4. Kapitel

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»Was um Gottes Willen ... ach du heilige ...«

»Das ... das ist doch nicht mehr ... Amelie? Amelie, bist du hier?«

»Ja.« Ich räusperte mich, da man meine kratzige Stimme kaum hörte. »Ich bin hier. Hinter dem Bücherregal.«

In Windeseile kam Amanda auf mich zu und half mir langsam hoch. Der Raum schien sich zu drehen. Ich war noch ganz benommen von dem lauten Knall, sodass es wild in meinen Ohren rauschte. Beinahe wie ein Wasserfall.

»Was hast du getan?«

Es waren erst Amandas vorwurfsvollen Worte, die mich wieder zurück zu ihnen brachte.

»Bist du jetzt völlig bescheuert geworden?« Fassungslos sah ich Mary an, die inmitten des Raumes stand und sich kopfschüttelnd umsah. »Wenn Mum und Dad das sehen ... du wirst fünf Jahre Hausarrest bekommen!«

Ich folgte ihrem Blick und traute meinen Augen kaum. Nun erst erblickte ich das Chaos, welches in meinem Zimmer herrschte. Der Boden bestand aus einem einzigen Scherbenmeer. Überall ragten kleine, spitze Glassplitter in die Luft und wurden somit zur unmittelbaren Gefahr für jeden Fuß. Mein Fenster war nichts anderes mehr, als eine Pforte für Verbrecherbanden, die ungehindert zu mir hätten hineinsteigen können. Es war nichts mehr da von einem Fenster, nur noch seine gefährlichen Überreste.

»Das ... das habe ich nicht getan!«, wehrte ich mich.

Da tauchte Carola hinter ihnen auf und spähte über Amandas Schulter. Ihr Blick war absolut niederschmetternd. In ihrem Gesicht lag so viel Abscheu und Hass mir gegenüber, dass mein Körper sich schlagartig verkrampfte.

»Ist schon gut.« Amanda kam auf mich zu. Ihr blondes wallendes Haar wehte mit ihr und verbreitete jedes Mal einen blumigen Duft.

»Was ist denn bitte hier passiert?«, fragte Carola mit ihrer fiesen, nasalen Stimme und beäugte den Boden mit einer hochgezogenen Braue.

Mary schien sich sichtlich unwohl in ihrer Haut zu fühlen und stammelte irgendetwas vor sich hin. Anscheinend hatte ich ihrer Meinung nach den ultimativen Peinlichkeitsstatus erreicht.

»Hast du ... vor lauter Zorn, weil Mary etwas übers Ziel hinausgeschossen ist, deine Fensterscheibe zertrümmert?«, fragte Amanda.

Ihre Art zu sprechen war immer sehr ruhig und besonnen. Ich hatte nie wirklich Streit mir ihr gehabt. Vielleicht lag es auch daran, dass sie zehn Minuten älter war als Mary. Trotzdem konnte ich mir diese absurde Unterstellung nicht auf die Nase binden lassen!

»Was unterstellst du mir denn da?« Hilfesuchend schaute ich mich um, traf jedoch nur auf abstoßende Blicke.

»Vielleicht damit«, vermutete Mary verzweifelt und hob meinen Pokal vom letzten Lesewettbewerb vom Boden auf. »Ziemlich schwer«, teilte sie mit als hätte sie den Fall bereits gelöst.

Ich schrie und hob einen der kleinen Splitter auf, um ihn danach wieder mit voller Wucht auf den Boden zu schleudern. »Ich habe mein Fenster nicht eingeschlagen!«

Amandas grünen Augen musterten mich unentwegt. Sie wollte mich testen, ob ich mich verunsichern ließ, oder ob ich gelogen hatte.

»Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst«, machte Mary weiter. »Wenn du es nicht warst, müsstest du dich doch nicht so wehren, oder Amanda?«

»Eigentlich nicht«, nuschelte sie, ohne den Blick von mir abzuwenden.

»Du bist echt schräg«, mischte sich nun auch Carola ein, die ihre dünnen Arme vor ihrem nicht vorhandenen Busen verschränkte.

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now