Juliana: "Souls" von Leezetera

129 26 35
                                    

Willkommen zu der Bewertung von Leezeteras Geschichte "Souls", einer Kurzgeschichtensammlung rund um den Wald Ende des 19. Jahrhunderts, dessen Bewohner und diejenigen, die es wagen oder dazu gezwungen werden, mit ihnen eine Bindung einzugehen.

Um direkt auf meinen ersten Kritikpunkt einzugehen: Für mich funktioniert nämlich tatsächlich eine der Kurzgeschichten nicht. Aber um zu erklären, warum das so ist, muss ich ein bisschen ausholen und erklären, warum das bei den restlichen anders aussieht.

Du erzählst vergleichsweise emotionsarm, aber nicht auf die Art und Weise, dass es fehlen würde. Was ich meine, ist, dass das fehlt, was in vielen Geschichten beispielsweise bei zentralen Charakterentwicklungen beschrieben wird: Große Ausbrüche, großer Streit, großes Drama, was die Figuren erleben. Stattdessen erzählst du eher still, eher im Kleinen. Und das funktioniert hervorragend. Gerade deswegen sind meine Lieblingsgeschichten aus deiner Sammlung "Wolf", "Crow" und "Firefly". Ich habe die vorsichtige Verbindung zwischen deiner Hauptfigur und der Wolfsmutter in "Wolf" geliebt, die Freundschaft, die zwischen der Krähe und Arthur in "Crow" entsteht und die Entwicklung, die das Glühwürmchen in "Firefly" ausmacht. Auch "Fox" ist in dieser Hinsicht gut gelungen.

Trotz oder gerade wegen dieser Eigenart deiner Erzählweise berühren deine Geschichten und trotzdem tauchst du tief in menschliche (ja, trotz allem immer irgendwie menschliche) Emotionen ein. Das habe ich insbesondere gegen Ende von "Fox" gedacht, als Benno und seine Mutter darum kämpfen, irgendwie wieder miteinander reden zu können und dann doch scheitern. Oder eben in den Szenen in "Wolf", wo immer mehr klar wird, dass die Mutter nicht bleiben können wird. Du hast eine eher stille Art, Emotionen zu erzeugen, und vielleicht greifen sie gerade deswegen so tief.

Aus dem gleichen Grund muss ich aber auch sagen, dass "Squirrel" für mein Empfinden am Ziel vorbeigeschossen ist. Denn hier ist von dieser stillen, manchmal vielleicht etwas melancholischen Atmosphäre nicht viel geblieben. Dass ein Eichhörnchen gerne von einem Menschen lernen möchte, weniger Angst zu haben, ist einerseits eine niedliche Idee, aber sie passt vom Ton her nicht in den Stil, den du bis dahin gewählt hast.

Der zweite Punkt, warum diese Geschichte für mich hinter den anderen zurückbleibt, ist, dass das Thema "Wir sollten den Wald nicht abholzen" zu plakativ auf aktuelle Diskussionen und Thematiken Bezug nimmt. Hier definitiv zur Relativierung gesagt: Natürlich ist es dabei immer noch in deine Welt und die handelnden Charaktere eingebettet und hier ist der Wald essenziell und insbesondere der Baum, den der Vater abzuholzen versucht. Beides ist zentral mit der Geschichte verbunden. Und du beleuchtest auch schön den Zwiespalt, den er eigentlich empfindet.

Trotzdem wirkt diese Geschichte thematisch leicht aus dem Kontext gerissen, die Themen sind kindlicher und direkter aufgearbeitet, gerade im Kontrast zu dem, was du davor erzählt hast.

Ähnlich habe ich am Ende von "Robin" empfunden, wenn auch deutlich weniger stark ausgeprägt. (SPOILER ANFANG) Die Entdeckung, dass das Rotkehlchen und seine Freundin in Wirklichkeit Schwestern sind, hat mich definitiv überrascht, ich habe es als stimmig empfunden und auch worldbuildingtechnisch hattest du es gut eingefügt. (SPOILER ENDE) Aber auch hier hatte ich wieder das Gefühl, dass es vom Ton her nicht vollständig zu deinen anderen Geschichten passt, dafür war es mir vielleicht ein Zuviel an Plottwist. Hier gab es kein ruhiges Auslaufen, keinen bittersüßen Nachgeschmack oder eine melancholisch unbeantwortete Frage, wie du das beispielsweise am Ende von "Crow" oder von "Fox" umsetzt, sondern stattdessen diese Wendung. Die ich trotz allem in jeder anderen Geschichte wahrscheinlich gelobt hätte, das sei klar dazu gesagt.

Allerdings habe ich auch die Kommentare unter deiner Geschichte gelesen und da sehen das offenkundig einige Leute anders als ich. Von daher ist hier meine Ansicht, wie auch sonst immer, mit einer gewissen Prise an Vorsicht zu genießen.

Davon abgesehen: Du hast dir ja gewünscht, dass ich auch auf Logikfehler achte. Und ich muss ehrlicherweise sagen, ich habe keine gefunden. Aber Achtung, das Lob ist nicht ganz so groß, wie es gerade klingt, auch wenn es selbstverständlich immer noch ein Lob ist.

Du erzählst die Geschichten in Souls nicht auf eine Art und Weise, die besonders logikgetrieben ist, anders, als das beispielsweise bei einem Krimi der Fall wäre. Du erzählst immer mit einem Hauch an Mystik, deine Geschichten haben häufig etwas Märchenhaftes. Eine genaue Erläuterung von "Das funktioniert so, weil XY" oder "Er trifft diese Entscheidung jetzt genau deswegen" wäre hier vielmehr deplatziert. Von daher finde ich es vollkommen in Ordnung, dass hier einige Fragen offenbleiben, dass man als Leser beispielsweise letzten Endes nie wirklich erfährt, wie die Magie funktioniert, warum der Baum dafür wirklich essenziell ist und welche Fähigkeiten damit verbunden wird. Wichtig wäre hier glaube ich nur, dass du dir dem bewusst bist, und, solltest du dich einmal dazu entscheiden, etwas in einem anderen Genre zu schreiben, dass du dann wieder neu entscheidest, ob hier die logischen Antriebe oder Schlussfolgerungen vielleicht wichtiger sind.

Was ich jetzt noch einmal lobend hervorheben möchte: Deine Kurzgeschichtensammlung besticht auch dadurch, dass es doch kleine Verbindungen zwischen ihnen gibt. Ja, man kann sie als verschiedene Geschichten mit thematischen Gemeinsamkeiten lesen, die grob in der gleichen Zeit angesiedelt sind. Aber man kann sich auch tiefer in deine Erzählungen eingraben und die feinen Fäden suchen, die sie dann doch miteinander verbinden. Trotzdem bleiben es immer nur Fäden. Und das möchte ich wirklich noch einmal betonen: Das ist eine Kunst. Du wirst immer Leser finden, die es lieben, nach solchen Verbindungen zu suchen, und solche, die es einfach überlesen. Beide anzusprechen ist nicht leicht und wäre ich Dylan, würde ich meinen virtuellen Hut vor dir ziehen. So gebe ich dir nur ein großes Gut Gemacht mit.

Und an der Stelle komme ich auch schon zum Ende. Es hat mir unglaubliche Freude bereitet, "Souls" zu lesen, die Geschichten haben mich sehr berührt. Die Kurzgeschichten berühren, sind wunderschön gestaltet und regen zum Nachdenken an. Ich kann es jedem nur empfehlen, einmal bei Leezetera vorbeizuschauen und sich selbst davon zu überzeugen. Was ich hier angemerkt habe, ist Meckern auf allerhöchstem Niveau.

Alles Weitere ist wahrscheinlich mittlerweile bekannt. Ich freue mich über jeden Kommentar, jeden Gedanken und jeden Austausch mit euch - und Leezetera wahrscheinlich ebenso.

 

BewertungsbuchTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon