10. Mister Kalle Karlsen

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Ich schubste Kalle nach hinten.
,,Was fällt dir ein!? Lass mich in Ruhe!"

Kalle ließ mich gehen.
,,Du bist jetzt in meiner Klasse", raunte er mir leise zu. ,,Da mache ich die Gesetze, das solltest du jetzt langsam merken. Und da du zu stolz bist, um zu deiner Klasse zurückzugehen, kannst du auch nichts dagegen tuen."

Ihn ignorierend lief ich an ihm vorbei zum Busbahnhof.
In meinem Kopf rasten die Gedanken.
Was wollte er von mir?

Zum Glück folgte er mir nicht. Der Bus kam schnell und zuhause machte ich mir Mittagessen. Meine Mutter war bei der Arbeit.

Ich stützte den Kopf auf die Hände. Gerne hätte ich ausnahmsweise mit jemandem über das Passierte geredet, obwohl es mich nicht so sehr beschäftigte, wie es vielleicht sollte. Wahrscheinlich war es nur als Warnung gedacht gewesen, als kleinen Vorgeschmack, wenn ich mich nicht vorbildlich verhielt. Aber das störte mich wenig, denn schließlich hatte ich kein Problem mit dem Lernen.

Trotzdem regte sich etwas wie Stolz in mir, der mich dazu entscheiden ließ, dass ich mit Herrn Karlsen reden würde.

Am nächsten Morgen trug ich keinen Rock, sondern hatte mich für eine einfache Jeans entschieden.

Noch vor Unterrichtsbeginn ging ich zu Herrn Karlsen und berichtete ihm, was geschehen war.

Er rief mich und Kalle für die große Pause zum Klassenzimmer, wo wir uns unterhielten.
Herr Karlsen sah Kalle sehr streng an.

,,Elizabeth hat mir erzählt, dass du sie gestern belästigt haben sollst, indem du sie unter ihrem Rock berührt hast. Stimmt das?"

Mein Blick wanderte zu Kalle, der neben mir stand. Er war fast einen Kopf größer als ich und überragte auch Herrn Karlsen um wenige Zentimeter.

Auf seinem Gesicht war die reinste Unschuldsmiene, die ich je gesehen hatte.

,,Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor", meinte er ruhig.
,,Der Reißverschluss ihres Rocks war offen und ich wollte ihr bloß helfen. Es tut mir leid, falls sie das falsch aufgefasst hat."

,,Du solltest Mädchen aber auch nicht den Rock ohne ihre Erlaubnis zumachen, Kalle, du siehst doch, wohin das führt."

Kalle nickte umsichtig. ,,In Ordnung, Herr Karlsen."

Ich wollte protestieren. ,,Aber ich habe doch..."

Doch Herr Karlsen unterbrach mich.
,,Ich verstehe schon, dass ihr euch nicht so gut versteht. Dabei würdet ihr euch wissentlich gut ergänzen."

Er schnippte mit dem Finger.
,,Ihr sitzt doch beide alleine. Ab heute sitzt ihr nebeneinander, das wird euch sicher guttun und euer Verständnis füreinander fördern."

Kalle nickte. ,,Vielleicht ist das keine schlechte Idee."
Ich schüttelte den Kopf.
,,Herr Karlsen, ich möchte nicht..."

Aber Herr Karlsen ließ mich wieder nicht ausreden.
,,Ich verstehe schon, aber ihr werdet euch sicher aneinander gewöhnen."

Ich seufzte. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Aber was sollte es, im Unterricht hatte ich ja nichts zu befürchten.
Dachte ich.

Einige der Mädchen aus der Klasse starrten mich wütend an, als ich nach der Pause einfach neben Kalle saß. Er saß in einer der hinteren Reihen. Nur Marianne betrachte mich mitleidig.

Ich rutschte unauffällig so weit weg von ihm wie möglich.
Es dauerte jedoch keine halbe Stunde, bis ich eine Hand auf meinem Oberschenkel fühlte.

Ich presste die Beine zusammen und versuchte ihn abzuschütteln, indem ich ihn in den Handrücken kniff.

,,Elizabeth, bitte stör nicht den Unterricht", ermahnte Herr Karlsen mich.

Fünf im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt