Mia: "Die Wege der Zeit" von Dorotet

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Hallo und herzlich Willkommen zu dem Feedback zu "Die Wege der Zeit" von Dorotet. Wir begeben uns heute in die Welt der Fanfictions, genauer gesagt in die von Marvels Captain America.

Wir begleiten dabei die Ärztin Stella, die kurzfristig einem gewissen Steve Rogers ein Zuhause bietet, nachdem dieser unter mysteriösen Umständen aufgetaucht ist. Sie wird in der Zeit immer wieder von eigenartigen Träumen heimgesucht, in denen New York angegriffen wird.

Was mir an der Geschichte sehr gut gefällt, ist das Feingefühl, mit dem die Figuren charakterisiert werden. Ich und meine Mitfeedbacker beschweren uns oft genug über einen Mangel an Show don't Tell - wenn jemand auf der Suche nach einer gelungenen Umsetzung davon ist, kann ich "Die Wege der Zeit" nur empfehlen. Das Lob erstreckt sich hierbei sowohl auf die Hauptfiguren Stella und Steve als auch auf die Nebenfiguren, die genau so mit ihren kleinen Eigenarten, Vorlieben und Freizeitbeschäftigungen eingeführt werden, dass sie greifbar und wiedererkennbar werden.

Ich würde mir gerne kurz die Zeit nehmen, an einem Beispiel genauer darauf einzugehen, warum ich das so gelungen finde, weil neulich in den Kommentaren die Diskussion aufkam, ob die Kritik am Show don't Tell nicht irgendwie ein Kritikpunkt ist, den man immer anbringen kann. Und vielleicht kannst du, Dorotet, ja dann auch besser nachvollziehen, woher meine Einschätzung kommt.

Ganz am Anfang beispielsweise sitzen Stella und ihr Mann Michael gemeinsam im Auto. Er singt lauthals bei einem Lied im Radio mit und versucht seine Frau dazu zu animieren, mitzusingen. Sie allerdings brütet über einem Krankenhausschichtplan, über den die beiden dann ins Gespräch kommen. Für mich funktioniert dieses Show don't Tell so gut, weil mir niemand sagen muss, dass Michael eine ausgelassene Seite hat und Stella gewissenhaft ist oder dass die beiden eine gut funktionierende Beziehung haben. Alles das geht sehr schön aus der ersten Szene hervor.

Also wirklich ein großes Gut Gemacht an der Stelle!

Jetzt würde ich aber auch gerne schon zu einem etwas größeren Kritikpunkt übergehen, für den auszudifferenzieren ich wahrscheinlich etwas Zeit brauche, aber: Ich habe mich ehrlich gesagt beim Lesen gelangweilt. Und leider nicht nur ein bisschen.

Das ist natürlich erst einmal eine weit gefasste Feststellung und man könnte mit einem gewissen Recht dagegen sagen: Ja gut, jeder hat nun einmal unterschiedliche Geschmäcker, jedem gefällt etwas Anderes. Der Meinung bin ich grundsätzlich auch. Ich finde aber trotzdem, dass man analysieren kann, warum etwas tendenziell für mehr Leute langweilig ist als für andere.

Bei "Die Wege der Zeit" hatte ich das Problem, dass zu wenig passiert ist. Gründlich gelesen habe ich den Prolog und fünfzehn darauf folgende Kapitel. Was in diesem Abschnitt passiert, lässt sich zusammenfassen als "Steve kommt an, Steve zieht bei Stella ein, Stella hat seltsame Träume, Steve zieht bei Stella wieder aus". Das ist jetzt natürlich eine etwas überspitzte Zusammenfassung, aber letztendlich ist das der Kern. Gleichzeitig geht das natürlich einher mit einer sehr ausgefeilten Charakterisierung (wie oben ja gelobt) und einem sehr detailreichen sozialen Umfeld von Stella, das ich erst einmal schön finde.

Aber an irgendeinem Punkt hätte ich mir gewünscht, dass nicht ein weiterer Verwandter auftritt und nicht an noch einem Parfüm gerochen wird, sondern irgendeine Art von Entwicklung stattfindet. Das ist der erste Punkt, über den ich sprechen möchte: Entwicklung. Geschichten leben davon, dass sich etwas entwickelt. Eine Handlung, eine Figur oder ein Setting. In deiner Geschichte bleibt es über zehn Kapitel aber weitgehend gleich und im Alltag der Figuren verankert. Da schweift man als Leser schneller ab.

Es gibt eine Leitlinie beim Schreiben, die heißt "Jede Szene, jeder Satz muss die Geschichte voranbringen. Ist das nicht der Fall, gehört der Satz oder die Szene gestrichen". Ich stimme dem nicht unbedingt zu, aber der Richtung, in die er geht, schon. Von daher wäre auch mein Tipp an dich: Geh deine Geschichte noch einmal durch und stell dir genau diese Frage: Warum ist diese Szene hier, was will ich damit erreichen? Was ist danach anders als vorher? Wenn du keine Antwort hast, wäre es vielleicht wirklich eine Überlegung wert, sie zu streichen.

Der zweite Punkt, über den ich gerne reden möchte, wäre Foreshadowing (oder Vorausdeutung? Ich weiß ehrlicherweise nicht wirklich, was der deutsche Begriff ist.). Foreshadowing bedeutet, in der Geschichte darauf hinzuweisen, was passieren wird - aber ohne dass Leser es zwingend bemerken. Was das Foreshadowing aber erreicht, ist, dass die Spannung erhöht wird, es wird sozusagen künstlich das Gefühl erzeugt, es könnte jeden Augenblick etwas passieren. Oder es deutet schlicht darauf hin, dass sich hinter den Kulissen ein Sturm zusammenbraut.

Ein Stück weit wendest du genau diese Technik bei Stellas Träumen an, hier ahnt man, dass das Visionen sind oder zumindest in dieser Richtung noch etwas passieren wird. Aber dann machst du nichts damit, in den 15 Kapiteln (und das 20. habe ich auch noch gelesen) bringst du die Entwicklung hier kaum voran, auch wenn die Träume häufiger werden. Das führt dann wiederum etwas zu Ermüdungserscheinungen führt - zumindest bei mir, für andere kann ich hier letzten Endes natürlich nicht sprechen.

Wenn das Foreshadowing aber gelingt, dann kann man auch sehr langsam erzählen, dann ist es kein Problem, 20 Kapitel im Alltag einer Figur zu verbringen, weil sich durchgehend das Gefühl hält, dass es mit dieser Idylle sehr bald sehr gründlich vorbei sein wird.

Von daher wären das meine zwei Tipps: Überprüfe noch einmal, wohin du mit deiner Geschichte willst und straffe die Erzählung bis dahin etwas. Und wo sich etwas nicht kürzen lässt, füll die "langweiligen" Szenen mit dem Gefühl aus, dass das kein Zustand von Dauer ist.

Was ich aber noch loben möchte, ist deine Rechtschreibung und dein Schreibstil. Mir sind kaum Fehler aufgefallen und deine Dialoge sowie die einzelnen Handlungen lesen sich flüssig und authentisch. Keinerlei Beschwerden also auf dieser Seite.

Zusammenfassend wäre für mich also zu sagen: Das Handwerkzeug hast du. Du kannst glaubhafte Charaktere erschaffen und sie in die Geschichte einfließen lassen und deine Erzählung ist angenehm zu lesen. Jetzt müsste meines Erachtens nur noch die Handlung etwas in Form gepresst werden.

Vielleicht kennt ja jemand von euch Dorotets Werk oder hat zu den "theoretischen" Ausführungen noch etwas hinzuzufügen? Oder vielleicht ist jemand bei einem Punkt ganz anderer Meinung? Ich freu mich immer, von allen zu hören.

Bis zum nächsten Mal :)



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