29. Kapitel

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»Und als ihr all die schlechten Geschichten über mich erfahren habt, war euch sofort klar, dass ihr mich umbringen wollt, damit ich keine weitere Gefahr mehr für die Bewohner von Kerrinia darstelle?« Delair schien vor Zorn zu kochen. Seine Fäuste waren geballt, seine Muskeln in Gesicht und am ganzen Körper angespannt. »Ihr dringt einfach so in mein Land, in mein Zuhause ein, um mich zu stürzen? Wirklich?« Irritiert schaute ich zu Amanda und Mary, die mich genauso fragend anschauten, wie ich mich fühlte. »Wo habt ihr dieses Benehmen gelehrt bekommen?«, fragte er beinahe fassungslos. »Habt ihr wenigstens einen guten Grund mich und mein Land zu stürzen? Vielleicht kann ich es ja dann verstehen.« Seine Mimik und Wortwahl irritierten mich.

Er wirkte auf mich fast traurig, so als würde auch er den perfekten Außenseiter verkörpern, den immer alle nur fallen sehen wollten.

»Es gibt tausend gute Gründe«, sprach Gin und alle schauten zu ihr.

Delair folgte unserem Blick und etwas Wissendes trat in sein Gesicht.

Unsicher huschten ihre Pupillen hin und her. Verschwunden war die große Kriegerin, für die sie sich immer verkauft hatte.

Er schwang seinen Umhang hinter sich her und lief vom Spielfeld.

»Zehn Minuten«, war das Einzige, was er dem hervorgetretenen Soldaten herüberrief, während er seine Hand leicht in die Luft hielt. Dieser nickte einmal und legte die Hände vor seine Hüfte.

»Was passiert jetzt?«, quiekte Amanda von Panik erfüllt.

Ihre Fingerspitzen lagen auf ihren vollen Lippen, der Glanz aus ihren Augen war verschwunden.

»Du bist an alledem schuld«, hauchte Mary, ohne Gin anzusehen.

»Hör auf allen andauernd die Schuld in die Schuhe zu schieben und selbst keinen einzigen Fehler einzusehen«, antwortete sie, jedoch nicht so rabiat, wie ich sie kannte. Sie wirkte verunsichert und ängstlich.

Nun schaute Mary sie entblößt an. »Das sagt ja die Richtige.«

»Miss Amelie, hätte nicht sagen dürfen, weshalb ihr überhaupt mitgekommen seid. Nun ist sein Hass endlos.«

»Sie hat doch aber recht. Und wenn ich ihn richtig verstanden hatte, wollte er uns von Anfang an töten.«

»Das kann gut sein, aber Miss Amelie nicht. Nun will er es. Bestimmt.«

Meine Schwestern sahen mich schockiert an, während ich nur wie eine versteinerte Statue vor ihnen stand und nichts mehr fühlen konnte.


Als ich ihn von Weitem entdeckte, zog sich mein Herz das erste Mal nach einer gefühlten Ewigkeit, die wir auf ihn gewartet hatten, auf schmerzhafte Art und Weise zusammen und nahm mir die Luft zum Atmen.

Er hatte seinen Umhang und den Helm weggelegt und marschierte nur noch in schwarzer Rüstung über sein Land. Die vielen, kleinen Locken auf seinem Kopf und die klaren blauen Augen, passten jedoch noch immer nicht, zu demjenigen, den er hier verkörperte.

Wenn ich mir ihn hätte vorstellen müssen, wäre mir wohl das Bild vom Zauberer Skeleton aus dem Märchen der Feuervogel in den Sinn gekommen, aber kein bildschöner Junge, der wie ein König aus einer anderen Zeit wirkte.

Mit hocherhobenem Finger kam er auf uns zu. »Vielleicht können die Einwohner und Sklaven von Darkbreshton fliehen, vielleicht sogar auch die eigene Frau, aber nicht ihr. Ihr bleibt hier, dann werdet ihr eben für die ganzen anderen, die wegliefen, büßen.«

»Der hatte eine Frau?«, fragte sich Amanda leise.

»Ruhe!«, brüllte einer der Soldaten und mir fiel ein, dass Gin ja erzählt hatte, dass sie über ein außerordentliches Gehör verfügten.

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now