13.

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Als Tyler am nächsten Tag wieder fuhr, hatte ich ein schlechtes Gewissen.

Obwohl ich wusste, dass er keine Gefühle für mich hatte, hatte ich ihn doch ausgenutzt. Um den Kopf frei zu bekommen, fuhr ich in ein Viertel am Rande der Stadt. Hier gab es mehr Bäume und größere Wiesen und weniger Verkehr. Ich spazierte quer durch die Gegend und hörte dabei Musik. Meine Gedanken drehten sich die ganze Zeit um die letzte Nacht, so sehr ich mich auch dagegen wehrte. Ich hatte mit einem Mann geschlafen, aber dabei eindeutig an eine Frau gedacht. Und zwar nicht an irgendeine Frau sondern an meine Chefin. Das konnte wirklich nicht mein Ernst sein. Ich hätte jeden Menschen verurteilt, der ein Verhältnis mit seiner Vorgesetzten einging. In meinen Augen waren das immer Leute gewesen, die kein Selbstwertgefühl besaßen und jetzt war ich plötzlich selber so ein Mensch. Noch dazu war sie eine Frau, so gerne ich auch über diesen Fakt hinweg gesehen hätte. Wieso war ich so von ihr angezogen? So viel mehr als von jedem Mann zuvor? Irgendwann vibrierte mein Handy und ich erkannte eine Nachricht von meiner Chefin. Ich sollte zu ihr nach Hause kommen, und zwar dringend. Sofort wurde ich nervös und schickte ihr meinen Standort, weil sie mir einen Wagen schicken wollte. Ich sah an mir herunter und merkte, wie unpassend ich angezogen war. Ich trug eine kurze Sporthose und ein Shirt mit nicht wenig Ausschnitt. Bevor ich mir mehr Gedanken machen konnte, kam auch schon der Wagen und kurz darauf stand ich vor der riesigen Einfahrt von Vanessa King.

Die Tür summte, sodass ich hineingehen konnte. Ich hatte mir oft vorgestellt, wie Vanessa Kings Haus von innen aussah. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass es so kahl sein würde. Der Eingangsbereich war riesig, aber an den Wänden hingen keine Bilder und nur ein Schrank zeigte, dass hier überhaupt jemand wohnte. Das altbekannte Schnipsen riss mich aus meinen Gedanken und ich folgte dem Geräusch. Ich lief durch ein riesiges Wohnzimmer hin zu einem anderen Raum, in dem Licht brannte. Dort stand Vanessa über einem Schreibtisch gebeugt und kritzelte auf einigen Blättern herum. Ausnahmsweise trug sie keinen Hosenanzug, sondern eine Jeans und eine weiße Bluse. Für jeden normalen Menschen wäre dieser Aufzug für zuhause wohl viel zu schick gewesen, doch für sie war es schon fast leger. Sie bemerkte mich und sah kurz auf: „Na endlich." Ihr Blick blieb an meinen Klamotten hängen und sie löste sich von den Aufzeichnungen. Sie musterte mich belustigt und fragte: „Warst du joggen?" Ich verschränkte meine Arme und erwiderte ihren Blick trotzig: „Sind wir wieder beim Du?" Sie grinste leicht, ihr schien es gar nicht aufgefallen zu sein, dass sie mich geduzt hatte. Dann nahm sie die Blätter und reichte sie mir: „Lesen Sie das mal." Ich nahm die Notizen entgegen und nachdem sie auf einen Stuhl gezeigt hatte, ließ ich mich darauf nieder. Beim Lesen musste ich immer wieder Schmunzeln, diese Frau hatte wirklich Fantasie. Sie war ein Ausnahmetalent und es war mir eine Ehre, diese Zeilen als Erste lesen zu dürfen.

