17. Versteckte Kamera

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Pami sah mich erstaunt an und ihr Kopf rutschte von ihrer Hand, wo sie ihn abgestützt hatte.
,,Du? Dann bist du dieses undankbare Mädchen?"

Ich wurde rot. ,,Ja."
Pami riss die Augen auf. ,,Und du bist ihm wirklich kein bisschen dankbar?"

,,Nein, warum sollte ich es sein?", wollte ich sagen, doch ich sah in Pamis große blaue Augen und konnte es nicht.
,,Doch. Anfangs war ich es vielleicht nicht so sehr, aber jetzt auf jeden Fall."

Pami lächelte. ,,Das ist gut! Du bist nämlich freundlich. Du hast uns ja beim Kuchen backen geholfen!"
Sie kam zu mir und schlang ihre Hände um meine Taille, um mich so zu umarmen.

Erstaunt blickte ich zu ihr hinab. Noch nie hatte jemand zu mir gesagt, dass ich freundlich wäre.
Nur immer, dass ich gemein und unfair sei. Nun gut. Vielleicht war ich das ja auch.

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss der Tür.
,,Ich bin zu Hause", rief eine weibliche Stimme aus dem Flur.

Mit schnellen, fröhlichen Schritten kam Jonathans und Pamis Mutter in die Küche.

Sie blieb erstaunt stehen. Ich erinnerte mich daran, wie ich mit dem Turban auf dem Kopf aussehen musste und wickelte ihn schnell ab. Meine Haare waren nur noch ein wenig feucht.

,,Oh hallo", begrüßte Jonathans Mutter mich. ,,Wer bist du denn?"
Ich stand vol Stuhl auf, weil es mir unhöflich erschien.

,,Ich bin..." ,,Liz", unterbrach Pami mich."
,,Hallo Liz, schön dich kennenzulernen. Bist du eine Freundin von Jonathan?"
Ich zögerte. ,,Ich also..." ,,Ja!", rief Pami. ,,Und sie hat beim Kuchen backen geholfen!"

,,Das ist aber nett von dir. Jonathan scheint ein wenig fertig zu sein, da ist es gut, wenn du ihm ein wenig hilfst."
Sie sah zu ihrem schlafenden Sohn.
,,Seit diesem schrecklichen Unfall ist er oft betrübt, dass er keinen Sport mehr machen kann. Jonathan liebt Sport, aber das weißt du ja sicher."

Ich nickte. Zumindest vom Eishockey wusste ich.

,,Möchtest du nicht noch zum Kuchen bleiben, Liz? Immerhin hast du ja geholfen."

Eigentlich hatte ich ihn großteils alleine gemacht, weil Jonathan das Bein wehtat und Pami um mich herumhüpfte wie ein Flummi, aber ich sagte nichts.

Ich lehnte ab. ,,Nein danke, ich muss leider langsam nach Hause", sagte ich.
Meine Mutter würde auch bald heimkommen.

,,Das ist schade. Aber du kannst gerne ein andermal wiederkommen, Jonathan liebt die Gesellschaft von anderen Menschen. Vor allem jetzt kann er jede Unterstützung gebrauchen."

,,Gerne. Auf Wiedersehen und guten Appetit."

Draußen regnete es mittlerweile nicht mehr. Es tropfte nur noch vereinzelt von den Hausdächern und Bäumen, deshalb ließ ich den Regenschirm zugespannt.

Meine Mutter war noch nicht da, als ich zuhause ankam.
Das gab mir Zeit über das Treffen heute nachzudenken.
Moni und Robin waren heute auch dagewesen.

Moni hatte Blickkontakt vermieden, während Robin mich mit Killerblick angestarrt hatte.

Wir hatten nur wenige Aufnahmen gehabt. Frederik und Leon hatten eine, in der Kalle ein Mädchen anhielt zu lernen. Das war aber nicht besonders aussagekräftig.

Es gab zwar täglich irgendwelche Situationen, aber meistens bekam man es zu spät mit oder hatte kein Handy zur Hand.
Oder man konnte nicht ungesehen filmen.

Ich wollte eigentlich weiter über den Plan nachdenken, doch meine Gedanken schweiften ab.
Pami hatte mich freundlich genannt. Aber warum schockte mich das so?
Wollte ich so sehr unfreundlich sein? Wieso war ich es überhaupt immer?
Hatten Robin und Jonathan damals damit recht gehabt, dass ich Angst hatte Bindungen einzugehen?

Ich schüttelte den Kopf. Warum interessierte mich das überhaupt?
Ich ging auf mein Zimmer und machte die nächsten beiden Buchseiten. Ich war der Klasse schon wieder voraus, aber irgendwie fand ich es dieses Mal langweilig und war kaum stolz darauf.

Als ich umblätterte, um mir die nächste Aufgabe anzusehen, kam mir ein Geistesblitz. Warum war ich bis jetzt noch nicht darauf gekommen?

,,Hol dein Handy raus", wies ich Leni am nächsten Morgen in der ersten Pause im Klassenzimmer an.
Sie sah verwirrt aus, nickte aber.
,,Offene Haare stehen dir", meinte sie mit einem Blick auf meine Frisur.
,,Danke."

Das gehörte zu meinem Plan. Von dem niemand wusste außer mir.

Ich setzte mich an meinen alten Platz und holte meine Haarbürste heraus, die ich sonst nie dabei hatte. Das war was für Tussis. Oder für Leute, deren Frisur nicht hielt.

Mit der Bürste fuhr ich mir durchs helle braune Haar. Dabei summte ich vor mich hin und begann mir einen Zopf zu flechten, wie irgendeine normale Schülerin.
Aber ich wusste, dass diese Verweigerung des Lernens Kalle zur Weißglut bringen würde. Vor allem, weil ich an meinem alten Platz saß und nicht neben ihm.

Und tatsächlich schien mein Plan aufzugehen.
Kalle kam herein und sah sich um. Als er mich erblickte, verengten sich seine Augen.
Leni hatte endlich begriffen und tippte hektisch auf ihrem Handy herum, um die Aufnahme zu starten, denn wenn Kalle zu mir kam, stand er mit dem Rücken zu ihr und würde nicht sehen, wie sie filmte. Und die anderen seiner Freunde waren, genau wie ich es mir erhofft hatte, noch nicht angekommen.

Kalle machte ein paar Schritte auf mich zu und ließ seine Hand auf den Tisch krachen.
,,Was glaubst du, was du hier machst?", wollte er kühl wissen.
,,Ich frisiere mir die Haare, weil sie furchtbar aussahen. Was dagegen?", fragte ich ruhig.

Kalle war einen Moment überrascht von meinem Widerstand, doch dann verhärtete sich sein Gesicht wieder.

,,Die Pausen sind zum Lernen bestimmt und nicht um etwas anderes zu tuen, egal was es sei. Also pack die Bürste weg und lern", knurrte er und sah arrogant zu mir nach unten.

Aber ich ließ mich nicht einschüchtern. Stattdessen stand ich auf. Ich weiß nicht, woher ich den Mut nahm, obwohl ich alles gestern noch zig-mal durchgegangen war.
Das musste funktionieren.

Ich stellte mich auf das Stuhlbein unter mir und da Kalle sich ein wenig nach vorne gebeugt hatte, waren wir nun auf Augenhöhe.

,,Ich kann mir die Haare kämmen, wann und wo ich möchte. Ich bin ein freier Mensch."
Ich grinste frech und hoffte, dass Kalle mir meine Angst nicht anmerkte.

,,Was gibt dir das Recht so mit mir zu reden!?", rief Kalle aufgebracht.

Ich blieb lässig und sah ihm in die Augen.
,,Nur weil Herr Karlsen dein Vater ist, heißt das nicht, dass du hier alles darfst. Ich gebe mir selbst das Recht so zu reden. Und das sollten alle anderen hier auch tuen!"

Kalle starrte mich wütend an und auf einmal ich fühlte, wie seine Hand meinen Kopf hart zur Seite schlug.

1055 Wörter

Fünf im KopfWhere stories live. Discover now