Bezwingungstrank

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Severus' pov:
Schritte eilten den steinigen Korridor entlang. Was für ein Glück es doch war, wenn man nicht die Karte des Rumtreibers benutzen musste, um die Geheimgänge von Hogwarts zu kennen. Die schwarze, notdürftig geflickte Lederjacke, welche sich um meinen Oberkörper band und meine Wunde schmerzhaft eindrückte, war mir zwar bewusst, aber dennoch unwichtig,
Mein Umhang war sowieso zerfetzt und meine Privaträume in Hogwarts wollte ich auch nicht mehr betreten.
Der Geheimgang führte meine Schritte weiter bis zu seinem Ende, wo man den vergoldeten Wasserspeier bereits sehen konnte. Zielsicher blickte ich ihn an und flüsterte: "Zitronenbonbons."
Auch wenn ich nicht direkt vor ihm gestanden hatte, bewegte sich die Statue und gab mir den Weg auf die schmale Wendeltreppe frei.
Ich schaute mich um, doch kein Schüler war in Sicht. Dann lief ich schnell zu dem Wasserspeier und verschwand hinter ihm auf der kühlen Wendeltreppe.
Noch während ich hinauf glitt und mein Puls immer unruhiger auf- und ab hüpfte, hörte ich Stimmen in seinem Büro.
Ich presste die kleine Viole in meiner Hand noch dichter an mich, als fürchtete ich, sie würde mir im nächsten Moment gestohlen werden. Ich rannte die letzten Stufen hinauf, ich hatte keine Geduld, es ihm länger zu verheimlichen.
Mit einem Krachen schlug ich die Tür auf und rannte noch ein paar Schritte in sein Büro herein, bis ich vor den Stufen zum Bremsen kam.
Dumbledore, den Rücken zu mir an seinen Tisch gelehnt, drehte sich plötzlich um und erstarrte bei meinem Anblick.
"ALBUS!", rief ich atemlos, ohne seinen Blick zu bemerken. "DAS MUSST DU DIR-" Ich stockte. Hinter Albus stand noch jemand. Jemand kleineres, der sich in seinem Schatten versteckt hatte. Es war Potter.
"-ansehen.", beendete ich meinen Satz etwas peinlich berührt. Erst jetzt, als ich Dumbledores wütenden Blick auf mir spürte, begann mein Kopf wieder zu arbeiten.
Was tue ich hier?! Ich war gerade in Albus Dumbledores Büro geplatzt, als sein Spion, den er eine Woche lang als vermisst, vielleicht sogar als tot geglaubt hatte. Er musste unglaublich wütend und enttäuscht von mir sein und im Moment sah es für ihn wahrscheinlich gerade eher danach aus, als würde es mich nicht die Bohne kümmern.
Trotz allem blieb er ruhig, drehte sich zu Potter um und bedeutete ihm mit einem vielsagenden Blick, sich schnell aus dem Büro zu machen. Potter, der etwas enttäuscht dreinblickte, verstand und bewegte sich die Stufen herunter in meine Richtung. Sein Blick war dabei fest auf mich gerichtet, mit einer undefinierbaren Mischung aus Hass, Neugier und Fassungslosigkeit. Ich versuchte, diesem Blick mit einer hasserfüllten Miene wiederzugeben, doch es wollte mir nicht gelingen.

Die Tür krachte abermals ins Schloss. Dumbledore drehte sich bedrohlich langsam um und starrte mich an. Nur ein einziger Satz kam mir entgegen und trotzdem überforderte er mich dermaßen, dass ich keine glaubhafte Antwort wusste.
"Wo warst du?"
Meine Augen fixierten seine, mein Körper schien sich nicht im Entferntesten bewegen zu wollen. Komm schon, Severus! Lass dir was einfallen! Der Spion, der Meister der Notlügen und jetzt das?
Doch nach ein paar Sekunden fiel mir etwas ein. Etwas, wo ich mich fragte, ob er es mir immer noch glauben würde.
Gerade, als er den Kopf ungläubig weg drehen wollte, entschloss ich mich dazu, es zu probieren.
"Was denkst du, wo ich war?", knurrte ich. Er drehte sich wieder zu mir und meine Beine begannen, die Stufen empor zu steigen. Innerlich atmete ich erleichtert aus. "Ich kann dir sagen, wo ich war. Es wurde ein Treffen einberufen. Vom dunklen Lord. Es gibt zwar nicht viel neues, aber ich habe etwas besseres herausgefunden, diesmal jedoch nicht von Voldemort. Es handelt sich um Darc Core."
Seine Augen blitzten auf. Ich war mit meinen langsamen Schritten schon fast bei ihm angekommen. Ich wusste doch, dass man nur eine List braucht, um Jemanden vom Hauptthema abzulenken ohne es im Grunde zu wechseln.

