Dylan: "Unstern unter der Sonne" von Weenaz

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Heute geht es in das Reich der Sagen und Legenden, ins alte Griechenland und die Erlebnisse von Asterios, erzählt von Weenaz.

Als früherer begeisterter Leser der Percy-Jackson-Reihe freue ich mich immer wieder, in die Welt der griechischen Sagen zurückzukehren, und wenn sie dann noch neu interpretiert werden, ist für mich der Spaß eigentlich vorprogrammiert. Genauso ging es mir auch hier und meine Erwartung wurde nicht enttäuscht. Und ich muss an der Stelle sagen: Es tut mir leid alle zusammen, ich muss ein bisschen spoilern, sonst macht diese ganze Kritik hier keinen Sinn. Wer das um jeden Preis vermeiden will ... nun, demjenigen winke ich an dieser Stelle traurig hinterher und hoffe, ihn oder sie in der nächsten Bewertung wiederzusehen.

Asterios, auch Unstern genannt, ist nämlich ein Minotaurus. Ein Minotaurus? Nicht ganz richtig. Asterios ist der Minotaurus, und wie das auch in der griechischen Mythologie der Fall ist, ist er in einem Labyrinth eingesperrt. Ganz viele Türen und kein Weg nach draußen, also ich wäre schon lange wahnsinnig geworden. Gut, dass Asterios da ein höheres Durchhaltevermögen hat, denn er ist so ziemlich die liebenswürdigste Darstellung des Minotaurus, die ich bisher gelesen habe. Und das meine ich ganz ernst, die Idee, ein angebliches Monster auf den eindringenden Helden erst einmal mit "Warum willst du mich eigentlich töten?" reagieren zu lassen, ist etwas, das ich noch nicht oft gelesen habe, das mir aber sehr gefallen hat.

Als sich dann nach und nach herausgestellt hat, dass Asterios eingesperrt ist, weil er ist wie er ist und so nicht länger erwünscht war ... da ist mein Leserherz ein ganz kleines bisschen gebrochen. Mir hat sehr gefallen, wie du diese Geschichte aufgelockert, aber nicht geschönt präsentiert hast und das mit einem kleinen philosophischen Ausflug (Warum eigentlich Un-?) abgerundet hast. Ich habe mich mit Asterios gefreut, als Thess ihn aus dem Labyrinth befreit hat und habe ihn angefeuert, als er seinem Vater gegenübergetreten ist. Du hast in dieser Hinsicht also für mein Empfinden alles richtig gemacht. Bin ich ganz großer Vertreter des Teams Asterios? Möglicherweise. Heißt: ja. Sehr.

Als nächstes würde ich gerne auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen: die Struktur. Du hast mir hier und auch auf Nachfrage unter anderem gesagt, dass du mal (oder mehrfach?) das Feedback bekommen hast "So schreibt man keine Fantasy". Und da du dich nun einmal für diesen Feedbacktypen entschieden hast, kann ich jetzt noch entschiedener sagen: Was für ein Bullshit. (Wer hier den Minotaurus-Witz erkennt, bekommt fünfzig Gummipunkte.)

Aber hinter meiner Blödelei meine ich das tatsächlich ziemlich ernst. Ich halte nichts davon, Genres in feste Regeln zu zwängen - klar, wenn du dich entscheidest, einen ganz bestimmten Stil oder ein Vorzeigeexemplar eines Genres zu schreiben, dann musst du dich damit auseinandersetzen (ich wurde letztens grundlegend in  WuXia und XianXia eingeführt und mir raucht immer noch der Kopf). Aber und jetzt kommt das ganz große Aber: Wenn du das nicht möchtest, dann tu es nicht. Ist doch völlig egal. Wenn du dein eigenes Ding machen willst, dann mach dein eigenes Ding. So. Jetzt ist das raus.

Und jetzt kommt meine Kehrtwende: Ich finde durchaus, dass du auch eine bekannte Struktur verwendest, und zwar die episodische. Wir haben eine "Pilotfolge" mit Asterios im Labyrinth, eine Episode, die ich gerne mit "Asterios und die Helden (?)" betiteln würde, gefolgt von "Asterios unter der Sonne", "Asterios und Daidalos" und "Asterios und Minos". Entschuldigt meine geringe Titelgebekompetenz, aber ich denke, mein Punkt kommt rüber. Das ist eine Struktur und es ist eine Struktur, die für deine Geschichte exzellent funktioniert. Ich habe jede Episode mit viel Freude verfolgt und war gespannt, wohin die Reise als nächstes geht. Also, wann immer dir das nächste Mal jemand sagt, dass man so keine Fantasy schreibt: Bullshit.

Jetzt gibt es aber nicht nur Lob von mir, das wäre ja langweilig und ich würde meine Versprechen für ausgeglichene Kritik nicht erfüllen. Tatsächlich würde ich ein paar deiner bisherigen Kritiken in zwei Punkten zustimmen: Deine Charaktere könnten mehr Tiefe vertragen und du neigst dazu, zu viele Nebeninformationen zu geben.

Aber eins nach dem anderen. Mit wem war Minos in seiner Kindheit noch gleich zusammen? Es waren drei Kinder, das weiß ich, aber ich kann mich an ihre Namen und ihre verschiedenen Auftretensweisen nicht mehr erinnern. Natürlich könnte ich das jetzt nachschauen gehen, würde ich normalerweise in so einem Fall auch, aber zur Verdeutlichung meines Punktes tue ich es nicht. Das sei nämlich gesagt: Ich habe mich gemeinsam mit Asterios gefreut, als er seine Kindheitsfreunde wiedergesehen hat, aber auseinanderhalten kann ich sie partout nicht. Oh, mit einer Ausnahme: Der, der den Honigtopf überlebt hat. Vorrangig wegen dieser Geschichte. Und ich erinnere mich auch daran, dass sie alle drei unterschiedliche Spitznamen für Asterios hatten, eine ebenfalls schöne Idee. Aber wenn du dich noch einmal mit ihnen auseinandersetzen möchtest, würde ich dir stark empfehlen, dir selbst noch einmal klarzumachen, wie sie sich tatsächlich unterscheiden, was den einen oder die andere ausmacht und wie man das in ihrem Verhalten und ihrer Sprechweise erkennen kann. Ich möchte keine begleitende Masse, ich möchte handelnde Figuren, dammit.

Denn das sei ebenfalls gesagt: Ich finde eigentlich nicht, dass sich diese Schwäche auch auf Asterios erstreckt. Ihn hast du schön eingefangen, vielleicht, weil er der p.o.v.-Charakter ist (entschuldige und entschuldigt, ich musste das böse Wort jetzt auspacken), vielelicht, weil ich am Anfang mehr Zeit mit ihm verbracht habe. Du kannst es also!

Sooo, und was habe ich für ein Problem mit Nebeninformationen? Ich habe mich in einer anderen Kritik doch beschwert, dass mir die Nebeninformationen, da als Glitzer betitelt, fehlen. Wieso will ich sie hier jetzt auf einmal nicht mehr haben? Bevor ich auf diese Fragen antworte, die sich bestimmt alle (auch bekannt als niemand) von euch gestellt hat, sei eine Einschränkung zu machen: Ich weiß, dass die griechische Mythologie suuuuuuuper umfangreich ist und ich habe echt gar keinen Plan, wer da mit wem was ... naja, ihr könnt es euch vorstellen. 

Aber jetzt kommt die große Einschränkung: Ich möchte das auch gar nicht alles wissen. Ja, woher Asterios alias der Minotaurus kommt, sehe ich als wichtig für deine Geschichte an. Die ganzen Hintergründe mit Titanen und Halbgöttern und nicht-ganz-so-Göttern und unterschiedlichen Bettgeschichten ... ehrlich gesagt habe ich diese Stellen an einem gewissen Punkt eher überflogen und sehr schnell wieder vergessen. Und mann, ich bewundere dich dafür, dass du das alles weißt. Aber ich würde dir stark empfehlen, nicht alles davon auch deinen Lesern zu präsentieren - wenn es nicht wichtig für die Geschichte ist.

Aber ich bezweifle an der Stelle einfach einmal, dass Asterios und Freunde irgendwann einen Geschichtstest ablegen müssen. Und wenn doch - auch dann möchte ich die Information anders präsentiert bekommen anstatt in einem langen Erzähler-Monolog über gefühlt zwei Kapitel.

Jetzt sind wir beinahe durch und ich muss noch eine Sache mit euch teilen, nein, sogar zwei. Nämlich meine beiden Lieblingszitate aus der ganzen Erzählung. Weil ... kommt schon, die sind großartig.

Einmal aus dem Kapitel "Un-":

"Sie nennen mich Unmensch, Untier, Ungeuer, Unhold und was es noch alles mit Un- gibt. Und damit beschreiben sie mich eigentlich sehr gut. Ich glaube, ich war immer schon Un-. Mit dieser Vorsilbe benennt man nur, was jemand nicht ist. Und das scheint der Kern meines Selbst zu sein. Ich bin NICHT."

Und das absolute Kontrastprogramm in einem Kapitel, das ich mir dummerweise nicht aufgeschrieben habe:

"Warum hast du so riesige Hörner am Kopf" - "Weil sie an den Füßen komisch aussehen würden."

Na, Interesse bekommen, bei Weenaz einmal vorbeizuschauen? Ich könnte es euch nicht verdenken.

Lass mich meine Gedanken noch einmal schnell zusammenfassen: Ich hatte wirklich Freude beim Lesen. Du schreibst leicht und gut leserlich, mich hast du förmlich durch die Kapitel gezogen, trotz der angemerkten Kritikpunkte. Eine Leseempfehlung? Gibt es von mir definitiv.

Und alle weiteren Diskussionen verlegen wir gerne - wie üblich - in die Kommentare.

BewertungsbuchWhere stories live. Discover now