Mia: "Serendipity" von memorynymph

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Hallo zusammen und willkommen. Lasst euch heute doch mitreißen in die Welt der Jugend-Bandgeschichten (keine Fanfiction!), hier und heute entworfen von memorynymph.

Wer des Öfteren Bewertungsbücher verfolgt, ist an der einen oder der anderen Stelle vielleicht schon einmal über eine Bewertung und/oder Rezension von "Serendipity" gestoßen - oder hat selbst eine geschrieben. Ich fände es superspannend, in den Austausch zu kommen, wo wir uns einig sind und wo sich unsere Meinungen auch unterscheiden, gerne auch von dir selbst, memorynymph.

Das erste Thema, über das ich gerne sprechen würde, wären die Charaktere. Ich denke, vieles davon weißt du auch schon selbst, aber hier hast du eine ganz große Stärke. Man merkt, wie viele Gedanken du dir gemacht hast. Jede deiner Figuren ist unglaublich dreidimensional gestaltet, hat ihr Auftreten, ihre Sorgen und kleinen Dinge, die sie ausmachen. Jede Figur hat ein Hobby. Niemand ist nur "gut" oder nur "böse". Das hast du toll ausgestaltet und es lässt einen als Leser unglaublich mit deinen Figuren fühlen. Insbesondere bei Daphne, die von außen vielleicht als die stereotype Zicke gewertet werden könnte, gelingt dir dieser Spagat.

Sie alle sind mir im Laufe deiner Geschichte (wie üblich habe ich so paarundzwanzig Kapitel gelesen) schon wirklich ans Herz gewachsen. Ich bin gespannt, wie und ob sich die Beziehung zwischen Nathan und Nylah entwickelt. Ich möchte wirklich unbedingt wissen, was mit Kol passiert ist. Da steckt irgendein Drama dahinter und ich würde es wirklich gerne gelüftet sehen. Ich möchte, dass Daphne endlich ihr blödes Studium schmeißt und wieder zu derjenigen zurückfindet, die sie wohl einmal war. In dieser Hinsicht hast du deine Figuren toll entwickelt. Dadurch, dass man so gut sehen kann, wo sie ihre Macken haben und was ihnen in ihrem Leben fehlt, möchte man, dass sie hier eine Besserung erreichen können.

Und jetzt meckern auf sehr hohem Niveau: Ich finde, stellenweise (!) rutschst du zu sehr in das ursprüngliche Muster ab, was deine Figuren ursprünglich einmal abdecken sollten. Daphne ist zickig. Reece ist verschlossen und redet nicht gerne über seine Gefühle. Nylah trauert ihrer Beziehung mit Kol hinterher. Das sind alles gute Charakteransätze und du zeigst auch immer wieder, dass du deutlich über sie hinausgedacht hast. Teilweise weist du aber einen Hauch zu oft darauf zurück, was ihnen dann etwas von der Tiefe nimmt, die du eigentlich so schön etabliert hast. 

Was dir bei der Erschaffung dieser Tiefe zugute kommt, ist deine auktoriale Erzählweise. Du nimmst dir als Erzähler die Freiheit, in die Gedankengänge aller deiner Figuren hineinschauen zu können, und nutzt diese verschiedenen Perspektiven auch. Dabei tappst du nicht in die berühmte Falle, dadurch jegliche Spannung flötengehen zu lassen, weil du es auch schaffst, an den entsprechenden Stellen einen Cut zu setzen und deine Leser dann doch einmal metaphorisch hängen zu lassen - auf die positive Art und Weise.

Stellenweise und insbesondere am Anfang muss ich aber gestehen, dass mir diese Wechsel zu schnell gingen. Du musst bedenken, dass du deine Charaktere am Anfang zwar alle schon kennst, deine Leser aber nicht. Und wenn du dann so etwa alle fünf Sätze den Perspektivencharakter wechselst, hat man nicht die Zeit, bei deinen Figuren anzukommen. Das gelingt dann erst später, als man sie alle etwas näher kennenlernt oder wenn sie ihre Soloauftritte bekommen. Von daher wäre da mein vorsichtiger Hinweis: Lass dir am Anfang etwas mehr Zeit. Nur ein kleines bisschen, aber dann lässt du deinen Lesern etwas mehr Zeit zum Durchatmen.

Jetzt komme ich aber zu dem Punkt, über den ich in kritischer Hinsicht am ausführlichsten sprechen möchte: das geliebte Thema "Show don't Tell". Oben habe ich so sehr lobend herausgehoben, wie viel Tiefe deine Charaktere haben und wie schön das ist. Aber hier hätte ich doch eine kleine Einschränkung. Lass dir mehr Zeit dabei, deinen Lesern diese Tiefe zu zeigen und vor allem: Benenne sie nicht so klar. Du charakterisierst insbesondere am Anfang sehr viel direkt und erzählst auch viel an Stellen, die auch mit Andeutungen gut funktionieren würden.

So zum Beispiel über Ewan: "Bei Diskussionen war meist er es, der einen kühlen Kopf bewahrte, während Reece und Nylah öfter mal aneinander gerieten."