"Das hier ist von Darc Core.", sagte ich und hielt ihm die schimmernde Viole unter die Nase. Erst kniff Albus seine Augen zusammen, dann schnappte er mit seiner Hand danach. Ich, der seinen Schritt schon vorher gesehen hatte, schloss die Viole jedoch wieder schnell in meiner Faust ein und ließ diese sinken.
"Weißt du, was das ist?", fragte ich ruhig. Dumbledore, der sich jetzt wahrscheinlich zunehmend veräppelt vorkam, schaute mich aus winzigen Augenspalten heraus fragend an.
"Das ist eine Mischung aus zwei Tränken." Ich machte eine kleine Pause, hielt die Viole wieder hoch und betrachtete sie. "Erstens; Equniss Atra, was Phönixpferde anlocken soll, Zweitens..."
Mein Blick glitt von der hellen, schimmernden Flüssigkeit zu Dumbledores ernstem Gesicht.
Gerade wollte ich ihm die zweite Zutat nennen, da fiel mir etwas Besseres ein.
"Warum war Potter hier und was habt ihr besprochen?"
Albus schaute erst verwirrt, dann sah er mich gebieterisch an.
"Ich habe dir schon erklärt, dass das unter Harry und mir bleibt. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Also, was ist denn jetzt der zweite Trank?"
Ich lachte kurz auf und ging an ihm vorbei zu seinem Schreibtisch, die Viole schloss ich wieder fest in meiner Faust ein.
"Würde das auch unter uns bleiben?", fragte ich sarkastisch. Mir war klar, dass ich mich damit vielleicht etwas zu wichtig machte, aber in diesem Moment war es mir egal. Ich ging langsam an seinem Tisch entlang, strich mit einem Finger über das Holz, das Papier und die Stifte und achtete darauf, Dumbledores stechenden Blick auf mir nicht zu erwidern. Dieser antwortete natürlich nicht, was ich ebenfalls erwartet hatte.
"Nein, würde es nicht. Natürlich würde es das nicht.", sagte ich mit einem leichten Grinsen auf meinem Gesicht. "Dennoch, es geht hier nicht um mich, nicht wahr?"
Dumbledore setzte zum sprechen an, ich ließ ihn aber nicht. Er schien sich denken zu können, in welche Richtung meine Ansprache gehen würde und das gefiel ihm überhaupt nicht. Angesichts dessen änderte ich meinen Plan ein wenig, um keinen ernsthaften Streit zwischen uns auszulösen.
"Es geht um den Krieg, der kommen wird. Oder die Kriege, je nach dem, wie du es hören willst. Zum einen möchte ich, dass du weißt, dass du laut dem dunklen Lord nur noch zwei Wochen zu leben hast.. Schade eigentlich." Ich schaute auf, um seine Reaktion auf meine gleichgültigen Worte zu sehen, doch ich sah nur einen undefinierbaren Gesichtsausdruck. Ich hatte mir gerade endgültig die Oberhand geschaffen, was mich zunehmend befriedigte. Er schien wohl auch zu merken, dass ich mich fast schon mit ihm auf ein Niveau stellte, aber retten konnte er meine verlorene Unterwürfigkeit schon lange nicht mehr.
"Nachdem du tot bist - was passiert dann? Wer wird Schulleiter und wie soll ich mit der Spionage weiter machen?", fragte ich ihn gerade heraus. Ich nahm meine Finger von seinen Sachen und schaute ihn erwarten an. Er schien kurz zu überlegen, dann antwortete er mir mit der gleichen Gewissheit wie immer.
"Du wirst so tun müssen, als würdest Du unter Voldemorts Fuchtel stehen - für alle außer die Portraits in meinem Büro, welche ja Bescheid wissen. Die ganze Schule muss glauben, dass du ein Todesser bist, Severus." Ich setzte mit einem fragenden Blick zum Reden an, doch er schien meine Gedanken vom Gesicht ablesen zu können.
"Hogwarts wird nicht gegen dich ankommen können, da du der Schulleiter wirst."
Mir klappte der Mund auf. Ich sollte Schulleiter werden und Todesser spielen? Dumbledore ließ Voldemort freien Zugriff auf Hogwarts? Waren ihm die Schüler total egal? Was wurde dann aus Potter? Überhaupt - was wurde aus allem hier? Dem Unterricht, den Pausen, den Mahlzeiten und den Schlafräumen?
Immer noch starrte ich Dumbledore mit offenem Mund an und hatte eigentlich auch nicht die Absicht, ihn wieder zu schließen, bis ich vernünftige Antworten bekam.
"Aber Potter...?", sagte ich leise. Ich konnte mir nicht einmal Ansatzweise vorstellen, wie es wäre, wenn ein Todesser Macht über die Schule hatte. Genauso wenig, wie das ich diesen Todesser spielen sollte. Ich war der Nachtschatten! Kein Todesser.
Wahrscheinlich würde ich es trotzdem tun. Es half nichts, sich den Befehlen von Dumbledore zu widersetzen, auch, wenn er bald nicht mehr leben würde.

𝙳𝚒𝚎 𝚣𝚠𝚎𝚒𝚝𝚎 𝙻𝚒𝚎𝚋𝚎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt