15. Kapitel

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In der Ferne hörte man bereits schrilles Gekeife, unheimliches Hexenlachen und Kessel mit giftigem Gebräu vor sich hin blubbern. Schreie zerschnitten die kühle Luft und Argwohn, der sich unter den Kreaturen ausgebreitet hatte, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Grün- und lilafarbene Lichtreflektionen tanzten auf den letzten Baumstämmen zu unseren Seiten, bevor es auf eine freie Fläche zuging.

»Da gehe ich bestimmt nicht lang! Ich bin doch nicht lebensmüde!«, rief Mary aus, woraufhin wir uns alle zu ihr umdrehten und zum Stehen kamen.

Gin biss sich auf ihre Zunge und war kurz davor ihr eine erneute Ansage zu machen, doch ich kam ihr zuvor.

»Mary, du nervst.« Entblößt schaute sie mich an. »Du nörgelst und meckerst die ganze Zeit herum. Nimm dir mal ein Beispiel an deiner älteren Schwester und benimm dich nicht als wärst du die Jüngste von uns dreien.« Ich drehte mich wieder um. Zuerst hörte ich nichts, bis sie wieder begann sich aufzuregen, allerdings nur im Stillen. »Das war ja immer mein Job bisher«, fügte ich noch an.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Gin mich unergründlich musterte, ehe sie sich der Gruppe zuwandte. »Gesichter nach unten und nicht aufschauen. Mir nach.«

»Warum senkst du deinen Kopf nicht?«, fragte ich, als ich nach oben spähte.

»Ich bin immun dagegen«, antwortete sie unbeeindruckt und lief los.

Und auch wenn Mary mich wahrscheinlich nun noch ein klein wenig mehr verabscheute, kam sie mit uns. Sie bewunderte Amanda und wollte mit ihr auf einer Ebene stehen, deshalb auch meine Ansage an sie. Amanda traute sich, also musste sie sich auch trauen, um nicht als Verliererin dazustehen. Genauso hätte mein Dad es mir in diesem Moment erklärt.

Oh Dad.

Die vielen Bäume, die uns bis gerade noch umzingelt hatten, verschwanden.

Das Einzige, was ich noch sehen konnte, war, dass der Boden aus Stein war. Endlich mal etwas anderes, fast Normales, wenn man bedachte, dass wir bisher nur auf erdigem bis matschigem Grund gelaufen waren.

Zu unseren Seiten jedoch herrschte buntes Treiben, wie auf einem Markt am Wochenende.

Nur nicht zu den Seiten sehen, sprach ich mir immer wieder zu. Nur nicht zu den Seiten sehen.

Ich erkannte unscharf Wesen, die sich bewegten, ja einige riefen uns sogar zu sich. So gerne ich auch geguckt hätte, ich hätte niemals den Blick gehoben. Wieder beschaute ich mir die Struktur des Bodens.

Da tauchte plötzlich ein kleiner Mann zu meinen Füßen auf. Mit einem überirdisch frechen Gesicht starrte er mich aus riesengroßen Augen an.

Ich erschrak. »Gin!«

Beinahe hätte ich nach oben geschaut, doch Gin hielt mich im letzten Moment noch davon ab, und drückte meinen Kopf wieder hinunter. »Kopf unten lassen«, befahl sie mir atemlos. »Hau ab, du Wicht!«, schrie sie das unheimliche Wesen an, welches mir immer noch um die Füße schwebte.

»Ich hau nicht ab!«, gab er trotzig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich sagte: Verschwinde!« Sie hatte ihr Schwert gezückt und hielt es ihm mordlustig unter sein Kinn.

»Tötet mich nur, es würden sich bloß alle danach auf euch stürzen!", kicherte der kleine Mann.

Gin ließ das Schwert etwas sinken. »Schaut nicht hin, er will nur, dass Ihr aufseht", erzählte sie. „ Und nun zisch ab, oder ich mach dir den Gar aus, egal ob sich diese Versammlung von unterbelichteten Amateuren, auf uns stürzen. Wir sind genug. Wir können einen Krieg führen!"

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now