3. Kapitel

22 6 2
                                    

Ich war heilfroh, als die Schelle zum Wochenende läutete.

Endlich zu Hause angekommen, setzte ich mich an meine Hausaufgaben für Geschichte, Englisch und Mathematik. Komischerweise ging es mir heute trotz Wochenende nicht so leicht von der Hand, sie schnell zu erledigen wie sonst immer. Zu viele Gedanken kreisten in meinem Kopf herum, weshalb ich mich kaum noch konzentrieren konnte. Da war immer noch diese enorme Wut über meine Schwestern.

Einmal, weil sie jeden verdammten Morgen, ohne auch nur mit dem Gedanken auf mich zu warten, einfach abhauten und allein zur Schule fuhren, sogar oftmals einen Bus früher nahmen, nur um mich nicht dabei zu haben, und mich dann auch noch so behandelten, als wäre ich unsichtbar. Hinzu kamen die unerträglichen Sprüche meiner Mitschüler. Sobald ich an sie dachte, rollten automatisch Tränen über meine Wangen und tropften in mein Heft hinein.

Meine Stimmung passte zum Wetter. Es war regnerisch und grau. Von dem schönen Sonnenwetter von heute Morgen war nichts mehr übrig. Am liebsten hätte ich das Mittagessen mit meiner Familie sausen lassen. Ich fühlte mich nicht gut und wollte sie nicht sehen, aber ich konnte die mitleidigen Blicke meiner Eltern nicht ertragen. Wenn sie dann noch begannen überfreundlich zu werden, nur damit ich mich ein bisschen besser fühlte, machte es die sowieso schon verzwickte Situation für mich noch viel schlimmer. Da spielte ich lieber wieder die Starke, der man nicht wehtun konnte.

Mum hatte ein leckeres Mittagessen aus Folienkartoffeln mit Remoulade und Rucolasalat gezaubert. Aus dem Augenwinkel erkannte ich zum Nachtisch ihre selbst gemachte Pfirsich-Creme. Ich aß das Essen mit Genuss und schenkte meinen Schwestern keinerlei Beachtung, was ihnen anscheinend noch nicht einmal auffiel.

»Ach, Mum? Carola kommt gleich noch vorbei«, informierte Mary sie zwischendurch und nahm einen Bissen von der Kartoffel.

»Achja? Wolltet ihr nicht auf die Geburtstagsparty von Hughs Bruder?«

Mary nickte. »Ja, aber ich muss noch etwas für ein Bioprojekt vorbereiten, was wir nächste Woche vorstellen müssen. Das Meiste haben wir in der Schule geschafft und wollten den Rest heute noch fertig kriegen.«

»Carola kommt ja eh heute Abend mit. Da passte das ganz gut«, fügte Amanda fröhlich hinzu und nahm galant einen Schluck von ihrer Limonade.

Mum nickte nur, ehe sie aufschaute. »Bio?«, hakte sie nochmals nach. »Kann euch eure Schwester dabei nicht ein bisschen behilflich sein? Sie könnte sicher noch ein bisschen was dazulernen!«

Perplex schaute ich auf, hinein in das euphorische Gesicht meiner Mutter. Wie konnte sie es wagen, die beiden einfach so, ohne mein Einverständnis zu fragen? Ich wollte sie ignorieren, nicht mich ihnen aufdrängen!

»Das finde ich auch eine prima Idee!«, pflichtete Dad ihr bei und fiel mir auch noch in den Rücken.

Amanda und Mary schauten sich zweifelnd an.

»Amelie, du kennst doch Carola. Sie ist doch die Schwester von Magdalena«, versuchte Mum sie weiter zu überreden und machte damit alles noch schlimmer.

Natürlich sah es für meine Schwestern nun so aus, als hätte ich Mum darum gebeten, sie für mich zu fragen, so als traute ich mich nicht selbst. Als müsste ich immer noch wie ein Kleinkind zu meiner Mommy rennen.

Mary zog die Stirn in Falten und kratzte mit ihren Nägeln über die Tischdecke. »Magdalena ist doch seit längerer Zeit nicht mehr so gut auf dich zu sprechen«, begann sie vorsichtig, dennoch gerissen, und schaute zu mir.

Ich senkte den Kopf und biss mir auf die Zunge.

»Was ist denn geschehen?«, wollte Mum wissen und wurde ernster.

Kerrinia - Anuras AufstiegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt