Tu es!

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Severus pov:
Ein gackerndes Lachen irgendwo im Schloss. Panik bahnte sich den Weg nach oben, meine Luftröhre schien immer dünner zu werden.
Warum tust du das? Warum wirst du zum Mörder? Warum ist dein Leben so, nur weil du es allen Recht machen musst? Warum wirst du von Anfang an so gehasst? Was hast du getan?
Kurz lehnte ich an der Wand. An einer kalten, undurchdringlichen Wand. So sollte ich auch sein. Kalt, mit einem Herzen aus Stein. Undurchdringlich. Böse. Gehasst. Snape. Ich sollte Snape sein. Warum konnte ich nicht einfach wie mein früheres Ich sein?
Bei dem nächsten psycho-artigen Lachen, dass in meine Ohren gelang, einem werwolf-artigem Brüllen, den rasselnden Atem meinerseits und der unscheinbaren Stille in Hogwarts zugleich rollte ein nasser Tropfen aus meinen Augen meine Wangen hinunter und blieb daran haften.
Ich schloss meine Augen.
"Tu, was du tuen musst. Mach es, weil es richtig ist. Für die Zukunft, die Potter braucht, um den dunklen Lord zu vernichten, musst du bezahlen.", schallten meine Gedanken in meinem Kopf umher. "Tu es. Tu es jetzt."
Ich schlug meine Augen auf, umklammerte meinen Zauberstab und versuchte, mich von der Wand zu lösen, an der ich am Liebsten für immer kleben geblieben wäre, nur um das nicht tun zu müssen.

Mein Umhang flog hinter mir her und zum Ersten Mal spürte ich ein gewisses Bedürfnis, ihn einfach zu nehmen und ihn in tausend Stücke zu zerreißen, dabei zu schreien und zu weinen, doch ich durfte es nicht.
Meine Füße stiegen die Treppen hinauf in Richtung des Astronomie Turms, die Flüssigkeit in meinen Augen schien mit jeden Schritt anzusteigen.
Ich hörte Stimmen. Zuerst Dumbledore selbst, dann Draco, dann Bellatrix.
"Tu es, Draco!" Ihre verlangende Stimme erinnerte mich an meine Gedanken, die ich selbst gerade erst gehabt hatte.

Ich war da. Unter ihnen. Nur noch eine Treppe hielt mich davon ab und - da stand er. Potter. Einfach so stand er da und schaute hoch zu dem Geschehen, ohne etwas anderes zu tun.
Ohne zu wissen, was ich tat, zielte ich mit meinem Zauberstab auf ihn und bedeutete ihm, leise zu sein, als er mich sah.
Er schaute mich an, mein von Tränen nasses Gesicht, und blieb leise. Er ließ mich an ihm vorbei, ich musste nur noch die Treppe hoch gehen. Mein Fuß setzte zum loslaufen an, doch ich stockte. Mit dem Rücken zu Potter wischte ich mir alle Feuchtigkeit aus dem Gesicht, drehte meinen Kopf herum und sah ihm ein letztes Mal in die Augen. Ein letztes Mal, bevor er mich für immer hassen würde.
"Los!", zischte Bella von oben Draco zu, der verkrampft und schluchzend neben ihr stand, den Zauberstab mit zittriger Hand auf Albus gerichtet.
Meine Beine setzten sich in Bewegung, ich ließ Potter allein dort stehen und trat hinter Draco hervor auf die Plattform, wo Dumbledore von Todessern umzingelt war und zu allem Überfluss auch noch da stand, wo er wegen einem kleinen Windhauch vom Turm fallen könnte.
"Lass es.", quetschte meine Stimme hervor. Ich bekam Panik, als ich ihn dort sah. Waffenlos und völlig im Frieden mit sich selbst, wohl wissend, was in den nächsten Minuten passieren würde.
Wohl wissend, wie es mir nach seinem Tot ergehen würde. Und dann sprach er diese Worte, die mich zerstörten, mich in alle Stücke rissen, mich zu meiner Handlung bewegten.
"Severus.", sagte er meinen Namen. "Bitte."
Alles in mir schrie. Ein Schmerzendschrei, der nicht aufhören wollte. Die Lähmung meines Körpers, mein Arm, der sich automatisch nach oben bewegte, Bellatrix' vorahnendes Lachen und das Grinsen von Fenrir Greyback in meinem Augenwinkel. Lass es aufhören. Bitte, lass es aufhören.
Mein Zauberstab in meiner ausgestreckten Hand, der genau auf ihn zielte.
"Avada Kedavra", hörte ich meine eigene Stimme. Ein Lichtblitz, der Glanz seiner Augen während sein Körper das Gleichgewicht verlor, das gackernde Lachen von Bellatrix und das erschrockene Auf keuchen von Draco Malfoy; ich ignorierte alles. Das Einzige, was ich sah war, wie er fiel.
Sein seidiger Umhang umhüllte ihn, begleitete ihn. Seine Arme und Beine schwebten hilflos in der Luft, bis die Schwerkraft ihn zu sich holte und sein ausdrucksloses Gesicht hinter dem steinigen Podest des Astronomie Turms verschwand.
Alles geschah nur noch in Zeitlupe. Bellatrix hüpfte freudig nach vorn und schrie voller Vergnügen, Draco neben mir schritt ebenfalls langsam zu der Stelle, wo sich sein Schulleiter eben noch befunden hatte und auch die anderen Todesser zeigten Reaktionen wie ein zufriedenes Grinsen oder genaueres Bestaunen von dem Boden unter dem Astronomie Turm, wo er lag. Ich jedoch, als Einziger, stand da und schien nicht mehr atmen zu können. der Arm mit dem Zauberstab sank langsam, doch mein Blick starrte immer noch auf die Stelle, wo gerade eben noch mein Freund gestanden hatte. Mein Freund, der mich angewiesen hatte, es zu tun.
Mein Freund, der jetzt tot war.

𝙳𝚒𝚎 𝚣𝚠𝚎𝚒𝚝𝚎 𝙻𝚒𝚎𝚋𝚎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt