Die zweite Liebe

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Y/N pov:
"Wo willst du hin?", schrie Isabella mir hinterher. Eine konkrete Antwort hätte ich selbst nicht gewusst. Mir war nur klar, dass ich zu ihm wollte. Ich musste zu ihm. Die Schritte meiner Schuhe hallten zwischen den steinigen Wänden wieder und drangen zurück in meine Ohren. Ich stürzte auf jede Treppe zu, die mir einen Weg nach oben bot. Dass ich mit dieser Strategie wohl kaum auf das Dach kommen würde, spielte noch keine größere Rolle. Erst, als ich keuchend im obersten Stock angekommen war, suchte ich nach einem neuen Weg. Ich rannte einen Korridor entlang, der mir nicht bieten konnte, was ich suchte. Kurz vor einer Abzweigung verlangsamte ich meine Schritte. Abgesehen von meinem heftigen Atmen war es hier totenstill. So still, dass es wieder unwirklich war, mitten in einem Krieg zu stecken. Bei diesem Gedanken fiel mir erstmals auf, dass wenn ich Severus fand, ich wahrscheinlich auch Killoran zu begegnen hatte. Ehrlich gesagt war ich nicht wirklich erpicht gewesen, diese Erfahrung noch einmal zu durchleben, doch ich musste Severus finden.

Mein Atem wurde wieder langsamer, konnte jedoch trotzdem nicht als normal gewertet werden. Ich sah nach rechts. Ein weiterer Korridor erstreckte sich mir, doch dieses Mal sah ich genau das, was ich suchte. Ich holte erneut Anlauf, blieb aber schon nach ein paar Metern stehen und rüttelte an einem Fenster. Als es sich nach außen hin öffnete, beugte ich meinen Oberkörper soweit wie möglich nach vorn und sah nach oben.
Ich unterdrückte den Drang, laut aufzukeuchen und biss mir stattdessen in der Zeigefinger. Schräg mit dem Rücken zu mir stand Killoran und genau vor ihm Severus auf dem spitz zulaufenden Dach. Der lilafarbene Umhang wehte dramatisch im Wind und blähte sich auf, was mir ungünstigerweise die Sicht auf Severus versperrte.
Nachdem ich mich versichert hatte, dass mich keiner von beiden sehen konnte, runzelte ich die Stirn. In meinen Erwartungen hatte die Situation deutlich anders ausgesehen. Ich hatte befürchtet, Severus umgehend zur Hilfe eilen zu müssen, da Killoran und er wieder ein Duell auf Leben und Tot angefangen hätten. Mir war sogar durch den Kopf gegangen, dass ich zu spät sein könnte und der Krieg entweder schon verloren oder gewonnen war. Doch jetzt war ich hier her gerannt, und  hatte die Schlacht von Hogwarts verlassen, um die beiden Parteivorsitzendenden quatschend auf einem Dach vorzufinden?

"Liebe ist etwas Bescheuertes", rief Killoran. Er schien, als wäre er nicht mehr Herr seiner Sinne. Langsam verlor er auch noch das letzte bisschen an Haltung und taumelte ein paar Schritte auf seinen Gegner zu.
"Nur dann, wenn man sie nicht hat, Killoran.", erwiderte Severus ruhig, aber gefasst.

Killoran murmelte noch ein paar unverständliche Worte, dann schien er plötzlich einen Sinneswandel zu erleben und bäumte sich vor Severus auf.
"Ich werde es beenden. Und mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Also-"
Ich hörte den Rest des Satzes nicht mehr, denn ich hatte meinen Oberkörper wieder aus dem Fenster gezogen und rannte nun abermals den Gang entlang. Ich schlug nach links ein und rannte weiter. Mein Atem war schon jetzt wieder ziemlich laut, aber es war egal. Hier im obersten Stock war wahrscheinlich niemand, der mich hören konnte.
Ich war losgerannt, da ich gesehen hatte, Killoran vor hatte. Seine Beine waren plötzlich mit einer glitzernden Hyacithumschicht gemustert gewesen, was ich immer beobachtet hatte, kurz bevor er losgeflogen war. Ich stolperte einige Treppen hinunter, bis ich vor der Uhr von Hogwarts stand, durch die man den Innenhof betrachten konnte, wo ich kurz stehenblieb und in den Himmel starrte. Vorerst war da nichts außer Grau, doch dann schoss plötzlich ein Hyacinthumstrahl von hinten hervor, im Schlepptau; ein Noctisstrahl. Meine Augen weiteten sich für einen kurzen Moment und ich keuchte auf, obwohl dies genau das war, was ich erwartet hatte. Ich fasste mich und rannte abermals die Treppen hinunter. Im Stillen ohrfeigte ich mich dafür, dass ich überhaupt stehen geblieben war und so viel Zeit vergeudet hatte.
Ich kam den Kampfgeräuschen immer näher. Als ich noch etwa zwei Stockwerke vor dem Tor war, verstummten sie auf einen Schlag. Ich dachte mir, dass Severus und Killoran genau in diesem Moment auf dem Hof gelandet waren oder etwas dergleichen passiert war. Es war nicht vollständig still, aber ein deutlicher Unterschied zu einigen Minuten vorher. Ich wollte schneller rennen. In diesem Moment kam ich mir so unglaublich langsam vor, obwohl ich wahrscheinlich sogar meine Rekordzeit im Treppenlaufen übertraf.
Endlich trafen meine Schuhe auf den steinigen Gang auf, an dessen Ende das offenstehende Tor auf mich wartete. Ich kniff die Augen zusammen, während ich weiterrannte. Die Menge der Menschen auf dem Hof schien mir deutlich kleiner geworden zu sein, auch wenn ich nicht den ganzen Hof sehen konnte. Ich erkannte ein paar am Boden liegende Körper, welche sich nicht regten. Doch eine Sache stach mir besonders ins Auge. Nicht weit weg vom Tor stand Killoran mit dem Rücken zu mir und bewegte sich nicht. Er starrte nur den Mann vor sich an, gegen den er sich verschworen hatte. Genauso sah Severus, der ungefähr eine Duellierbreite von ihm entfernt stand, ihn ebenfalls an. Er sah stark aus. Und entschlossen. Er würde kämpfen, unzwar nicht nur für mich, sondern für ganz Hogwarts. Und dass, obwohl ihm genau hier wahrscheinlich das meiste Unrecht angetan wurde.
Meine Schritte verlangsamten sich angesichts meiner Gedanken, doch ich war bereits in dem Tor angekommen. Severus sah auf.
Ich sah ihm in die Augen und er in meine. Ihm blieb nicht viel Zeit dafür, ohne mich an Killoran zu verraten, deshalb dauerte der Blickkontakt nicht lange. Aber er war lang genug, um ihm mit meinen geballten Fäusten zu zeigen, dass wir kämpfen würden.
Er nickte leicht, als er sich wieder zu Killoran drehte. Sein Körper richtete sich auf, er atmete einmal durch.
Killoran machte hingegen zwar einen entschlossenen, aber doch auch eher lässigeren Eindruck. Er dachte, dies hier wäre ein Moment zum Reden. Noch einmal ein paar dramatische Sätze von sich geben, bevor er seinen Gegner fertig machte. Er trat leicht von einem Bein auf das Andere und bemerkte immer noch nicht, dass ich in nur wenigen Metern Entfernung hinter ihm stand.
Gerade als er Luft holte, um etwas spöttisches auf Severus' Haltung zu erwidern, ließ dieser plötzlich einen Ball Noctis los, der auf Killoran zusteuerte. Auch, wenn dieser einigermaßen überrasschend gekommen war, konnte der Mann vor mir darauf reagieren. Schnell winkelte er seine Arme an und fing den Fumus Ball mit Hyacinthum auf.
Ich zuckte leicht zusammen und ging ein paar kleine Schritte nach rechts, um nicht genau in der Schussbahn von Severus zu landen. Es war ein Glück, dass ich diese etwas vorsichtige Maßnahme ergriffen hatte.
"Och Severus, wirklich?", seuselte Killoran und spielte mit dem Noctisball, welchen er aber nur mithilfe seines Hyacinthums berühren konnte. "Das ist wirklich ein schwacher Versuch. Wenn ich dich heute Nacht nicht umbringen würde, könnte ich mir sogar vorstellen, dass ich dir ein Bisschen Nachhilfe in Dingen Kampf beibringe.", belächelte er Severus.
Killoran hatte meiner Meinung nach überhaupt keine Idee, mit wem er es hier zutun hatte.
Mit ein Wenig nachdenken würden mir seine Worte wahrscheinlich ins eine Ohr rein und aus dem anderen wieder rausgehen, doch Severus war diesmal nicht so, wie ich dachte.
Er wurde wütend.

𝙳𝚒𝚎 𝚣𝚠𝚎𝚒𝚝𝚎 𝙻𝚒𝚎𝚋𝚎Where stories live. Discover now