25. Das Zwischenspiel

16 1 1
                                    


,,Du musst nicht nervös sein, Elizabeth."
Deans Stimme war ruhig und beherrscht wie immer, trotzdem zuckte ich zusammen.

Wir waren die ersten beiden, die da waren.
Das Spiel begann erst in einer Stunde, aber die Aufbauarbeiten waren schon lange im Gange.

Auch aus der 11a waren schon viele da.
Wie immer gab es einen Kuchenstand von ihnen.
Ob Leni wirklich einen Kuchen gebacken hatte, um die Leute zu vergraulen, wusste ich nicht.

,,Wann wollen sie es durchziehen?"
Dean wusste sofort, was ich meinte.
,,In der zweiten Pause, wenn die Spannung am größten ist."

Er trat einen Schritt auf mich zu und legte mir die Hand auf den Arm.
,,Selbst wenn es schiefgeht, es gibt immernoch weitere Chancen."

Ich versuchte gar nicht erst zu sagen, dass mir das egal war, denn das war es nicht.
,,Was wenn sie von der Schule verwiesen werden, so wie die zwei anderen Schüler damals?"

Deans Miene verdunkelte sich, als würde er darüber noch etwas wissen, was ich nicht wusste.
,,Das werde ich zu verhindern wissen", meinte er ruhig, aber in seiner Stimme lag etwas, dass mich zum erstem Mal vermuten ließ, dass der hellblonde Junge neben mir mehr Einfluss hatte, als ich bis jetzt geglaubt hatte.

Cora traf keuchend ein.
,,Sorry Capdean, ich hab den Bus verpasst."
Sie stützte sich auf die Knie und atmete tief durch.

,,Wenigstens bist du jetzt da. Bevor die anderen kommen, können wir nochmal alles durchsprechen."

Zwanzig Minuten später waren endlich alle da.
Vierzig Minuten später waren wir alle umgezogen.
Fünf Minuten vor Spielbeginn standen wir  am Rand des Spielfelds und warteten auf das Startsignal, genau wie die anderen.
Die ersten fünf Spieler heute waren ich, Cora, Nana, Bo, Mickey und Juls im Tor.

Nach der ersten Pause in zwanzig Minuten würden Dean, Nada, Set, Justamoment und Iv uns auswechseln und die dritte Spielzeit würden wieder wir spielen.
Das mussten wir vorher auslosen, weil es sonst Streit gegeben hätte.

In der ersten Reihe saß Jonathan als Maskottchen, gelehnt auf einen Eishockeyschläger.
Er sah mindestens genauso angespannt aus, wie ich mich fühlte.
Die Bänke waren voll bis zum letzten Platz.

Ich fragte mich, wie Dean das bei einem Zwischenspiel hinbekommen hatte.
Sogar der Direktor war da und sah auf die große Leinwand, auf der gleich die Live-Aufnahme laufen würde.

Eigentlich war die Halle dafür zu klein, aber unser Schuldirektor wurde fast mit jedem Schuljahr kurzsichtiger.

Meine Mutter hatte nicht kommen können, aber Jonathans Mutter saß mit Pami neben sich in einer der oberen Reihen.
Am Kuchenstand stand momentan nur noch Tyler, der sich aber eher selbst bediente als zu verkaufen.

Vermutlich, weil er mit seinem ,,Jo Brudi, was geht?" nicht besonders weit gekommen war.

Dean nickte mir aus der ersten Reihe zu.
Ich schloss die Augen. Das war zwar mein erstes Spiel, aber nicht der Grund, warum ich nervös war.
Ich fühlte mich beobachtet.
Kalle saß auch unter den Zuschauern.
Obwohl ich nicht wusste wo, lastete sein Blick auf mir, wie eine schwere Last.

Das Spiel begann mit dem Bully.
Nana war schneller als der Junge vom anderen Team, was auch der Grund war, warum wir sie vorgelassen hatten.
Nana war beim Eishockey kein bisschen schüchtern mehr.
Sie umspielte die anderen Spieler geschickt, bis einer ihr den Puck abnahm.
Sie bekam ihn jedoch sofort von Cora zurückgepasst und erzielte so unser erstes Tor.

Die andere Mannschaft verzog das Gesicht, während wir uns freuten.

Das nächste Tor kam allerdings von ihnen und am Ende des ersten Drittels stand es 1:1.
Sie waren nicht so schlecht, wie es anfangs ausgesehen hatte.

Das zweite Drittel war weitaus schlimmer für mich. Nicht weil unsere Mannschaft so schlecht war - ganz im Gegenteil, Dean erzielte zwei Tore, sondern weil ich nichts hatte um mich davon abzulenken, was gleich passieren würde.

Kurz vor Beginn der Pause sah ich Moni mit ihrem Laptop unterm Arm und in Begleitung von Robin, Leni, Frederik, Leon und Lotta in Richtung Technik verschwinden.
Jonathan blieb, weil er auf Krücken zu langsam war, aber er sah aus, als wäre er am liebsten hinter ihnen hergerannt.

Auch Katrin war nicht mitgekommen. Sie lenkte Tyler ab, der immernoch am Kuchenstand herumstand.
Der hätte sie am liebsten geküsst, als sie ihm eine Box mit selbstgebackenen Keksen hinhielt, aber Katrin wich seiner Umarmung geschickt aus, während in diesem Moment die anderen hinter ihr vorbeischlichen.

Ich schluckte. Wenn nur alles gut ging. Dean meinte zwar, er könnte dafür sorgen, dass sie nicht von der Schule flogen, aber wie viel Einfluss konnte er schon auf den Rektor haben?

Meine Hände umklammerten schwitzig den Saum meines türkisenen Trikots. Nur wenige Meter entfernt von mir saß Jonathan und ich konnte seine Anspannung deutlich spüren.

Die Pause begann. Fünfzehn Minuten. Vierzehn. Zwölf.
Als es nur noch zehn Minuten waren, ertönte ein Quietschen.
Dann ein leises Klopfen.

Und dann war Frederiks Stimme über den Lautsprecher der Halle zu hören.
Ich atmete zittrig ein und aus.

,,Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrer, liebe Eltern, lieber Direktor", fing er an.

Die ganze Halle suchte nach jemandem, dem sie diese Worte zuordnen konnte, aber da war niemand. Kein Wunder. Frederik und die anderen waren ja auch im Nebenraum.

,,Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie heute zu diesem Hockeyspiel unserer Schule erschienen sind."

Bis jetzt klang alles ganz normal.
Frederik schien kein bisschen nervös zu sein. Aber ich wusste, dass er gut im Überspielen war.

,,Dieses Hockeyspiel ist, obwohl es nur ein Zwischenspiel ist, ein sehr wichtiges Spiel. Und zwar nicht nur für die Schule und die Mannschaft, sondern auch für unsere Klasse, die 11a."

Er machte eine kurze Pause.
Ich fragte mich langsam, warum nicht spätestens jetzt einer von Kalles Leuten zur Technik rannte, um Frederik zu unterbrechen, aber alle lauschten nur wie gebannt.

,,Wir, die 11a, sind eine Klasse mit ganz besonderem Ruf. Wir gelten als leistungsstark, lernfähig und still. Diesen Ruf verdanken wir vor allem einer Person: Kalle Karlsen.
Ebenso seinen Freunden Tyler, Jeremy, Crimson, Adrian und Hannes."

Hannes, der eine Reihe hinter mir saß, schloss die Augen, als wäre ihm übel.

,,Aber wir möchten Kalle heute keineswegs danken."
Frederiks Stimme wurde bitter.
,,Er unterdrückt eine ganze Klasse nur zu dem Preis, dass er den Platz als Machthabender hat und uns kommandieren kann. Wer sich nicht ans Lernen und seine Regeln hält, wird verhauen."

Wieder machte er eine Pause. Unruhe entsstand in der Halle. Mittlerweile waren Lehrer auf dem Weg zur Technik. Ich spürte, wie mir eine Schweißperle über die Stirn rann.

,,Da wir schon einmal versucht haben, gegen ihn vorzugehen, dabei aber zwei unserer Freunde zu Unrecht der Schule verwiesen wurden, haben wir dieses Mal Beweise mitgebracht."

Die Leinwand flackerte auf.
Die Lehrer blieben stehen, um sich anzusehen, was nun geschah.
Moni musste gerade das Bild von ihrem Laptop auf die Leinwand übertragen. Soweit ich wusste, hatte sie alles Nötige auf einem USB-Stick.

Dann kam ein Bild.
Kalle.
Er redete mit Adrian. Beide lachten.
Kalle half Avery ihre Bücher aufzuheben, die heruntergefallen waren.
Er saß neben Jeremy und sie fragten sich Vokabeln ab.
Kalle, der uns anspornte, gut und viel zu lernen und motiviert zu sein.
Kalle.

Was war das denn?
War das ein Scherz? Wenn ja, war er ganz sicher nicht lustig.

In diesem Moment entdeckte ich Kalle in der Menge. Er saß neben Crimson, mit gutem Blick auf die Leinwand, auf seinem Gesicht das dreckigste Grinsen, dass ich je gesehen hatte.

Da verstand ich, dass er all das gewusst hatte.

Er hatte uns nach seinen Regeln spielen lassen.

Und wir hatten verloren.

Fünf im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt