33. Kapitel

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Für einen Moment schauten wir uns nur an. Anstatt uns erleichtert in die Arme zu fallen, hielten wir alle eine Gewisse Distanz zueinander. Sogar Mary und Amanda waren sich nicht mehr so nah, wie noch vor ein paar Tagen.

Wie noch vor ein paar Tagen ... in welch kurzer Zeit sich alles verändert hatte. In welch kurzer Zeit wir uns anscheinend verändert hatten.

»Wartet ihr schon lange?«, fragte ich und erschrak, ohne es mir anmerken zu lassen. Meine Stimme klang kalt und rau. Obwohl wir überlebt hatten.

»Ja, aber es war nicht schlimm. Wir sollten warten. Hat er gesagt.«

Ich sah zu Amanda. »Delair?«

Sie nickte stramm.

»Wo ist er?«, fragte Mary, woraufhin ich zu ihr hinüberschaute.

»Nicht mehr da. Kommt. Lass uns endlich nach Hause.«

Ich rauschte an ihnen vorbei, als wüsste ich genau wo es lang ging. Zwar schien es nur diesen einen Weg zu geben, doch wer sagte uns, dass man uns einfach so gehen ließ, jetzt wo Kerrinia verloren war und Delair uns erlaubt hatte, zu gehen.

Diese Bedenken äußerte auch eine meiner Schwestern. Ich konnte nicht mal sagen, wer es sagte, so sehr rauschte es in meinen Ohren. Ich wollte es nicht hören, war viel zu sehr damit beschäftigt mein zerbrochenes Herz zu ignorieren.

»Sie werden uns gehen lassen. Ich werde nichts anderes akzeptieren.«

Ab da schwiegen die beiden über das Thema und folgten mir. Zum ersten Mal in meinem Leben.

Wir betraten ein dichtes, kühles Waldstück. Wohin es uns führte, wussten wir nicht, jedoch war alle Aufmerksamkeit der Reise nach Zuhause gewidmet. Ich war optmisstischer denje. Am Rande der Bäume erkannte ich immer wieder kleine, blitzende Lichter hinter den Baumkronen. Sie waren einfach da, als hätten sie bereits auf uns gewartet. Sie flogen immer nur so weit, dass wir sie noch sehen konnten, als würden sie uns begleiten, damit wir heil an unser Ziel kamen.

Sie waren eine der wenigen Dinge in diesem furchtbaren Wald, die wunderschön waren. Sie sahen es nicht auf uns ab, oder trieben ein falsches Spiel. Sie waren einfach, rein und hilfsbereit. Viele hätten sich an ihnen ein Beispiel nehmen können.

»Ich bin so müde«, hauchte Amanda, als wir schon eine ganze Zeit durch den Wald liefen. »Mary, machst du mir zu Hause ein warmes Bad?«

Gänsehaut breitete sich bei diesem Gedanken auf meinen Armen aus. Ein warmes Bad. Zu Hause zu sein. Ein Gefühl, welches man nicht beschreiben konnte. Und auch wenn zu Hause für mich Virginia und die Schule bedeutete, so machte es mir nichts mehr aus. Schlimmer als hier, konnte es dort nicht sein. Und ich war lieber noch zehn weitere Jahre unter ihnen, als nur ein paar Tage hier ohne meine Eltern zu verweilen.

Erst als die Stille tief in meine Ohren drang, erwachte ich wieder und bemerkte, dass Mary Amanda gar nicht geantwortet hatte. Ich schaute hinüber zu meiner blonden, abgekämpften Schwester, die Mary eigenartig musterte.

»Wir können also jetzt so mir nichts, dir nichts nach Hause gehen, ohne uns vorher irgendwo abzumelden oder Bescheid zu sagen?«, fragte Mary ungläubig und vorwurfsvoll zugleich, als sie mich anschaute, doch ich merkte, dass sie fertig mit ihren Nerven war. Diese unheilvolle Reise hatte ihr mehr abverlangt, als sie zugeben mochte.

»Was weiß ich«, krächzte ich ahnungslos.

»Wir wären wirklich beinahe gestorben. Und das mit unseren jungen Jahren. Und all das, damit Delair uns wieder gehen lässt? Die Situation in Kerrinia hat sich in keinster Weise verändert! Es ist eher alles noch schlimmer geworden, weil die Soldatin des Königs und ihr hässlicher Gefährte jetzt nämlich tot sind! Ihr Gefangener konnte fliehen und wir ... sind immer noch am Leben! Dabei wollten sie es genau andersherum!«, regte sie sich neben mir auf. »Und wofür das alles?«

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now