4. Nachsitzen mit Folgen

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Eine Zornesfalte bildete sich auf Jonathans Gesicht. Seine Augen funkelten wütend und sein Atem streifte mein Gesicht. ,,Warum tust du das dann!?"

Kühl lehnte ich mich ein bisschen nach hinten um Abstand zu gewinnen. ,,Tu nicht so, als hättest du mich je anders gekannt. Monicia hat gewusst, auf was sie sich einlässt, wenn sie neben mir sitzt. Ich erwarte nichts von ihr und sie sollte nichts von mir erwarten. "

Robin schaltete sich ein. ,,Du musst ja vor irgendwas Angst haben. Sonst würdest du Moni nicht so rücksichtslos verletzen. Und sonst hättest du vielleicht auch irgendwelche Freunde. Irgendwas ist doch falsch mit dir!"

Mein Blick fixierte ihn und ich lächelte kalt. ,,Mit mir ist nichts falsch. Ich verlasse mich bloß nicht auf andere Menschen. Außerdem war Monicia bloß schlecht. Sie hat wahrscheinlich etwas Falsches gegessen", sagte ich schulterzuckend.

Robin ballte seine Hand zur Faust und sah aus, als würde er mich schlagen wollen. ,,Das würde ich an deiner Stelle nicht tun. Die Lehrer werden dir im Gegensatz zu mir nicht glauben."

Robin ließ die Hand sinken. Ich lächelte zufrieden. ,,Ihr könnt die schlechte Freunde Theorie nicht auf mich und Monicia anwenden."

Jonathan und Robin sahen mich an. ,,Warum?"

,,Weil ich nicht Monicias Freundin bin und nie sein werde."

Nun wollte Robin mir wie es aussah endgültig eine reinhauen. Meine Güte, wie konnte man die Wahrheit so schlecht vertragen? Ich tauchte unter seiner Hand durch und lief an den beiden Jungen vorbei zum Ausgang der Schule. Sonst würde ich noch den Bus verpassen.

,,Ich wünsche euch und Monicia übrigens morgen viel Spaß beim Nachsitzen", rief ich ihnen über die Schulter zu. Ich gebe zu, dass das etwas zu viel war, aber nach dieser Konfrontation konnte ich es kaum unterdrücken.

Am nächsten Morgen kam der Bus zu früh. Ich schaffte ihn natürlich trotzdem, aber Monicia verpasste ihn. Umso besser. Ich hatte sowieso keine Lust mich mit ihr zu unterhalten.

Noch niemand außer mir war im Klassenzimmer, doch das war mir recht. So hatte ich Ruhe meinem Hobby nachzugehen. Ich lernte.

Gleich hatten wir Mathe. Mathe war mein bestes Fach, deshalb musste ich dort eigentlich nicht viel lernen, doch ich bereitete mich schon mal auf das nächste Jahr vor, da mir die jetzigen Themen zu einfach waren.

Das Licht ging aus. ,,Was soll das?", fragte ich und drehte meinen Kopf Richtung Tür. ,,Zu hell zum Schlafen", murmelte Jonathan, der gerade hereingekommen war und sich auf seinen Platz fallen ließ. ,,Das ist mir doch egal, ich möchte lernen."

Ich stand auf und ging das Licht wieder anmachen. Doch Jonathan sagte nichts dazu. Er hatte schon den Kopf auf den Händen abgelegt und die Augen geschlossen. ,,Im Gegensatz zu dir lerne ich eben", sagte ich. ,,Das wird auch der Grund sein, warum ich schlauer bin als du."

Ich dachte erst, Jonathan hätte mir nicht zugehört, doch dann öffnete er seine blauen Augen einen Spalt und sah mich verständnislos an. ,,Wenn schlau sein heißt, so wie du zu sein, dann bleibe ich lieber dumm." Dann drehte er sich um und schlief weiter.

Ich verdrehte die Augen und wandte mich wieder meinem Buch zu. Der war vielleicht kurzsichtig. Als ob es auf so etwas ankam.

Der Unterricht verging schnell. Das war auch gut, denn ich musste noch für nächste Woche ein englisches Gedicht auswendig lernen. Alle anderen würden es natürlich erst am Tag davor lernen, doch Vorsorge war besser als Nachsorge.

Doch kurz nach Unterrichtsende griff mich meine Mathelehrerin ab. ,,Elizabeth, ich bräuchte Hilfe beim Sortieren der Bücher, würdest du vielleicht..." Ich nickte nachsichtig. Vielleicht würde das meine Mathenote noch besser machen.

,,Du verstehst dich wohl nicht besonders gut mit den anderen aus der Klasse oder?", fragte meine Lehrerin, während sie die Bücher mit dem gelben Einband auf den Tisch stapelte. Ich zuckte die Schultern und legte ein blaues Biologiebuch auf den richtigen Stapel.

,,Die mögen mich eher nicht. Ihnen gefällt meine Denkweise nicht. Aber das macht mir nichts." Darauf antwortete meine Lehrerin nicht. Ich nahm an, sie war beschäftigt gewesen.

Allerdings fiel mir als wir endlich fertig waren auf, dass ich nun ebenfalls eine Stunde länger geblieben war. Jetzt musste ich doch mit den Leuten, die nachgesessen hatten, im Bus fahren.

Ich traf Robin und Monicia mit Jonathan auf der Treppe. Monicia grüßte halbwegs freundlich, doch die Jungen ignorierten mich. Nur hin und wieder spürte ich Jonathans Augen auf mir lasten. Still liefen wir neben einander die Treppe hinauf und ich hörte die beiden Jungen leise flüstern. Ich verdrehte die Augen. Das war vielleicht kindisch. Bis vor ein paar Tagen hatten sie sich noch absolut normal mir gegenüber verhalten. Und nun von einem Tag auf den anderen... Als ob ich irgendendetwas Schlimmes getan hätte. Als ob ich je jemand anderes gewesen wäre.

Wenn man die Wahrheit nicht verkraftete, war man doch selbst schuld.

Aus dem Augenwinkel sah ich Monicia, die sich nun mit Robin unterhielt. Die zwei verstanden sich anscheinend gut. Das war ja klar. Warum sollte sie sonst so etwas tun, wie seine Hausaufgaben für ihn abzuschreiben. Sah so aus, als wäre sie Hals über Kopf in ihn verliebt.

Ich hätte mich schütteln können. Liebe war noch so etwas, was Menschen einfach nur vom Leben und von der Karriere abhielt. Es lenkte ab und war zu nichts nütze. Wir traten aus dem Schulhaus und die kalte Luft schlug mir entgegen. Ich schlang den Schal noch einmal um meinen Hals. Ich hatte ihn natürlich mitgenommen. Es war klar gewesen, dass es heute kalt werden würde.

Draußen lag matschiger Schnee auf der Straße und von den Regenrinnen tropfte es auf den Gehweg, wo sich Pfützen bildeten. Die Bäume schienen kahl und trostlos durch die kalte Winterluft.

Ich lief als Erste die Treppen zum Bahnhof hoch. Was die anderen sich in ihrem kindischen Eifer für Dinge über mich erzählten, wollte ich nicht wissen.

Ich lief über die Ampel. Hier am Bahnhof gab es zwei Straßen, die man überqueren musste. Eine für die Autos und auf der zweiten fuhren nur Busse.

Die zweite Ampel blinkte gelb. Das hieß sie war kaputt. Um nichts konnte diese Stadt sich kümmern. Ich schaute links und rechts, dann überquerte ich die Straße.

Ich hatte die Straße beinahe überquert, da vernahm ich ein Bremsenquietschen neben mir.
Etwas riss mich von den Füßen und ich landete im Schneematsch am Rande der Straße.

1000 Wörter

Fünf im KopfWhere stories live. Discover now