken sprang ich auf und lief zum Fenster.
Doch da war niemand zu sehen. In diesem Moment klingelte es an der Tür.

Ich fuhr mir durchs hochgesteckte Haar.
Wer konnte das sein? Für Post war es zu spät. Es wurde schon dunkel draußen.

Ich lief zur Tür und öffnete.
Erstaunt sah ich das kleine Mädchen mit den schulterlangen dunkelbraunen Haaren und blauen Augen an.
,,Hallo Liz", begrüßte sie mich.
Ich machte mir nicht die Mühe sie zu verbessern.
,,Hallo Pami. Was machst du hier?"

Pami streckte mir mit beiden Händen eine Plastikbox entgegen.
,,Kuchen vorbeibringen. Jonathan meinte, du könntest es vielleicht gebrauchen, aber vorbeibringen wollte er ihn nicht."
Das kleine Mädchen schob die Unterlippe vor.

,,Jetzt musste ich gehen und mir an euren blöden Rosen bin ich auch noch hängengeblieben!"
Ich wusste, dass Pami von den weißen Rosen am Hauseingang sprach. Der ganze Stolz meiner Mutter.
Das war also das ,,Aua" gewesen.

Mein Blick wanderte zu Pamis Beinen, die in einer kurzen Jeanshose steckten. Am rechten Knie, war eine offene Schürfwunde zu sehen.
,,Das waren die Rosen?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
Pami schüttelte den Kopf.

,,Nein, das war der Schotterweg an der Eckstraße. Das waren die Rosen."
Sie hob den Arm und entblößte ein paar Kratzer am Ellenbogen.

,,Du weißt schon, dass der Schotterweg ein Privatweg ist?"
Pami zuckte die Schultern.
,,Da gehts schneller."

Ich wollte erst den Kopf schütteln, aber dann nickte ich.
Sie hatte recht.
Es ging sogar um einiges schneller.
In der Grundschule waren alle außer mir immer diesen Weg gegangen.

Etwas Blut von der Schürfwunde lief langsam Pamis Bein hinab, aber sie schien das nicht im Geringsten zu stören.
Trotzdem konnte ich sie irgendwie nicht wegschicken.

Ich trat einen Schritt beiseite.
,,Komm rein, ich mache kurz die Wunde sauber."
Pami hüpfte herein und verteilte dabei Dreck auf dem Boden. Wie es aussah, war sie mitten durchs Blumenbeet gelaufen.

Ich schloss die Tür hinter ihr und folgte Pami, die ohne Aufforderung ihre Sandalen ausgezogen hatte und vorgegangen war.

Die Plastikbox hatte sie mir in die Hand gedrückt. Ich öffnete sie. Auf dem Stück Kuchen lag ein kleiner Zettel.
In einer erstaunlich sauberen Handschrift
stand darauf:

,,Falls du allein bist und zufällig Hunger hast."









Fünf im KopfWhere stories live. Discover now