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„Ich.. räume mal die Küche auf", murmele ich, als
wir zurück in Finns Haus kommen und eile an ihm vorbei. Während ich die Scherben auf dem Boden zusammenkehre, steht Finn unschlüssig neben der Tür und beobachtet mich. Vermutlich bereut er es schon, dass er mich doch wieder mitgenommen hat.

Andererseits, was bleibt ihm auch anderes übrig? Ich bin ganz eindeutig in der vorteilhafteren Position, was diesen Körpertausch betrifft.
„Sollen wir Pizza bestellen?", schlägt Finn vor und wühlt in einer der Schubladen, bis er einen Flyer zutage fördert.

„Können wir machen", entgegne ich und mache mich daran, das übrige Geschirr in der Spüle abzuwaschen.
„Caleb, du musst das nicht-"
„Doch, ich räume das jetzt weg", unterbreche ich ihn energisch. „Und ich hätte gern eine Pizza Hawaii, wenn es die gibt."
Finn sagt nichts und geht stattdessen ins Wohnzimmer, wo ich ihn telefonieren höre.

Nachdem ich das Geschirr abgetrocknet habe, fasse ich einen Entschluss. Ich werde mein Bestes geben, um Finn nicht zu enttäuschen und sein Leben so gut es mir möglich ist, weiterzuführen. Und wenn das Ganze hier wirklich eine längere Sache wird, wird er mit seinem Wissen ja ziemlich schnell wieder Lehrer sein und kann dann als Mr. Martínez unterrichten.

Wir könnten eine Art Wohngemeinschaft machen und vielleicht kann ich als Finn Campbell ja doch behaupten, ich hätte eine stärkere Amnesie nach dem Unglück und dann würde er noch Schmerzensgeld oder sowas bekommen.

Als ich ins Wohnzimmer gehe, fällt mir auf, dass Finn die Schulsachen auf die Kommode geräumt hat. Wollten wir nicht noch Geografie üben?
„Die Pizza ist in zwanzig Minuten da", erklärt er.
„Hm", mache ich und schlage das Buch mit der Erde auf.

„Caleb, wir müssen das jetzt nicht tun", wendet er ein und ich atme tief durch.
„Aber früher oder später müssen wir es ohnehin machen", widerspreche ich. „Wir können ja zumindest anfangen, bis die Pizza da ist. Also, was für Fragen soll ich denn wohl stellen?"

Finn sieht mich lange mit meinen braunen Augen an, sagt jedoch nichts. Schließlich klopft er mit seiner Hand neben sich auf das Sofa und erklärt: „Wir fangen an, aber nur bis die Pizza da ist, okay?"

•••

Gerade als er mir die Unterschiede zwischen Tropen und Subtropen erklärt hat, klingelt es an der Tür und wir blicken beide auf.
„Ein Glück, ich verhungere", murmelt Finn, schlägt das Buch zu und sieht mich erwartungsvoll an.

Ach ja, ich bin ja Finn und sollte wohl auch das Bezahlen übernehmen. Irgendwie ist es mir unangenehm, sein Portemonnaie zu nehmen und mit seinem Geld die Pizza zu bezahlen. Dennoch stehe ich langsam auf und stelle erleichtert fest, dass er mir zur Haustür folgt.

„Hi, Pizza für Campbell?", begrüßt uns der Pizzabote und drückt mir zwei Kartons in die Hand. Ehe ich reagieren kann, hat Finn schon sein Portemonnaie aus meiner hinteren Hosentasche gezogen und bezahlt den Mann großzügig, ehe er die Tür wieder schließt.
„Und du sagst, ich habe schlechten Geschmack?", fragt Finn lachend und nimmt mir einen der Pizzakartons ab.
„Nur beim Essen", entgegne ich und trage meinen Karton in die Küche.

„Wo willst du hin?", erkundigt er sich und ich stocke.
„In die Küche? Teller holen?"
„Du isst bestellte Pizza von einem Teller?"
„Ich nicht. Aber.. du?"

Finn blickt mich mit finsterer Miene an.
„Ich mag vielleicht sehr ordentlich sein, aber ich esse Lieferdienstpizza, so wie es sich gehört, auf dem Sofa direkt aus dem Karton. Wenn du dein Axtmördermahl dort auf einem Teller an einem Tisch verzehren möchtest, bitte schön. Nimm es mir nicht übel, aber ich schließe dann heute Nacht besser mein Schlafzimmer ab."

Ich lache tonlos und er mustert mich herausfordernd.
„Ich bin gerade nicht sicher, wie viel von deiner Rede Sarakasmus und wie viel Ehrlichkeit waren", sage ich.
„Ich würde sagen, in einem Verhältnis fünfundachtzig zu fünfzehn", grinst er und winkt mich heran. „Jetzt komm aufs Sofa, Caleb. Ich bin wirklich hungrig."

Zögerlich folge ich ihm ins Wohnzimmer und setze mich mit gebührendem Abstand neben ihm aufs Sofa, der warme Pizzakarton auf meinem Schoß.
„Kitty und Kilian dürfen nie davon erfahren, verstanden?", murrt er und ich schaue fragend auf.
„Kitty sagt, du isst nie auf dem Sofa."
„Natürlich nicht!", lacht er und holt sich ein erstes Stück seiner Schinkenpizza mit Rucola aus seinem Karton. Warum er da so einen Garten draufhaben will, ist mir schleierhaft. „Kilian isst wie ein Schwein. Wenn ich Kitty erlauben würde, auf meinem Sofa zu essen, würde er das ebenso wollen und dann könnte ich mir anschließend ein neues Sofa kaufen. Also lasse ich sie in dem festen Glauben, ich würde bestellte Pizza nicht mögen."

„Okay", murmele ich und überlege, ob ich ihm verraten sollte, dass ich Kitty bereits an meinem ersten Tag in diesem Haus gestattet habe, mit mir auf dem Sofa zu essen.
Ich entscheide mich dagegen, ich will die Stimmung nicht schon wieder verderben und öffne auch meinen Karton. Der Duft, der mir entgegenschlägt, ist himmlisch und ich atme genussvoll tief ein.
„Willst du noch ein Gebet sprechen oder isst du endlich?", witzelt Finn neben mir.
„Sorry", brumme ich. „Ist nur ganz schön lange her, dass ich eine bestellte Pizza ganz für mich alleine hatte."

Finn lässt sein Stück sinken und sieht mich lange an. Fast rechne ich mit einer ironischen Bemerkung darüber, warum ich dann ausgerechnet eine mit Ananas nehme, aber er überrascht mich, indem er einfach nur nickt und sagt: „Dann genieß sie, sie ist wirklich gut."

•••

Wir sprechen kaum, während wir essen und irgendwann aktiviert Finn den Fernseher und wählt wieder eine Dokumentation aus. Finn wählt passend zum Schulthema etwas über Wetterphänomene und ich bin abermals total gefesselt.

Da Finn mir vorhin die verschiedenen geografischen Zonen schon erklärt hat, kann ich bei den Ausführungen des Sprechers viel besser folgen und bin innerlich ein bisschen stolz, dass ich die Begrifflichkeiten gleich verstehe.

Als ich zu Finn sehe, hat dieser sein Handy in der Hand und tippt mit ernstem Gesicht darauf herum.
Noch ehe ich mir darüber Gedanken machen kann, was er da wohl tut, klingelt es und Finn und ich zucken beide zusammen. Reflexartig stehe ich auf, um zur Tür zu gehen und Finn trägt die leeren Pizzakartons in die Küche.

Lügenleben | ✓Where stories live. Discover now