7. Kapitel

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»Wenn du mich fragst ... mausetot.«

Stiefelsohlen knirschten über feinen Kies.

»Ich habe dich aber nicht gefragt.«

Ein selbstgefälliger Laut der einem ätzenden Lachen gleichkam.

»Trotzdem hast du dir meine Meinung anzuhören.«

Ein junger Mann seufzte, die andere Stimme sang beinahe.

»Das ist Zeitverschwendung. Geben wir den anderen bescheid, dass sie entsorgt werden können. Und dann sollten wir endlich mal auf diesem Fest auftauchen, um nicht erneut jeglichen Hohn auf uns zu ziehen.«

»Seit wann ist dir dein Ruf denn plötzlich wichtig?«, lachte der junge Mann.

»Seit ich dich kenne«, erwiderte die gackernde, speiende Stimme. »Und schließlich weißt du, was passiert, wenn man sich das Maul zu sehr über mich zerreißt.«

Die beiden lachten. Ohne aufzuhören, doch es wurde immer leiser. Und leiser. Irgendwann waren sie fort und der schwarze Sog kam erneut.

Ich riss die Augen auf und blinzelte, als ich nichts sehen konnte. Die Stille lag wie ein schwerer, heißer Atem auf meinem Brustkorb und machte die Szenerie noch beklommener als sie überhaupt schon war. Die Luft roch nach frischer Erde und gesägtem Holz, bis ein modriger Geruch aufstieg, der mir die Übelkeit in den Magen trieb.

Stöhnend drehte ich mich auf den Rücken und hievte mich mit schmerzenden Knochen auf. Mein Arm brannte schrecklich und meine Kehle benötigte dringend etwas Wasser.

Benommen schaute ich hinab auf das Blumenmal, als mir alles wieder einfiel.

Blutrotes Licht fiel auf meinen Körper hinab, als ich zum ersten Mal aufschaute. Schemenhafte Schatten ragten aus dem Boden empor und verdeckten das merkwürdige Strahlen an manchen Stellen.

Es waren Bäume, riesige Bäume, deren schwarze Stämme Horrorfiguren mit verkorksten Armen darstellten. Die restliche Umgebung war in ein dunkles Grün getaucht, so als hätte sich ein tiefes, gefährliches Moor um uns herum gebildet. Über dem unheimlich blutroten Licht tauchte ein weiteres auf. Erst leuchtete es wie ein greller Diamant, ehe es sich in einem warmen Topasglanz verwandelte. Es musste die Sonne gewesen sein.

Das Gefühl der Strahlen fühlte sich genauso wie zu Hause auf meiner Haut an. Das rote Licht ähnlich einer Herbstsonne direkt darunter, ließ die Baumstämme in bunten Farben erleuchten, als würde es sie in fröhliche Festtagskleider hüllen. Je mehr sich meine Augen daran gewöhnten, desto mehr erkannte ich den dichten Wald, in welchem wir uns befanden.

»Amanda, hey«, hörte ich Marys Stimme hinter mir sagen.

Ich wandte mich um und sah, dass Mary an Amandas Armen rüttelte. Auch sie wurde allmählich wach und setzte sich langsam auf.

Nun erst erkannte ich, dass wir uns auf einem etwa zwei Meter hohen Baumstamm befanden. Die alte Eiche mitsamt ihrer drei Sitzplätze war fort.

Und wir waren hier.

Doch wo waren wir bloß gelandet? Mein Blick wanderte hinab zu meinen Füßen. Ich trug keine Schuhe mehr und auch meine Schwestern waren barfuß.

»Wo sind unsere Schuhe hin?«, fragte Amanda, doch keiner antwortete ihr.

Derweil verwandelten die verschiedenen Lichter die schwarzen Stämme in braunes Holz und ihre rankenartigen Arme in Äste mit frischem Grün. Es war ein Schauspiel, dem man hätte noch lange zuschauen können, doch mit dem Licht kamen auch die Gestalten.

Plötzlich waren wir nicht mehr allein. Die Stille verschwand in dem Gröhlen der Abertausenden von Stimmen, die uns umgaben.

Mary schien das alles ganz und gar nicht zu gefallen. »Ach du scheiße.«

Kerrinia - Anuras AufstiegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt