31. Kapitel

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»Keinen Schritt weiter!«

Ruckartig blieb der Moorinter mit der vierten und letzten Fackel stehen und drehte sich langsam zu der bedrohlichen Stimme herum.

Verweint und völlig fertig mit den Nerven sah ich auf und erkannte Gin. In ihrer Hand ein Stein, der ein provisorisches Messer darstellen sollte. Vor ihr Delair, dem sie die Waffe gegen seine pulsierende Ader hielt. Die Moorinter zu ihren Seiten lagen auf dem Boden, umwickelt von den Eisenketten, die sich gerade noch an Gins Handgelenken befunden hatten.

»Es sei denn, an dem Leben deines Herrschers liegt dir nicht allzu viel.«

»Oh, meine liebe Gin«, begann Delair. »Wir beide wissen doch, wie das hier ausgeht. Du und deine Gefolgschaft werdet sowieso sterben, selbst wenn du mich tötest. Meine Soldaten würden schon dafür sorgen.«

»Aber ich glaube nicht, dass du unbedingt sterben möchtest«, knurrte sie wie ein bissiger Hund in sein Ohr hinein und drückte das Steinmesser noch etwas fester gegen seine Kehle. »Du wirst deinem Soldaten jetzt befehlen, Miss Amelie auf der Stelle loszubinden. Und dann werden sie und ich gehen. In ganzen Stücken.«

»Gin!«, rief ich panisch. »Mary und Amanda!«

»Die sind mir egal. Meine Meinung über sie, wisst Ihr doch bereits.«

Mein Herzschlag setzte aus. Ich konnte nicht fassen, dass Gin gerade dabei war, mich zu retten, und meine Schwestern hierzulassen. Zuletzt hatte ich sie sogar noch in Schutz genommen. Warum machte sie sich nun wieder alles kaputt? Auch wenn sie mich wegen ihnen hatte leiden sehen, konnte sie nicht über ihre Leben bestimmen. Selbst ich als Betroffene wollte, dass sie lebten! Schließlich waren sie immer noch meine Schwestern.

»Dieser Konflikt zwischen euch ist wirklich hochinteressant. Ich könnte euch stundenlang zuhören.«

»Zieh deinen Soldaten zurück, oder du wirst nur noch wenige Sekunden in deinem Reich verweilen!«

Erst sah ich sie nicht, da ich so fixiert auf das bösartige Zizzihoulamädchen und den mächtigen Herrscher inmitten seines dunklen, todbringenden Reichs war, aber dann schaute ich urplötzlich in die Wolken hinein. Vielleicht um irgendwo verzweifelt Hilfe zu suchen. Wahrscheinlich hätte ich ein kleines Gebet gesprochen, doch mit einem Mal leuchtete etwas am Himmel auf. Dieses kräftige Lila, welches mir auch schon damals in meinem Garten sofort ins Auge gestochen war. Diese kleinen zierlichen, doch auch so kräftigen Flügelchen, die wild in der Luft flogen. Drei kleine lilafarbene Schmetterlinge flatterten wie wild durch den Himmel direkt auf uns zu.

Der Kleinste flog vorne weg, die anderen zwei zogen zwei lange Streifen fein gesponnenes Silber hinter sich her. Wer war der Dritte von ihnen gewesen? Er musste auch schon in unserem Garten dabei gewesen sein. Dieses Mal waren ihre Schweife viel breiter und länger als jene, die uns die wunderschönen Blumenmale beschert hatten.

Amanda und Mary hatten sie ebenfalls erblickt und starrten in die Lüfte.

Gin sah sie zuletzt. Erst war ihr Gesichtsausdruck leer, dann ängstlich, was sie danach fühlte, konnte ich nicht sagen.

Sie waren fast bei uns, als sich aus einem beinahe durchsichtigen Netz drei Reagenzgläser mit lilafarbener Flüssigkeit lösten und gen Boden fielen. Ich zog die Brauen zusammen, ehe ich verstand.

Es waren weitere Wandlungselixiere und sie waren für uns bestimmt, damit wir ausbrechen konnten! Sie flogen über uns hinweg, als sie die Gläser plötzlich über unseren Köpfen abwarfen.

»Mary! Amanda! Fangt!«, rief ich ihnen zu, als sie die Gläser schon zu fassen bekamen und sie schützend in ihren Händen hielten. Drei weitere Soldaten wollten auf sie zuschreiten, um sie ihnen zu entreißen, doch Gin schleuderte Delair in ihrem Arm zu ihnen herum und bekam noch etwas größere, lodernde Augen.

Kerrinia - Anuras AufstiegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt