29.

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Am Sonntag redete ich mit Kayla und sie brachte mich dazu, nach vorne zu schauen.

Mir gehörten Teile des Verlags und niemand konnte sie mir wegnehmen. Ewig lang betrachtete ich die Urkunde, bis ich mir schließlich ein Herz fasste und mir Klamotten raussuchte. Die Nacht schlief ich ziemlich schlecht, doch Kaylas Kaffee fokussierte mich wieder. Ich zog mir schicke Klamotten an und lief die wenigen Straßen bis zu Limax. Es war seltsam meinen alten Arbeitsweg zu gehen, aber auf gewisse Weise auch schön vertraut. Rosie sah mich schon von Weitem und runzelte verwirrt die Stirn. „Hat Miss King gerade Zeit?", fragte ich direkt und sie seufzte. „Lia, ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist." Ich schüttelte den Kopf: „Es geht nicht um diese Sache." Jetzt wurde Rosies Blick noch verwirrter und sie nahm neugierig die Urkunde entgegen. Beim Lesen wurden ihre Augen groß und ihr Mund klappte auf. „Dir gehört die Firma?", fragte sie verblüfft, „Ich glaube du musst mir einiges erklären." Ich nickte und nahm das Papier wieder entgegen. „Das mache ich, aber jetzt muss ich erstmal mit Vanessa reden." Die junge Sekretärin nickte nur und zeigte in Richtung Aufzug: „Den Weg kennst du ja." Ich stand mit Sicherheit zehn Minuten vor der Flurtür, bevor ich in den Vorraum trat. Mein Magen zog sich zusammen und mir wurde übel, als ich eine neue Assistentin an meinem früheren Arbeitsplatz sitzen sah. Sie war blond und einfach bildhübsch. Dieser Anblick verletzte mich fast noch mehr als der von Zayn. Denn diese Frau war eine wirkliche Konkurrenz für mich, weil sie viel mehr Zeit mit Vanessa verbrachte als er.

„Ich habe einen Termin", meinte ich nur mit fester Stimme und ging einfach an der Blondine vorbei. „Warten Sie", sagte sie hektisch und folgte mir in Vanessas Büro. Ich hatte nicht mal angeklopft, sodass Vanessa leicht zusammenzuckte. Sie war gerade dabei ein Skript zu lesen, schaute jetzt aber auf. „Es tut mir sehr leid, ich habe versucht sie aufzuhalten", stotterte die neue Assistentin nervös. Vanessa blickte kurz von mir zu ihr und seufzte dann. Mit einer Handbewegung schickte sie die Blondine raus und stand dann auf. Ihr Blick flog über meinen Körper und blieb dann an meinen Augen hängen. Sie sah wie immer klasse aus, doch ich versuchte, mich auf mein Vorhaben zu konzentrieren. Vanessa lehnte sich an ihren Schreibtisch und verschränkte ihre Arme: „Was möchtest du?" Ihre Stimme war so ruhig, dass es mich noch nervöser machte. Ich fummelte das Papier aus meiner Tasche und sie erkannte es sofort. Sie biss sich auf die Lippe und nickte: „Du willst deine Anteile?" Ich nickte und sie holte aus einer Schublade ein Checkbuch. Bevor sie anfangen konnte zu schreiben, meinte ich: „Ich will kein Geld. Ich will Teil des Verlags sein." Ihre Hand stoppte in der Bewegung und sie schaute zu mir auf. Ihr Ausdruck wurde gehetzt und sie schüttelte den Kopf: „Wieso?" Durch ihre Unsicherheit wurde ich ruhiger und meinte: „Weil ich weiß, dass wir zusammen besser sind als allein und ich schreiben will. Limax ist der beste Verlag des Landes." Ihr Auge zuckte leicht, ein Zeichen dafür, dass sie die Kontrolle verlor. „Lia, wie soll das gehen? Du warst meine Assistentin, wie soll das für die Leute aussehen?" Ich zuckte die Achseln und verschränkte die Arme so wie sie es getan hatte. „Ich habe nie gewusst, dass mir die Firma gehört." Vanessas Kiefer spannte sich an und Wut blitzte in ihren Augen auf. Sie stand auf und zischte: „Du hast mich ausgenutzt und wolltest meine Karriere zerstören. Willst du meinen Ruf wirklich noch mehr schädigen?" Ich schüttelte verständnislos den Kopf: „Du weißt genau, dass ich die Aufnahmen nicht gemacht habe. Ich würde dir so etwas niemals antun. Denkst du, ich wollte die Assistentin sein, die sich hochschläft?" Sie lachte abschätzig und blaffte: „Dich kennt doch keiner, niemand weiß wer du bist. Mich lassen die Reporter nicht mehr in Ruhe, mich verfolgen sie überall hin. Ich bin die, die alles verliert." Ich ballte meine Hände zu Fäusten, wie konnte sie so arrogant sein. „Ich weiß, dass die Situation scheiße ist, aber du bist nicht die einzige Person, die darunter leidet. Wie kannst du so selbstverliebt sein, das nicht zu sehen?" Vanessa gestikulierte mit ihrer linken Hand und wurde lauter: „Es hat nichts damit zu tun. Hast du eine Ahnung, wie viel es mich gekostet hat, hier zu stehen? Hast du überhaupt eine Vorstellung wie viel ich verlieren kann?" Tränen stiegen in meine Augen, doch ich hielt sie zurück. Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Es scheint dir jedenfalls scheiß egal zu sein, mich zu verlieren." Mit einem Mal erfüllte Stille den Raum und wir starrten uns sekundenlang nur an.

Dann wich die Wut langsam aus Vanessas Blick und ihre Haltung lockerte sich etwas. Wärme trat für einen Moment in ihre Augen und sie zog mich förmlich an. Ich hatte es so sehr gemisst, von ihr so angesehen zu werden. Sie seufzte und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Dann setzte sie sich an ihren Laptop, tippte etwas und stand wieder auf. Nach wenigen Sekunden klopfte es und die Assistentin kam herein. Sie brachte einige Blätter, auf denen Vanessa mehrmals unterschrieb und Daten ausfüllte. Dann hielt sie mir den Stift hin und meinte: „Wenn du es willst, bekommst du es." Ich las die Blätter durch und erkannte, dass sie mich tatsächlich zu ihrem Co-Chef ernennen wollte. Wir würden die gleichen Rechte haben und mir würden die gleichen Anteile des Unternehmens gehören. Ich blickte in Vanessas Augen und sah, wie die Angst darin aufflackerte. Kurz zögerte ich, doch dann dachte ich ausnahmsweise an mich selbst. Ich unterschrieb die Blätter und die Assistentin ging sie kopieren. „Danke", murmelte ich, als sie weg war, doch Vanessa brummte nur. „Es tut mir wirklich leid, was passiert ist", sagte ich ehrlich und sie nickte, ohne mich anzusehen. Sie reichte mir einen Schlüssel und fragte: „Brauchst du eine Assistentin?" Ich schüttelte schnell den Kopf, was Vanessa kurz zum Schmunzeln brachte. Wie sehr hatte ich es vermisst, sie lächeln zu sehen. Sie sah mir in die Augen und Wärme durchflutete ihre Pupillen: „Lia, es könnte mir nie egal sein, dich zu verlieren." Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus und Tränen stiegen in meine Augen. Ich spürte die Verbindung zwischen uns und wusste, dass ich nie mehr jemand anderes küssen wollte. Als sie den Blickkontakt abbrach, spürte ich genauso deutlich, dass sie mich nicht wieder küssen würde.

„Rosie wird dir alle wichtigen Infos geben, morgen wirst du ein Büro bekommen", meinte sie und verschränkte dann wieder ihre Arme vor der Brust. „Damit eins klar ist, dieser Verlag ist mein ein und alles. Du wirst keine Entscheidung treffen ohne meine Erlaubnis. Ich werde dich morgen vor allen vorstellen und sagen, dass du dich als Assistentin nur vergewissern wolltest, wie das Klima unter den Angestellten ist. Du wusstest von Anfang an, dass der Verlag dir gehört. Du wirst dich noch wundern, was du gerade angestoßen hast." Ihre Stimme war so kühl, als wäre ich nur eine Angestellte, die sie nicht mal leiden konnte. Ich versuchte zu überspielen, wie weh mir ihr Verhalten tat und nickte nur.

Dann nahm ich meinen Schlüssel und verließ ihr Büro. Was hatte ich da gerade getan?

Show me your dark linesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt