35.

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Als ich wenig später in meinem Büro saß und über ein Skript las, klopfte es an der Tür.

Genervt brummte ich: „Ja." Ich war überrascht, als Vanessa den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. Sie wirkte erstaunlicherweise nicht sauer, so wie ich es eigentlich erwartet hätte. Sie trug ausnahmsweise nur eine Bluse ohne Blazer, sodass man ihre Unterarme sehen konnte. Sie trug wie immer den einen Ring, den sie nie abnahm und von dem ich immer noch nicht wusste, was er bedeutete. „Hey", meinte sie und ich runzelte verwirrt die Stirn. Sie war kein Mensch, der nicht auf dem Punkt kam. Normalerweise sagte sie immer sofort, was sie dachte. Als ich nichts sagte, seufzte sie und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von mir. Sie spielte an ihrem Ring herum und meinte: „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll." Ich lehnte mich mit meinen Ellenbogen auf den Schreibtisch und musterte die sonst so taffe Frau, die gerade aussah, als würde sie sich jeden Moment übergeben. „Bist du nervös?", fragte ich und klang genauso ungläubig wie ich auch war. Sie schaute auf und als sich unsere Blick trafen, musste ich automatisch leicht grinsen. „Du findest das super, oder?", fragte sie, doch auch ihren Mund umspielte ein Lächeln. Ich stand auf und lief um meinen Schreibtisch herum. Dann verschränkte ich die Arme vor der Brust und lehnte mich an die Kante des Tisches. „Jetzt sag schon", meinte ich, um ihr zu helfen. Irgendwie war es schön, ausnahmsweise diejenige zu sein, die sie einschüchterte. Sie biss sich auf die Lippe und blickte dann zu mir auf: „Hilfst du mir dabei, netter zu sein?" Verdutzt legte ich den Kopf schief und musste mir ein Lachen verkneifen. „Was?", brachte ich nur hervor. Vanessa seufzte resigniert und meinte: „Ich habe gesehen, wie du mit den anderen umgehst und wie sehr sie dich schätzen. Ich habe nie gedacht, dass es so funktionieren kann, aber du zeigst es mir. Ich will nicht, dass alle in mir nur das Arschloch sehen, das sie bezahlt." Ich musste über ihre Ehrlichkeit lächeln und merkte, wie sehr sie mir fehlte. Bevor ich weiter über meine Gefühle nachdenken konnte, nickte ich schnell: „Okay, ich helfe dir." Sie schaute überrascht auf, als hätte sie nie damit gerechnet, dass ich ja sagen würde. Ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Sie stand auf und im nächsten Moment spürte ich ihren warmen Körper an meinem. Sie schlang die Arme um meinen Hals und drückte mich fest an sich. Ihr Duft umhüllte mich und ich schloss automatisch meine Augen. Was hatte diese Frau bloß jedes verfluchte Mal für eine Wirkung auf mich. „Danke", flüsterte sie und ich konnte nicht anders, als ihre Umarmung zu erwidern. Sie hatte mir so sehr gefehlt, obwohl sie mich so scheiße behandelt hatte. Nach einigen Sekunden löste sie sich wieder von mir und trat einen Schritt zurück. Ich musterte sie und musste lächeln, sie wirkte gerade wie das kleine Mädchen von damals. Ich war kurz davor zu sagen, geh einfach so zu ihnen und sie werden dich lieben. Dann riss ich mich aber zusammen und meinte: „Die erste Maßnahme, sag den Leuten auf dem Gang Hallo und zwar mit ihrem Namen." Sie runzelte die Stirn und fragte: „Woher soll ich die Namen wissen?" Ich schüttelte den Kopf und holte eine Liste unserer Angestellten heraus: „Du bist wirklich noch ganz am Anfang." Da wir im Moment nicht so viel zu tun hatten, nahm ich Vanessa mit auf einen Spaziergang. Wir liefen quer durch die Firma und ich erzählte ihr, was ich alles herausgefunden hatte. Wenn wir Angestellte trafen, grüßte ich sie und Vanessa versuchte es ebenfalls. Es wirkte zwar absolut steif, aber ich freute mich, dass sie es versuchte. Die Angestellten schienen sichtlich verwirrt, aber manche lächelten uns nett zu. Als wir an der Rezeption bei Rosie vorbeikamen, grinste sie: „Was macht ihr denn hier unten?" Vanessa verdrehte die Augen und meinte: „Lia zeigt mir, was ich so in meinem Stress übersehe. Wie zum Beispiel, dass du auf unseren Firmenhandys tinderst." Rosie schloss ertappt die Seite und ich lachte. „Habe eh nichts gutes gefunden", meinte sie und ich war erstaunt darüber, wie locker sie mit Vanessa sprach. Ich wünschte mir, dass auch die anderen Mitarbeiter irgendwann offener werden würden. Als wir wieder gingen, lächelte Rosie mir zu und ihre Augen sagten: „Danke." Ich brachte Vanessa bis zu ihrem Büro, wo sie stehen blieb und mir in die Augen sah. „Danke, dass du mich aushältst", meinte sie und lächelte schief. Ich schmunzelte: „Ich hatte Jason als Chef, dagegen bist du angenehm." Sie grinste über meinen Witz und ihr Blick huschte über meine Lippen. Wir sahen uns in die Augen und ich spürte den deutlichen Drang in mir, sie zu berühren. Mein Kopf malte sich aus, wie ich sie in ihr Büro ziehen würde und wie gut sich ihre Lippen anfühlen würden. Ich biss mir auf die Lippe und sah, dass Vanessas Gedanken genauso wenig jugendfrei waren. Das ist es nicht wert. Ich erinnerte mich an ihre Worte und sie brachten mich dazu, meinen Blick von ihr abzuwenden. „Wir sehen uns morgen", meinte ich und ging, bevor sie mir überhaupt antworten konnte.

Ich durfte ihr einfach nicht die Chance geben, mich zu verzaubern.

Show me your dark linesWhere stories live. Discover now