17. Kapitel

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Es war Nachmittag, die Sonne stand schon nicht mehr so hoch am Himmel wie noch vor zwei Stunden. Wir machten gerade eine Pause. Der Bach schien uns bis hierher gefolgt zu sein, da er immer noch neben dem Wald rauschte.

Ich hockte zusammen mit Mary und Amanda vor dem noch sauberen Wasser und ließ mir das kühle Nass über Handgelenke und Fußknöchel laufen. Meine Haut kochte. Wahrscheinlich die heiße Luft. Ich nahm noch etwas von dem Wasser und spritzte es mir ins Gesicht und den Hals. Es brannte so sehr, dass ich die Augen zusammenkneifen musste.

Nach dem schrecklich finsteren und unheimlichen Wald war ich heilfroh, heute Morgen die Sonne wieder über mir zu sehen. Zum Glück waren wir ohne weitere Vorfälle aus dem Wald entkommen, auch wenn Gin einer Hexe einen Dolch, welchen sie anscheinend stets in ihrem Schuh versteckt hatte, entgegenwerfen musste, als diese grüne Tentakeln aus ihrem Zauberbuch rief, die uns in ihre Fänge bekommen wollten. Gin traf genau in einen der Arme, sodass sie uns in Ruhe ließ.

Immer noch verfolgten mich die furchteinflößenden Bilder des Blutes, welches überall hinspritzte, als das Messer sich in ihren Tentakel gebohrt hatte.

Ich kniff die Augen zusammen und sah hinein in das Wasser.

Zum ersten Mal seit wir hier waren, konnte ich mich wieder sehen. Ich hatte mich trotz der Umstände, kein bisschen verändert. Meine Haare hätten mal wieder durchgekämmt werden können, aber sonst war alles okay für meine Verhältnisse.

Die ungewöhnlichen Vogelstimmen, die klangen wie klare Stimmen eines Engelschores, waren direkt über mir und gaben mir ein nahezu sicheres Gefühl.

Mary hatte sich über den Fluss gebeugt und ließ das Wasser ebenfalls über ihre Arme laufen. Dann nahm sie eine handvoll und träufelte es sich in den Nacken. Sie schüttelte sich ein wenig.

»Kalt.«

Dann fuhr sie sich mit den nassen Fingern über ihr Gesicht, ehe sie aufschrak.

»Amanda! Schau!« Sofort schaute Amanda auf ihre Fingerspitzen und riss die Augen auf.

»Die Farbe ...«, hauchte sie.

»Sie geht ab! Ganz einfach mit Wasser.« Perplex schauten sie einander an, ehe die beiden sich wie wild ihre Gesichter wuschen.

Ich musste ein Stück von ihnen wegrücken, damit sie mich nicht von oben bis unten durchnässten.

»Es ist eine unglaubliche Frechheit, wie diese blöde Kuh uns angelogen hat! Die Farbe geht mit bloßem Wasser ganz einfach ab! Das hätte sie uns sagen können, stattdessen lässt sie uns den ganzen Tag so rumlaufen! Ich hasse sie!«, regte sich Mary auf, während sie wild mit beiden Händen über ihre Wangen rieb.

»Sie benimmt sich wirklich manchmal ... gewöhnungsbedürftig«, räumte ich ein.

»Manchmal? Die Alte ist vollkommen gestört! Jeder normale Mensch würde die Beine in die Hand nehmen und laufen, anstatt mit ihr durch diese Bekloppten-Welt zu spazieren! Und was machen wir?«, schimpfte sie.

»Ich muss Mary recht geben, Amelie«, mischte Amanda sich ein und putzte ihr Gesicht mit einem Stück ihres Kleides ab, welches sie sich abgerissen hatte.

Mum hätte bei diesem Anblick sicher geweint. Sie hatte viele Nächte mit dem Nähen dieser Kleider verbracht. Dass wir genau in diesen Stoffen eines Tages verschwinden würden, hätte sich wohl keiner von uns vorstellen können.

»Gib mir das gleich auch mal«, bat Mary sie.

Ich zog eine Braue hoch.

Als Amandas Gesicht befreit von der lila Farbe war, ließ sie etwas Wasser in ihre Flasche laufen. »So wie sie sich benimmt, ist es fast untragbar, mit ihr zusammen zu sein.«

Kerrinia - Anuras AufstiegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt