5.

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Kayla und ich kochten jeden Abend zusammen, wodurch die nächste Woche ganz schön wurde. Lediglich zwei Situationen verunsicherten mich und hatten natürlich mit Vanessa King zu tun. An dem Montag nach der Gala rannte ich mit meinem Wasser in sie hinein, als sie aus ihrem Büro gestürmt kam. Ich sah genau, wie die Wut in ihren Augen aufblitzte, um sich dann jedoch in meinen Augen zu verlieren. Sie ballte ihre Fäuste, schob mich zur Seite und ging einfach ohne ein Wort davon. Die zweite Situation passierte am Donnerstag und verwirrte mich noch mehr. Ich brachte ihr morgens ihren Kaffee und sie sah tatsächlich kurz zu mir auf, als sie ihn mir abnahm. Sonst hatte ich ihn immer auf ihrem Schreibtisch abgestellt und sie hatte mich nicht beachtet. „Danke", hauchte sie und ihre Finger berührten meine, als sie den Becher entgegennahm. Die Berührung durchzuckte mich wie ein kleiner Blitz und ich bekam Gänsehaut im Nacken. Bevor ich wieder rot anlaufen konnte, drehte ich mich um und flüchtete zu meinem Schreibtisch. Ihr Verhalten verwirrte mich und vor allem machte sie mich sauer. Noch wütender machte es mich, dass alle um mich herum, sie so sehr bewunderten. Ich verstand beim besten Willen nicht, was an ihr so faszinierend sein sollte.

An einem Mittwoch in der folgenden Woche, spürte ich förmlich wie schlecht die Stimmung in der Firma war. Miss King feuerte einen Mitarbeiter und verkroch sich danach in ihrem Büro. Ich ließ sie einfach in Ruhe, doch irgendwann rief sie mich herein. Auf dem Weg in ihr Büro stieß ich mich an der Tür, was nicht gerade für einen souveränen Auftritt sorgte. Miss King verdrehte genervt die Augen und stöhnte: „Sie sind so was von unfähig und untragbar. Wieso kann niemand in dieser Firma einfach mal funktionieren. Ich reiße mir doch nicht den Arsch auf für Trottel wie Sie, die nicht mal gerade gehen können." Wut kochte in mir hoch und ich hatte das Gefühl alle blöden Momente der letzten Wochen nochmal zu durchleben. Mein Blick fiel auf das Whiteboard hinter meiner Chefin und da platzte mir der Kragen: „Wissen Sie was, mir ist so egal, ob Sie mich dafür feuern, aber ich lasse mich nicht von jemandem anmachen, der seit Wochen keine Lösung für den Titel eines Buches findet, während mir schon zehn eingefallen sind. Nur weil ich keine Tausenddollar Uhr am Arm trage, bin ich nicht schlechter als Sie. Sie sind arrogant und herablassend und nebenbei verhalten Sie sich unangebracht." Ich holte Luft und merkte, dass mein ganzer Körper unter Spannung stand. Mein Gegenüber wirkte ausnahmsweise wirklich überrascht und die Wut schien aus ihrem Blick gewichen zu sein. Sie musterte mich kurz, schnappte sich dann einen Stift und lehnte sich an ihren Schreibtisch. Mit einem Mal wurde mir bewusst, was ich da gerade getan hatte und mein Herz rutschte mir in die Hose. „Sie kommen sicher nicht damit durch, aber ich will hören, welche Ideen Sie haben", meinte sie nach einigen Sekunde der Stille. Verwirrung machte sich in mir breit und verdrängte meine Aggression. „Was?", fragte ich verdattert und mein Mut war verschwunden. Sie zeigte auf den Stuhl neben ihrem Schreibtisch und meinte: „Setzen und schreiben." Also tat ich, was sie sagt und schrieb alle Ideen nieder, die mir über die Woche gekommen waren. Oft hatte ich die Worte auf der Tafel betrachtet, wenn Miss King mich nicht beachtet hatte. Jetzt stand sie neben mir und beobachtete meine Hand, die über das Papier fuhr. Als ich fertig war, las sie das Blatt durch und nickte nachdenklich. Dann legte sie es weg und stellte sich vor mich. Sie musterte mich und ich merkte, wie mir mein Herz erneut in die Hose rutschte. Das würde es wohl mit meinem Job gewesen sein. Wieso hatte ich nicht einfach meine Klappe gehalten?

Sie räusperte sich und meinte fest: „Sie werden nie wieder so mit mir reden, ist das klar?" Ich sah in ihre Augen und bekam eine Gänsehaut, weil sie mich einschüchterte. Oder fand irgendetwas in mir die Art, wie sie Selbstsicherheit ausstrahlte, irgendwie anziehend? Schnell verbannte ich diese Gedanken aus meinem Kopf und nickte. „Ab jetzt werden Sie wirklich meine Assistentin sein und mich beraten. Bilden Sie sich darauf aber nicht zu viel ein." Ein kleines Lächeln erschien sofort auf meinem Gesicht, doch ich versuchte es zu verstecken. Hatte mir mein Wutausbruch gerade wirklich eine Tür geöffnet? Bevor sie es sich anders überlegen könnte, stand ich schnell auf und wollte rausgehen. Da stellte sie sich jedoch direkt vor mich und blickte in meine Augen. „Sie sind eine wunderschöne Frau und es wäre eine Lüge zu sagen, dass ich Sie nicht anziehend finde. Aber ich bin Ihre Chefin und Sie haben Recht, mein Verhalten war unangebracht. Es wird nicht wieder vorkommen." Damit ließ sie mich stehen und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Ich ging hinaus in den Flur und war innerlich aufgewühlt. Ihr Verhalten war also nicht zufällig gewesen, sie fand mich attraktiv. Stand Vanessa King auf Frauen oder war es ihr einfach egal und sie nahm sich, worauf sie gerade Lust hatte? Ich wusste nicht, ob ich glücklich darüber war, dass sie ihr Verhalten ändern würde. Immerhin wäre ich dann weniger verwirrt, aber ein Teil von mir hatte es gemocht, von ihr angesehen zu werden.

Ich seufzte und setzte mich an den Schreibtisch, das musste ich erstmal alles verarbeiten.

Show me your dark linesWhere stories live. Discover now