Juliana: "ONE HUNDRED WAYS to say GOODBYE" von Magisch_Mia

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Dieses Feedback wird etwas anders als die vorhergehenden, dieses Mal geht es nämlich um eine Kurzgeschichtensammlung, es gibt also keine zusammenhängende Handlung oder immer wiederkehrende Charaktere. Aber es gibt ja viel mehr, über das man reden kann, also lassen wir uns entführen von Magisch_Mia.

Und, an der Stelle spreche ich das erste Mal eine Warnung aus: In diesem Kapitel (wie auch in Mias Buch) wird eine ganze Bandbreite an Triggern abgedeckt. Es geht um Selbstverletzung, Depressionen, Suizid und Tod im Allgemeinen. Bitte überspringt dieses Kapitel, wenn ihr befürchtet, dass es euch nicht gut tun könnte.

Magisch_Mia beschäftigt sich in ihrer Kurzgeschichtensammlung mit den "unterschiedliche[n] Seiten des Sterbens [...] und verschiedene[n] Formen des Abschieds". Keine leichten Themen. Die kurzen Szenen sind sehr einfühlsam geschrieben, sehr emotionenbetont und lassen uns an den Momenten teilhaben, die an verschiedenen Enden des Lebens stehen.

Varietät

Mir ist bewusst, dass deine Sammlung noch nicht abgeschlossen ist, aber ich würde trotzdem gerne eine kurze Bestandsaufnahme machen. Bisher umfasst die Sammlung 14 Kurzgeschichten, davon sind drei drei Geschichten solche, die für dich eine besondere persönliche Bedeutung haben ("Freiheit") oder für einen Wettbewerb entstanden sind ("Seelen", "The sea your grave"), dein Thema aber nur im weitesten Sinn betreffen.

Von den restlichen elf Geschichten beschäftigen sich vier im engeren oder etwas weiter gefassten Sinne mit Suizid oder stark selbstzerstörerischem Verhalten ("Bis morgen", "Das letzte Ziel", "Aber ich will sterben!", "Mein bester Freund").  

Ich möchte nicht behaupten, die Geschichten sind repetitiv, das sind sie nämlich auf keinen Fall. Aber für mein Empfinden stimmt hier die Balance nicht. Wenn ich deinen Klappentext richtig verstehe, möchtest du dein Thema aus unterschiedlichsten Richtungen beleuchten, eine große Bandbreite abdecken. Dadurch, dass du dich auf mehr als einem Drittel der bisherigen Geschichten auf ein Thema einschießt, entsteht für mich teilweise der Eindruck der Einseitigkeit. Das gilt insbesondere, weil die anderen von dir angesprochenen Themen jeweils nur einmal abgedeckt werden.

Natürlich kannst du letzten Endes schreiben, was du willst oder was dich beschäftigt, das möchte ich dir nicht vorschreiben. Wenn es dir aber tatsächlich ernst damit ist, Tod und Sterben aus vielen Perspektiven zu beleuchten, dann dürftest du für mein Empfinden die Grenzen davon noch etwas weiter ausdehnen.

Geschichtenstruktur

Hier möchte ich eigentlich als erstes über meine vier Lieblingsgeschichten aus deiner Sammlung reden: "Die letzten Sonnenstrahlen", "Fire on the sky", "Mein bester Freund" und "Weil ich dich liebe". Ich habe im Nachhinein versucht zu ergründen, warum das meine liebsten Geschichten sind, und ich habe letzten Endes eine Antwort gefunden: Sie haben eine klare Umgebung, du bindest hier die Ereignisse in eine Atmosphäre und Umgebungsbeschreibung ein, die die vorhandene Handlung unterstützen und so ein klares Bild zurücklassen. Den Liegestuhl in der "Die letzten Sonnenstrahlen", die Lichtung in "Fire on the sky", das Familienhaus in "Mein bester Freund" und die Autofahrt in "Weil ich dich liebe". Übrigens auch die Bahnfahrt in "Bis morgen", aber über die Geschichte möchte ich im nächsten Punkt noch reden.

Bei anderen Geschichten, zum Beispiel in "Erdbeerjoghurt" oder in "Bahnhof", kann ich die Stimmung und die Szenerie teilweise nicht so gut einordnen, auch wenn du natürlich eine klare Ortsverankerung beschreibst. Die Stimmung ist hier aber nicht ganz so eindeutig beschrieben wie in den genannten Beispielen und dadurch ist zumindest bei mir keine so eindeutige Atmosphäre hängengeblieben. Dass du das an sich in wenigen Sätzen kannst, zeigen deine anderen Geschichten.

Tod als Schockmoment

Stellenweise hatte ich den Eindruck, dass du das Ende deiner Figuren als Schockmoment am Ende einer Erzählung instrumentalisierst, was ich vor dem Hintergrund deiner sonst sehr einfühlsamen Erzählung als deplatziert empfunden habe. Besonders aufgefallen ist mir das in "Bis morgen" und "Nur einmal".

In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt, warum du es als nötig empfindest, die Geschichten so konkret auch mit dem Tod zu beenden, wenn dein Thema "Abschied" auch so sehr deutlich enthalten ist. Ich glaube, gerade im Kontrast zu deinen anderen Geschichten, die zwingend den Tod behandeln (z.B. "Die letzten Sonnenstrahlen"), nimmst du dir damit ein wenig die Durchschlagskraft, weil man irgendwann mit dem Gefühl an deine Geschichten herangeht, dass am Ende die Figuren sowieso sterben werden. Egal, wie der Aufbau bis dahin ist. In dem Fall nimmst du dir die Möglichkeit, auch mit Lesererwartungen zu spielen.

Abschließende Gedanken

Ja, wir kommen hier tatsächlich schon zum Fazit. Das hat einerseits damit zu tun, dass ich nicht viel anzumerken hatte, andererseits damit, dass die Geschichten im Allgemeinen kurz sind und somit einfach weniger Stoff bieten.

Mir gefällt dein sprachlicher Stil wirklich sehr gut, du hast ein großes Talent dafür, Emotionen einzufangen und festzuhalten. Insbesondere bei der Schilderung von selbstverletzendem Verhalten ist mir das aufgefallen, in positiver wie in negativer Weise. Dadurch nämlich, dass diese Szenen in mehreren Geschichten in Relation zu anderen Schilderungen so breit (wenn auch großartig) beschrieben sind, wird manchmal ein wenig der Eindruck des Zelebrierens erweckt, von dem ich mir nicht sicher bin, ob du ihn erreichen wolltest. Das ist keine Kritik in dem Sinne, aber du könntest es im Hinterkopf behalten.

Das wäre es an der Stelle auch schon von meiner Seite. Wenn euch Kurzgeschichten gefallen, die sich auch mit härteren Themen auseinandersetzen, sind die Geschichten von Magisch_Mia absolut zu empfehlen.

BewertungsbuchWhere stories live. Discover now