Als ich fertig war, blickte sie mich erwartungsvoll an und ich lächelte: „Es ist fantastisch." Sofort legte sich ein stolzes Grinsen auf Vanessas Lippen, sie schien wirklich etwas auf meine Meinung zu geben. Dann meinte sie: „Kommen Sie." Ich folgte ihr in das geräumige Wohnzimmer und sie holte aus einem großen Schrank eine teure Flasche Wein. Sie stellte zwei Gläser auf den Couchtisch und schenkte in beide etwas ein. Dann reichte sie mir das eine, nahm sich das andere und setzte sich zu mir. „Auf die Veröffentlichung", meinte sie und wir stießen an. Ich kannte mich nicht mit Wein aus, aber dieser schmeckte unheimlich gut. „Danke, dass Sie mir geholfen haben, das Buch zu perfektionieren. Ohne Sie hätte ich es nie veröffentlicht", sagte sie und sah mir dabei tief in die Augen. Ich lächelte geschmeichelt: „Ich habe nur meinen Job gemacht." Sie lächelte und rückte etwas näher zu mir. Ihr Blick fiel kurz auf meinen Ausschnitt, dann sah sie mir wieder in die Augen. „Sie machen viel mehr mit mir", hauchte sie und ihre Hand berührte die nackte Haut meines Beines. Ich zuckte automatisch zusammen und ließ mein Glas fallen. Der Wein lief auf den weißen Teppich und verfärbte ihn dunkelrot. Sofort schoss mir Blut in die Wangen und ich erwartete, dass Vanessa stinksauer werden würde. Wieso war ich bloß so verdammt trottelig? Ich blickte sie ängstlich an, doch sie lachte nur: „Sie sind die ungeschickteste Person, die ich je kennengelernt habe." Ich versuchte schief zu grinsen und nicht noch verlegener zu werden. Da veränderte sich der Blick in Vanessas Augen und sie stellte ihr Glas auf dem Tisch ab. „Und ich will dich trotzdem küssen", stieß sie hervor und Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Ihr dunkler Blick schien mich völlig einzunehmen und als sie sich mir näherte, wich ich nicht zurück. Nein, ich lehnte mich ihr entgegen und ließ mich bereitwillig von ihrer Hand in meinem Nacken zu sich ziehen. Unsere Lippen trafen aufeinander und ich schmeckte den süßen Wein, nur das er diesmal noch besser schmeckte. Sofort fand meine Hand ihre Wange und ich vertiefte den Kuss. Meine Haut kribbelte unter ihren Berührungen und mir wurde genauso warm wie bei unserem ersten Kuss. Diesmal würde ich ihn nicht unterbrechen, ich wollte diese Nähe viel zu sehr. Als unsere Zungen sich berührten, stöhnte ich leicht auf, was Vanessa dazu anstachelte, sich gegen mich zu drängen. Sie fuhr mit ihrer Hand unter mein Shirt und jeder Zentimeter meiner Haut brannte unter ihrer Berührung. Mit einer schnellen Bewegung beugte sie sich über mich und drückte mich in die weichen Kissen der Couch. Es tat so gut, sie zu berühren, dass meine Hände wie von selbst über ihren Rücken fuhren. Sie begann an meinem BH herumzufummeln, war dabei aber sichtlich überfordert. „Sport-BH", nuschelte ich zwischen unseren Küssen, ohne ihre Lippen wirklich loszulassen. Sie löste sich ein kleines Stück von mir und schenkte mir einen Blick, der so viel sagte wie: „Dein Ernst?" Ich konnte nicht anders als zu lachen und als sie es erwiderte, hatte ich das Gefühl ihr noch näher zu sein. Ich hatte lange nicht mehr so lachen müssen und vor ihr hatte ich es definitiv noch nie so gekonnt. Ich war etwas verwirrt, als ihr Blick sich mit einem Mal änderte. In ihren Augen blitzte etwas auf und sie flüsterte:„Lia." Erstaunt weiteten sich meine Augen, woher wusste sie plötzlich meinen Namen? Bevor ich fragen konnte, klingelte das Telefon und Vanessa sprang wie vom Blitz getroffen auf. Sie telefonierte einige Minuten und ich richtete meine Klamotten in der Zeit. Was war hier gerade passiert? Die Nähe zwischen uns warwirklich schön gewesen, doch der Moment eben hatte mich zutiefst verwirrt und verunsichert. Als Vanessa wieder kam, hatte sie eine Jacke dabei und meinte: „Ich muss in die Firma, ich kann dich zuhause absetzen." Ich nickte nur und folgte ihr. Wollte sie gar nichts mehr zu der Situation sagen? Vor der Haustür hielt sie mich dann doch am Handgelenk fest und meinte: „Ich habe es nicht mehr ausgehalten und deinen Namen in deiner Personalakte nachgesehen." Ich nickte, dann machte das zumindest Sinn. Allerdings war meine Unsicherheit deswegen nicht plötzlich weg. „Wie soll ich mich verhalten?", fragte ich frei heraus und ein warmes Lächeln legte sich auf Vanessas Lippen. Sie streichelte meine Wangeund meinte: „Solange wir allein sind, kannst du machen, was du möchtest." Ich lächelte leicht und ihre Worte gaben mir den nötigen Mut, um dichter an sie zu treten und ihr einen kurzen Kuss zu geben. Irgendetwas in ihrer Nähe ließ mich eine Zufriedenheit fühlen, die ich so nicht kannte. Sie grinste auf mich herab und fragte: „Wofür war der?"

Ich zuckte die Achseln und meinte: „Dafür, dass du mich nicht gefeuert hast, nachdem ich deinen Teppich versaut habe."

Sie schmunzelte und erwiderte: „Das merke ich mir."

Show me your dark linesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora