2. Hausaufgaben

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,,Hallo Liz!", begrüßte mich Jonathan, während er mich wie aus Versehen anrempelte. Seelenruhig blieb ich an meinem Platz sitzen und antwortete nicht.
,,Liz! Heyy, Lizzyliz!", machte er weiter.

,,Warum reagierst du nicht?", wollte er gespielt beleidigt wissen. ,,Weil das nicht mein Name ist", antwortete ich kühl. ,,In Ordnung, Elizabeeeth."

Er zog meinen Namen wie einen imaginären Kaugummi in die Länge. ,,Was willst du?" ,,Hast du die Deutschhaus..."
,,Nein", fiel ich ihm ins Wort. ,,Och bitte."
,,Vergiss es. Machs sie selber oder krieg einen Eintrag." ,,Aber das ist mein dritter Eintrag. Dann muss ich nachsitzen." Ich zuckte die Schultern.

Jonathan wollte noch etwas erwidern, doch die Tür ging auf und unser Deutschlehrer kam herein.
Widerspruchslos setzte er sich, warf mir aber noch einen verzweifelten Blick zu, den ich gekonnt ausblendete.

,,So, am besten fangen wir mit der Besprechung der Hausaufgaben an. Ihr werdet mit eurem Partner tauschen und eure Interpretationen des Textes gegenseitig kontrollieren."
Man hörte fast die Hälfte der Klasse leise aufatmen, darunter Jonathan.

Ich hob meine Hand. ,,Entschuldigung? Können sie vorher durch die Reihen gehen und schauen, ob jeder die Hausaufgabe hat?" Der Lehrer nickte. ,,Natürlich, danke für den Hinweis, Elizabeth."

Nacheinander schlugen alle ihre Hefte auf. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass Moni nur eine Seite geschrieben hatte und schüttelte missbilligend den Kopf, ohne dass sie es bemerkte. Der Lehrer lobte meine vier Seiten mit einem Nicken und blieb bei Robin stehen.

Lange sah er auf das Blatt. ,,Robin, das sieht mir aber gewaltig nach Monis Schrift aus." Er hob das Heft hoch, während Robin rote Ohren bekam und versuchte, seinen Scham zu verstecken. Er hielt das Heft erst neben Monis Aufschrieb, dann hielt er es mir unter die Nase.

,,Das ist doch Monis Schrift, oder?" Ich nickte, als ich die geschwungenen Bögen auf dem sonst unordentlichen Blatt betrachtete. Moni war schon knallrot im Gesicht, als der Lehrer sich an sie wandte.

,,Liebe Moni, kannst du mir mal sagen, warum Robins Hausaufgaben so stark nach deinem Werk aussehen? Schreibt er plötzlich so wie du?" Moni wurde noch röter und ich sah, wir ihr die Tränen in die Augen stiegen. Der Lehrer bemerkte dies auch. ,,Nun gut, ihr beide kommt bitte nach dem Unterricht zu mir. Genau wie Jonathan, Florian und Nadine. Wir werden besprechen, wann ihr nachsitzen kommt."

Moni fing neben mir noch heftiger an zu schluchzen. Ich verdrehte die Augen und zog mein Heft weg, damit die Tränen nicht darauf tropften. ,,Beruhig dich. War doch klar, dass du erwischt wirst, bei der auffälligen Schrift."

Moni wandte ihr Gesicht von mir ab. Robin klopfte ihr reichlich ungeschickt von hinten auf den Rücken und reichte ihr unter einigen Verrenkungen ein Taschentuch.
,,Warum bist du so gemein, Elizabeth?", flüsterte er. ,,Ich an deiner Stelle würde jetzt meinen Mund halten. Oder reicht dir nachsitzen nicht?"

Robin schnaubte. ,,Mit dieser Art machst du dir echt keine Freunde." ,,Keine Sorge, die brauche ich auch nicht."
Robin schwieg, denn der Lehrer fixierte ihn schon wieder. Er murmelte eine Beleidigung, doch ich tat so, als würde ich ihn nicht hören. ,,Was?", fragte ich laut genug, dass die Aufmerksamkeit des Lehrers auf uns gelenkt wurde.

Und Robin machte den Fehler die Beleidigung zu wiederholen.
,,So Robin, langsam reicht es aber. Du bekommst von mir nachher gleich noch einen Elternbrief mit nach Hause." Robin klappte die Kinnlade herunter und er wollte protestieren und sich rechtfertigen, doch der Lehrer unterbrach ihn. ,,Ich will gar nicht wissen, warum du das gemacht hast."

Er biss die Zähne zusammen und schwieg eingeschnappt. Zufrieden zog ich mein Hausaufgabenheft aus dem Schulranzen, um die Hausaufgaben für die nächste Stunde zu notieren, die der Lehrer schon gegeben hatte.

Nach der Stunde war ich vor allen anderen am Biologieraum, da Moni, die mich normalerweise begleitete noch beim Lehrer bleiben musste. Ich holte meinen Ordner hervor und ging noch einmal alles durch. Ich hatte zwar die letzte Woche schon viel geübt, aber sicher war sicher. Das war immerhin die letzte Arbeit in diesem Halbjahr. In der nächsten Woche würden wir die Halbjahresinformationen bekommen. Dabei wusste ich fast alle Noten sowieso schon.

Moni kam außer Atem zum Raum gelaufen. ,,Warum hast du nicht auf mich gewartet?" ,,Ich muss noch Biologie lernen", sagte ich ohne aufzusehen. Moni setzte sich wortlos neben mich. ,,Warum bin ich eigentlich mit dir befreundet?", fragte sie mit einem bitteren Unterton. ,,Wer hat je behauptet, dass wir befreundet sind?" Moni schwieg.

Robin kam und setzte sich neben Jonathan, der ebenfalls gerade erst gekommen war. Er hatte eine finstere Miene aufgesetzt. In seiner Hand hielt er einen zerknüllten Zettel.

Biologie lief gut. Wie erwartet. Mitten in der Klassenarbeit stand allerdings Moni auf. ,,Mir ist schlecht. Darf ich bitte raus?" Die Lehrerin nickte. Die Klassenarbeit sammelte sie ein. Moni schien schon fertig zu sein. ,,Kann vielleicht irgendjemand mit ihr mitgehen, nicht dass sie uns auf dem Weg nach draußen umkippt." Niemand meldete sich. Ich schnaubte. Als ob Moni in dieser Klasse Freunde hätte. Und als ob irgendjemand wegen ihr die Klassenarbeit in den Sand setzen würde.

Plötzlich hörte ich ein Stuhlrücken. ,,Ich bin schon fertig, ich gehe mit." Ich blickte auf. Jonathan war aufgestanden. Er strich seine Jacke glatt, kam zu Monis Platz, nahm eine Flasche aus Monis Ranzen und wandte sich zum Gehen. In der Bewegung zischte er mir eine Beleidigung zu, die ich nicht verstand.
Dann verließen beide den Raum.

In Psychologie war Moni nicht mehr da. Ich war froh, so hatte ich meine Ruhe. Psychologie mochte ich sowieso nicht, da es eines der wenigen Fächer war, in denen ich nicht Klassenbeste war. Wer es sonst war, wusste ich allerdings nicht.

,,Monicia Wähle ist gegangen?", fragte Frau Ginger in die Runde. Jonathan nickte. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Moni eigentlich Monicia hieß und nahm mir vor, sie ab jetzt so zu nennen. Mir waren die ursprünglichen Versionen von Namen lieber.

,,Heute haben wir ein spezielles Thema, da sich mehrere Zettel dazu in der anonymen Box fanden. Wer von euch kann mir denn sagen was Freundschaft ist?" Tss. Das war nicht mein Thema, aber was sollte es. Meine mündliche Note in diesem Fach musste sich unbedingt verbessern.

,,Ja, Elizabeth?" ,,Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet. "

1000 Wörter

Fünf im KopfWhere stories live. Discover now