Die Ergänzung/Erklärung hätte es für mich an der Stelle gar nicht gebraucht. Es wird auch so klar und im Folgenden kannst du das noch vertiefen, welche Stellung Ewan in dieser Hinsicht in der Band einnimmt. Das muss nicht jedes Mal so benannt werden, da darfst du deinen Lesern vertrauen.

Ich verwende ab jetzt vorrangig Stellen aus dem Prolog, einfach, weil genau da ja viel etabliert werden muss und nicht viel Kontext da sein muss, um zu verstehen, worum es geht. So schreibst du beispielsweise:

"Nylah und Kol waren fünf Jahre ein Paar gewesen und alle aus ihrem Umfeld hatten eigentlich geglaubt, dass es die große Liebe gewesen wäre. Die Trennung war dann ziemlich plötzlich gekommen und machte nicht nur Nylah das Leben schwer."

Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich wahrscheinlich diesen kompletten Absatz aus dem Prolog streichen. Natürlich muss im Prolog Kols Name fallen, natürlich sollte etabliert werden, dass es für die Band nicht leicht ist, die Bassistenstelle zu besetzen, sowohl aus emotionalen wie auch aus fachlichen Gründen. Aber eine ganze Hintergrundgeschichte braucht es an der Stelle noch gar nicht - du hast weiter hinten jede Menge Gelegenheit, diesen Hintergrund zu klären. Und wenn du ein kleines Mysterium daraus machst, sind Leser noch viel mehr an ihr interessiert.

Gleiches habe ich übrigens auch gedacht, als Nylahs Band Serendipity (SPOILER ANFANG) das Vorstellungsgespräch bei dem Plattenlabel hat. Als der schmierige Typ dann anfängt mit " ... und dass die Lieder gegebenenfalls angepasst werden nach unseren Wünschen." ist natürlich klar, was Sache ist. An sich finde ich diesen Plotpoint gelungen und schön dargestellt. Aber wenn du den Typen verklausulierter und beschönigender ausdrücken lässt, was er sich eigentlich vorstellt, erzeugst du mehr Spannung, weil mehr von Lesern und Figuren gleichermaßen zwischen den Zeilen gelesen werden muss (SPOILER ENDE).

Was an Geschichten interessiert, sind die Geheimnisse, die Dinge, die nicht ausgesprochen werden. Das können sich langsam entwickelnde Gefühle sein, dass können mysteriöse Verschwinden sein, aber alles, was direkt angesprochen wird, läuft Gefahr, ins Langweilige abzudriften.

Dazu aber ganz klar gesagt: Nicht deine ganze Geschichte ist so. Ich möchte klar herausheben, dass du diese Hintergründe häufig geschickt auf- und einbaust. Es gibt nur vereinzelte Punkte, wo du für mein Empfinden noch einige Gelegenheiten verschenkst.

Ein bisschen würde ich gerne aber noch bei dem Thema "Show don't Tell" bleiben, aber dieses Mal auf sprachlicher Ebene. Folgende zwei Sätze, jeweils aus dem Prolog:

"Es war ein junges Mädchen, dem man die Nervosität deutlich ansehen konnte."

"Seine nach unten zeigenden Mundwinkel ließen deutlich erkennen, wie wenig Lust er auf die Sache noch hatte."

Hat jemand Lust, ein bisschen zu quizzen? Dann, bevor ihr den nächsten Absatz lest: Warum gefällt mir ein Satz davon gut und einer nicht ganz so sehr?

Die Antwort ist, dass der zweite Satz sehr schön zeigt ("showt"), was Ewan in dem Moment sieht. Er beschreibt eine konkrete Mimik, die vor dem inneren Auge visualisiert werden kann. Das ist bei dem ersten Satz nicht der Fall. Gut, ich weiß, das Mädchen ist nervös, das wurde mir gesagt ("getellt"). Aber woran sehe ich das? Verknotet sie die Hände, tritt sie von einem Fuß auf den anderen, schwitzt sie? Das sind die Dinge, die eine Beschreibung wirklich greifbar machen. Zur Orientierung, ob du tellst oder showst, bietet es sich übrigens häufig an, auf Wörter wie "hatte" oder "war" zu achten, die sind oft Hinweise darauf, in welcher Richtung du dich gerade eher bewegst. Aber auch hier gilt natürlich immer: Das sind keine absoluten Wahrheiten, die ich hier von mir gebe. Jede Geschichte braucht auch etwas Telling, sonst gäbe es nur noch 1000-Seiten-Romane. Es ist mehr eine ... Richtlinie.

Jetzt nähern wir uns dem Ende dieses Feedbacks, aber ich hätte noch so ein zwei Minipunkte, die ich loswerden möchte: Ewan und Lexi sind das niedlichste Paar aller Zeiten. Ich will wissen, was mit Kol passiert ist! Deine Gesprächsgestaltung ist super authentisch und deine Dialoge lesen sich überhaupt nicht gestelzt. Der Titel ist toll gewählt. Das, was ich kritisch angemerkt habe, ist meckern auf hohem Niveau. Deine Geschichte ist schon auf einem sehr guten Weg und ich kann für alle, die sich in dem Genre wohlfühlen, nur eine Leseempfehlung aussprechen.

Alles weitere dann gerne in die Kommentare, ich freue mich!

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