Juliana: "Dark Times" von Thalysra

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Für diejenigen, die Orientierung brauchen: Thalysra schreibt Dark Fantasy im Universum von World of Warcraft, Dark Times ist eine Zusammenstellung von mehreren Kurzgeschichten. In meinem Feedback beziehe ich mich nur auf die erste davon, Die brennende Legion, da von der zweiten bisher lediglich ein Kapitel hochgeladen ist.

Dann wollen wir einmal. Zuerst kann ich dir die größte Angst nehmen: Deine Geschichte ist gut und du schreibst gut, stellenweise großartig.

1. Beschreibungen: Ausgefeilte Beschreibungen sind dein Steckenpferd und sie gelingen dir über weite Strecken ausgezeichnet. Kostprobe gefällig?

"Die wenigen Bäume, die von ihren Feinden verschont geblieben waren, bogen sich im heulenden Wind und spielten ihr herzzerreißendes Klagelied." (Kapitel 1)

Die Atmosphäre fängst du immer ähnlich gut ein. Da setzt aber auch direkt der größte Kritikpunkt an: Die erste Hälfte insbesondere des ersten Kapitels ist eine reine Beschreibung. Von Nalayahs Rüstung, über die Landschaft, dann über die Situation, in der sie sich befindet, den Krieg mit den Dämonenhorden. Später im Kapitel erst erfährt man als Leser, dass Nalayah mit ihrer Armee auf dem Weg ist, die Stadt Astranaar zu verteidigen. Binde das doch von Anfang an ein. Lass sie durch die Landschaft hetzen, Vegetation sich in ihren langen weißen Haaren verfangen, lass deine Leser die Anspannung spüren, die auch Nalayah gefangenhält. Die Beschreibungen kannst du so ebenso gut einflechten, wenn auf einmal alles zu einem Hindernis wird.

Dann flüchtest du dich manchmal in schwache Beschreibungen, während du an anderen Stellen zeigst, dass du es viel besser kannst.

"Sie besaßen rasiermesserscharfe Zähne und die schwarzen Tentakel, die [...]" (Kapitel 1)

"Die Gegenwart des Schreckenslords wurde ihr zunehmend unangenehmer [...]." (Kapitel 3)

Hatten, besaßen, fühlte sich, war und so weiter sind Wörter, die kein besonders starkes Bild im Kopf deiner Leser erzeugen. Binde die Beschreibungen in Tätigkeiten oder konkrete Sinnesempfindungen um, dann umgehst du dieses Problem. Ein beispielhafter Weg im ersten Fall wäre "Geifer tropfte von ihren rasiermesserscharfen Zähnen und schwarze Tentakel wanden [...]" oder im zweiten Fall könntest du erzählen, wie sich dieses unangenehme Gefühl konkret auf Nalayah auswirkt, um dieses Bild zu erzeugen.


2.  Überflüssiges: Es gibt zwei Punkte, an denen du manchmal mehr Worte und Zeichen verwendest, als du müsstest.

2.1 Kommas: Deine Kommasetzung an sich ist sicher und gekonnt. Aber manchmal meinst du es zu gut. Folgendes Schema kommt bei dir häufig vor:

"Nur dank ihrer schnellen Reflexe, konnte sie ihren Sturz verhindern." (Kapitel 2)

"Mit einem gezielten Schlag seiner Klaue, riss er den ersten Mann von den Beinen [...]." (Kapitel 5)

Dieser Kommatyp, auch Vorfeldkomma genannt, ist völlig überflüssig, auch wenn es manchmal verführerisch ist, wenn der Satzteil vor dem Verb so lang ist.

2.2 gedoppelte Handlungen:

"Verwundert stellte sie fest, dass sich weder Zorn noch Hass in den Augen des Dämons widerspiegelte." (Kapitel 3)

"Nach einigen Überlegungen traf sie eine schwere Entscheidung. Sie musste es auf einen Versuch ankommen lassen." (Kapitel 3)

In beiden Beispielen könntest du entscheidend kürzen und deine Prägnanz erhöhen, indem du auf feststellen oder eine Entscheidung treffen verzichtest. Im ersten Teil erläuterst du vorher, was an dem Schreckenslord anders ist, dass das nächste eine Feststellung ist, ergibt sich von selbst. Gleiches gilt im zweiten Fall: Natürlich trifft sie eine Entscheidung und die Überlegungen finden sich in den Absätzen zuvor. In diesem Hinblick solltest du deinen Text noch einmal überprüfen, ähnliche Strukturen kamen nämlich häufiger vor.


3. Mythos: Der Schreckenslord enthüllt gegenüber Nalayah sehr früh, was er von ihr will. Er gibt ihr wenig Gelegenheit zu überlegen, woran sie ist. Von dem Thema bewegt sich die Konversation dann auch wieder weg und sie kommen erst später darauf zurück. Lass Nalayah und deine Leser doch schon länger rätseln und vielleicht mit dem Gedanken oder Lösungen spielen. Das erhöht die Anforderungen an deine Protagonistin und damit die Spannung für deine Leser. Und es gibt einen größeren Schockmoment, wenn Schreckenslord am Kapitelende seine Intentionen preisgibt.


4. Persönlicher Eindruck: Du hast sicher bemerkt, dass ich bisher schwerpunktmäßig auf deinen Stil eingegangen bin, auf Punkte, die ich für objektiv halte. Subjektiv fand ich den Spannungsbogen deiner Geschichte gelungen, die Struktur war nachvollziehbar und deinen Sprachstil trotz den angesprochenen Punkten überzeugend. Du kommunizierst klar, dass du auch Erotikelemente verarbeitest, von daher hat mich das auch nicht überrascht. Persönlich hat es mir nicht so gut gefallen, wie Nalayah am Ende auf Schreckenslords Annäherung reagiert hat (um hier Spoiler zu vermeiden). Für mich deckt es zu sehr das Klischee einer Frau ab, die im Endeffekt nur einen guten Kuss braucht, um sich zu unterwerfen. Aber ich sehe auch, dass das letzten Endes die Geschichte ist, die du erzählen wolltest, und da geht es auch um Machtkämpfe und Erotik. Deswegen möchte ich das nicht kritisieren, da das persönliche Präferenz und deine Entscheidung ist.


5. Fazit: Dein Stil ist schon sehr weit fortgeschritten, du schreibst gut und verständlich, mit nur kleinen Anschaulichkeitseinschränkungen. Die Welt wirkt lebendig und durchdacht und deine Charaktere handeln logisch, weswegen ich mich so auf den Stil konzentriert habe. Wer eine klassische Dark Fantasy Geschichte mit tollen Beschreibungen sucht und keine Einschränkungen hat, was expliziten Erwachseneninhalt angeht, der ist definitiv gut beraten, bei dir vorbeizuschauen. Für weitere Diskussionen stehe ich gerne zur Verfügung.


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