32.

2.3K 130 0
                                    

„Du hast echt wieder mit ihr geschlafen?", fragte Kayla verwirrt, vor ihr hatte ich es nicht lange geheim halten können.

Ja, ich hatte mit Vanessa geschlafen und war danach einfach ohne ein Wort gegangen. Ich hatte die Nähe zwischen uns nicht zerstören wollen und war deshalb kein Risiko eingegangen. „Tu dir nicht selbst weh", meinte Kayla zu mir und streichelte meine Schulter. Sie hatte vermutlich recht und es war dumm gewesen, mich wieder auf Vanessa einzulassen. Wenn ich allerdings an ihre Berührungen zurück dachte, wusste ich, dass ich sie jedes Mal wieder zulassen würde. Am nächsten Morgen sagte Rosie mir, dass Vanessa mich sprechen wollte. Mit einem mulmigen Gefühl lief ich durch die Gänge, die noch recht leer waren. Ausnahmsweise meldete ich mich bei der Blondine an, die scheinbar größten Respekt vor mir hatte. Gut, ich hätte sie auch jederzeit entlassen können. Ich konnte diese Frau einfach nicht leiden, obwohl sie mir nichts getan hatte. Sie sah zu gut aus und war zu oft in Vanessas Nähe. „Miss King erwartet Sie bereits", sagte die Assistentin und öffnete die Tür für mich. Als sie wieder gegangen war, schaute Vanessa von ihren Notizen auf und in ihrem Blick erkannte ich mehrere Emotionen. Wärme, Traurigkeit und etwas, das wie Schuld aussah. Sie stand auf und kam dicht zu mir. „Hey, ich wollte mit dir über gestern reden", meinte sie und redete ganz anders als sonst. Ihre Stimmlage war viel weniger professionell und viel wärmer. Ich sah ihr in die Augen und unwillkürlich wurden meine glasig, sie würde mich abservieren. „Du bereust es", sagte ich, weil ich mir sicher war, dass es so war. Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf: „Nein, ich bereue es auf keinen Fall." Sie seufzte und streichelte mit ihrem Daumen über meine Wange. „Lia, du weißt genau, wie sehr ich dich begehre", flüsterte sie und lehnte ihre Stirn gegen meine. Wenn sie so etwas sagte, schaffte ich es nicht, ihr nicht zu verfallen. Sie war die einzige Person, die mir so nahe ging und ich konnte nichts dagegen tun. Vanessas Schultern sanken etwas ein und sie hauchte: „Es darf trotzdem nicht wieder passieren." Schwere legte sich über mein Herz und ließ einen Kloß in meinem Hals entstehen. Ich hatte gewusst, dass es so kommen würde und trotzdem tat es weh. Ich entfernte mich einen Schritt von ihr und war nicht fähig etwas zu sagen. „Du bist nicht mehr meine Assistentin, aber es bleibt ein Skandal. Das ist es einfach nicht wert." Vanessa sagte noch mehr, doch ich hörte ihr nicht mehr zu. Das ist es nicht wert. Nein, unsere Beziehung war nicht so viel wert wie ihre Karriere. Sie liebte mich, aber ihre Arbeit liebte sie wohl mehr oder sie hatte keine Ahnung, was Liebe bedeutete. Ich hätte alles für diese Frau aufgegeben und sie interessierte sich nur für ihren Ruf. Vor meinem inneren Auge sah ich mit einem Mal all die Momente, in denen sie mich versteckt hatte. Sie hätte sich nie mit mir gezeigt. Ich nickte nur und ging einfach aus dem Raum, ohne weiter auf Vanessas Worte einzugehen. Den ganzen Tag bekam ich nur die Hälfte von dem mit, was Leute von mir wollten. Immer wieder hallten Vanessas Worte in meinem Kopf wider: Das ist es nicht wert. Ich hätte Vanessa King vor jedem verteidigt, aber am Ende war sie doch so wie alle dachten. Kalt und selbstverliebt, eine Karrierefrau durch und durch. Das Kind von damals, das mit mir im Garten gespielt hatte, gab es nicht mehr. Vermutlich war sie selbst nicht mal schuld an ihrem Verhalten. Es waren ihre Eltern, die sich einen Scheiß um ihre Tochter geschert hatten. Ich saß abends noch lange auf unserem Balkon und hörte dem leisen Regen dabei zu, wie er auf die Straßen fiel. Ich würde mich einfach auf meine Arbeit konzentrieren und Vanessa aus dem Weg gehen.

Tatsächlich funktionierte mein Plan ganz gut und ich vertiefte mich voll und ganz in meine Arbeit. Ich schrieb viel und klärte jedes Problem, das mir die Angestellten gaben. Ich war ein völlig anderer Chef als Vanessa und alle wussten das. Deswegen kamen sie zu mir und deswegen aß ich auch mit ihnen in der Mittagspause. Rosie erzählte mir Ende der Woche, dass Vanessa schlecht drauf war, doch es war mir egal. Sollte sie ruhig schlechte Laune haben, ich würde sie nicht mehr abbekommen. An einem Tag saß ich wieder mit den anderen in dem Pausenraum und wir plauderten, als sich alle mit einem Mal anspannten. Ich seufzte und wusste schon, wer in der Tür stehen musste. „Sie können weiter essen. Lia, kommst du mal?", hörte ich Vanessa sagen und spürte ihren Blick auf mir. Ich packte mein Essen zusammen und verabschiedete mich beiden anderen. Dann folgte ich Vanessa durch den Flur und versuchte sie nicht zu deutlich anzustarren. Wie konnte ihr Hintern in dieser Hose so gut aussehen? Es war förmlich unmöglich meinen Blick von ihren Kurven zu nehmen. Ich hasste es, welche Wirkung ihr Körper auf mich hatte. Wir gingen erstaunlicherweise nicht in ihr Büro, sondern in die Eingangshalle. Vanessa blieb vor einer Wand stehen und hielt mir dann zwei Blätter vor die Nase. „Welches gefällt dir besser?", fragte sie und ich betrachtete die beiden Entwürfe. Sie zeigten beide das Logo von Limax, das wohl an diese Wand gehängt werden sollte. Das eine war geschwungener und in dunklen Farben gehalten, das andere war in einem dunkelroten Ton gefärbtund hatte in zwei Buchstaben etwas eingeritzt. In das I war unten mein Name eingeritzt und auf dem M stand Maxime. Ich runzelte die Stirn und versuchte mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. „Warum entscheidest du es nicht allein?",fragte ich und sah auf in Vanessas Augen. Sie war wie immer professionell und meinte: „Die Menschen schätzen deine Meinung sehr. Außerdem dachte ich, dass es dich interessieren würde." Ich musterte sie kurz und blickte dann wieder auf die Entwürfe. Ich seufzte und hielt ihr den dunkelroten hin. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen, dann nickte sie und meinte: „Danke."

Ich sah ihr in die Augen und für einen Moment war ihr Ausdruck so warm, dass ich mich drohte, darin zu verlieren. Dann dachte ich wieder an ihre Worte und spannte mich an. „Wars das?", fragte ich kühl und sah, dass Vanessas Auge kurz zuckte. Sie nickte nur und ich ging so schnell ich konnte.

Es war wesentlich angenehmer, sie nicht sehen zu müssen.

Show me your dark linesWhere stories live. Discover now