29. Wieder einmal Krankenhaus

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Zischend sog ich die Luft ein, als eine Krankenschwester meine Kopfwunde säuberte.
Ich wusste, was sie dachte.
Ich war eine von vielen aus einer Massenschlägerei. Unreife Jugendliche. Von den genauen Umständen hatte sie keine Ahnung und mir war es ebenfalls egal.

Immernoch drehte sich die Welt bei schnellen Bewegungen und das einzige, an dem meine Gedanken hingen, war Jonathan.
Lebte er noch?
Ich schloss die Augen.

Als wir hier angekommen waren, war Jonathan schon in den OP gefahren worden. Sein Arzt hatte mir einen kurzen Blick zugeworfen. Er hatte mich wiedererkannt.

,,Tut dir dein Handgelenk weh?", riss mich plötzlich eine Männerstimme aus meinen Gedanken.
Ich öffnete die Augen und das helle Krankenhauslicht brachte mir sofort wieder pochende Kopfschmerzen zurück.
Ich sah den Arzt vor mir verwirrt an.

Er nickte nach unten und deutete auf mein rechtes Handgelenk, das ich mit der anderen Hand umklammert hielt.
Ich schüttelte den Kopf.
,,Darf ich mal?"
Der Arzt griff nach meinem Arm.
Das Namenschild auf seinem weißen Mantel verschwamm vor meinen Augen.
Trugen Ärzte überhaupt Namensschilder?

Ein stechender Schmerz fuhr durch mein Handgelenk als der Doktor es bewegte.
Ich zuckte zusammen und sah auf mein Handgelenk.
Es war ein wenig angeschwollen und die Haut hatte sich blau bis lila verfärbt.
Warum war mir das bis jetzt nicht aufgefallen? Und warum tat es kaum weh? Auch mein Kopf tat kaum noch weh.

,,Das müssen wir röntgen, es kann gut sein, dass es gebrochen ist."
Als ich aufstand, taumelte ich und wäre wieder fast umgefallen.
Die Schwester stützte mich und zog einen Rollstuhl hinzu.

Auf dem Weg in die Radiologie sah ich Jonathans Mutter, die am Eingang des OP-Bereichs saß. Neben ich baumelte Pami mit den Beinen. Sie winkte mir zu.
Ich hob schwach die linke Hand.
Die rechte fühlte sich auf einmal so schwer an. Stumpfer Schmerz der von tiefer aus dem Knochen zu kommen schien, pochte in gleichmäßigen Abständen und machte mich schläfrig, obwohl mir gleichzeitig speiübel war.

,,Dein Handgelenk ist angebrochen", teilte mir der Arzt nach einer Zeit mit.
War das Röntgen schon vorbei?
War ich kurz weg gewesen?
Ich fühlte mich immernoch wie im Halbschlaf.

,,Sie steht sicher noch unter Schock."
Die Stimme der Krankenschwester drang kaum noch zu mir durch.
,,Wir behalten dich über Nacht hier, Elizabeth. Aber vorher müssen wir noch dein Handgelenk ruhig stellen.
Du bist noch nicht volljährig, daher müssen wir deine Eltern benachrichtigen."

Ich nickte schwach. Meine Mutter würde wohl einen Herzinfarkt bekommen.
,,Das mach ich schon selbst, danke."

Nachdem mein Handgelenk verbunden und geschient worden war, brachte mich auf mein Zimmer.
Eine Zimmernachbarin hatte ich nicht, aber das Zimmer war groß genug für zwei. Vielleicht würde ich noch eine bekommen.
Es war mir relativ egal.

Ich setzte mich aufs Bett und holte mit der linken Hand mein Handy aus der Tasche.
Das Display verschwamm vor meinen Augen und die Kopfschmerzen begannen erneut, aber nicht stark, da ich Schmerzmittel bekommen hatte.

Ich warf das Handy auf die Bettdecke und schloss die Augen. Meine Mutter konnte sowieso erst kommen, wenn sie Dienstschluss hatte. Ich musste sie ja nicht unnötig beunruhigen.

Ich würde sie einfach später anrufen.

Mein Blick wanderte wieder zum Display und gerade so konnte ich die Uhrzeit entziffern.
Es war fast 21.30 Uhr.
So spät war es mir gar nicht vorgekommen.

Aber mein Zeitgefühl schien sowieso angeknackst zu sein.
Ich starrte eine Weile an die weiße Wand.
Wie es Jonathan wohl ging? Zum ersten Mal versuchte ich nicht die Gedanken an ihn zu unterdrücken.
Ob er noch...

Ich schluckte und faltete nervös die Hände in meinem Schoß. Oder zumindest die eine Hand, die es mitmachte.
Was wenn er es nicht schaffte? Was wenn ich schuld daran war, dass er...
Nein, ich konnte es nicht aussprechen und ich wollte es auch nicht denken.

Es konnte nicht sein.

Mühsam richtete ich mich auf und tastete mich an der Wand entlang bis zur Tür. Das Licht machte ich hinter mir aus.
Mein Kopf drehte sich schon wieder, aber ich ignorierte es und öffnete die Tür.
Draußen aus dem Flur, war ich unschlüssig.
Aber schließlich setzte ich mich rechts neben Jonathans Mutter vor die Tür des OP-Bereichs.

Zwischen uns war immernoch ein Stuhl Platz, da ich ihr meine Gesellschaft nicht aufdrängen wollte.
Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen.
Mit meiner heilen Hand stützte ich mich am Rand des hellen Plastikstuhls ab.

Mein Blick war fest auf den Boden fixiert. Ich spürte, wie der Blick der Frau neben mir auf mir lastete.

Nach einer Weile stand Jonathans Mutter auf.
,,Ich gehe kurz auf die Toilette, Pami, kommst du bitte mit?"

Pami, die auf der anderen Seite ihrer Mutter saß, schüttelte den Kopf.
,,Ich kann doch bei Liz bleiben."

Jonathans Mutter schüttelte den Kopf. Pami blieb aber stur, bis ihre Mutter schließlich seufzend aufgab und alleine ging.
Aber sie ging verkrampft.

Ich senkte den Kopf. Dachte sie, ich würde Pami etwas antuen?

Sobald ihre Mutter weg war, rutschte Pami auf den Sitz neben mir.

,,Hey...", begrüßte ich sie schwach.

,,Hi."
Pami legte ihre kleinere Hand auf meine.
,,Mama hasst dich nicht. Sie denkt nur, dass du ein schlechter Einfluss bist."
Ich nickte.
,,Ist das nicht dasselbe?"

Pami schüttelte heftig den Kopf.
,,Außerdem hasse ich dich ja nicht."
,,Warum nicht? Ich bin doch Schuld daran, dass Jonathan schon wieder in Lebensgefahr schwebt."
Pami schüttelte den Kopf wieder.
,,So einfach ist das nicht."

Ihre verschrammten Beine, die vom Stuhl baumelten, und ihre Latzhose waren das glatte Gegenteil zur Krankenhausausstattung.
,,Wieso ist es nicht so einfach?", wollte ich wissen.

,,Na weil Joni dich doch lieb hat. Und du hast ihn auch lieb oder?"
Ich zuckte wieder zusammen und musste an den Kuss auf der Mauer denken.
Ich nickte. Ich wusste nicht, was ich gefühlt hatte und ich wusste nicht genau, was ich fühlen sollte. Das war nie wichtig gewesen und jetzt plötzlich stellte es mein Leben auf den Kopf.

,,Und wenn ihr dann heiratet und Kinder kriegt ist das doch eh egal."
Ich starrte Pami an.
,,Was?", fragte ich nach, aber Pami grinste nur und wippte auf dem Stuhl hin und her.

Ihre Mutter kam schnellen Schrittes zurück, warf einen Blick auf die Tür des OP-Bereichs und setzte sich wieder auf ihren Platz ohne etwas zu sagen.

In diesem Moment schwang die Tür auf und der Arzt, den ich schon kannte, kam erschöpft heraus.

Fünf im KopfWhere stories live. Discover now