13. Kapitel

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Erstarrt stand ich vor ihr, während ihr Arm, in dem sich das Schwert befand, zitterte, als stünde es unter Strom. Ihr ganzer Körper vibrierte, als würde die Welt unter ihren Füßen beben. Sie keuchte und hatte die Zähne fest aufeinandergebissen.

»Niemand, wirklich niemand fasst mich an! Habt Ihr das verstanden?«

Mir waren die Worte einfach so in meinem Hals stecken geblieben. Meine Schwestern waren stattdessen zu Eisfiguren erstarrt und sahen Gin mit riesengroßen, verängstigten Augen an. Bevor ich vielleicht etwas darauf erwidert hätte, veränderte sich ihr ganzer Ausdruck und ihre großen Augen sahen direkt an mir vorbei.

Ich suchte in ihrer gelben Iris und ihren hin und her schnellenden Pupillen nach Antworten über sie und ihr Verhalten, über das Wesen, was sie eigentlich war, doch ich konnte nichts in ihnen lesen.

Als sie immer weiter an mir vorbeisah und ich die Stille um uns herum wahrnahm, zog ich die Brauen zusammen. Verdutzt folgte ich ihrem Blick und erwartete das Schlimmste, doch als ich mich vollständig umgedreht hatte, erkannte ich rein gar nichts. Das Einzige, was ich sah, war der dichte, grüne Wald, der vor uns lag.

»Die hat so was von ne Schraube locker«, hörte ich Mary hinter uns sagen.

»Sie wird uns alle töten ...«, hauchte Gin.

»Okay, ich korrigiere mich. Es sind mehrere Schrauben!«

»Wer?«, fragte ich Gin, als es plötzlich in den Büschen vor uns raschelte.

Und tatsächlich konnte auch ich nun etwas erhaschen. Zwischen einem dichtem Gebüsch, bewegte sich irgendetwas. Durch die dichte Blätterwand schimmerten vage weiße Flecken hindurch. Ich hatte keine Vorstellung mit was wir es zu tun bekamen, hatte aber auch komischerweise keine Angst davor.

»Das sind sicher wieder irgendwelche Fallensteller! Darauf habe ich mich gefreut. Endlich mal wieder ein bisschen Blut spritzen zu sehen.«

Ich war mir nicht sicher, ob ich mich verhört, oder ob Gin das gerade tatsächlich gesagt hatte. Sie griff ihr Schwert noch etwas fester und tippelte vorsichtig nach vorne.

Wir waren das erste Mal so richtig in Gefahr und irgendwie hatte ich die ganze Zeit nur darauf gewartet.

»Miss Amelie. Tretet zurück.«

Ich richtete meinen Blick kurz nach hinten, um zu sehen, wie die anderen reagiert hatten. Das gewohnte Bild: Mary und Amanda schlangen ihre Arme um den Körper der anderen, Gloven blickte ernst nach vorne und die zwei Soldaten schauten grimmig drein, als würde ein übler Gestank durch die Lüfte wehen. Und der Junge ... er hatte den Blick gesenkt und hing in seinen Verbänden. Nur noch seine Zehen berührten den Boden. Er konnte nicht mehr aufrecht stehen, geschweige denn gucken.

Ein lautes Wiehern aus der Richtung in die Gin geschlichen war, lenkte mich für einen kurzen Moment ab. Alle Köpfe schossen geradeaus.

Gin schrie auf und machte einen Satz nach hinten, als das schillernde schneeweiße Tier aus dem Gebüsch sprang. Seine klappernden Hufen polterten laut auf dem erdigen Boden und ließen unsere Körper vibrieren. Es schnaubte und schlug mit Vorder- und Hinterläufen aus.

»Ich glaub's ja nicht, ein Einhorn ohne Horn!«, platzte es aus Gin heraus.

Sie schien wirklich erstaunt zu sein.

»So was nennt man auch Pferd!«, warf Mary wieder provozierend ein, doch Gin reagierte nicht.

 »Was willst du ... du Monster! Bist du einer von Delairs Spähern? Soll ich dich etwa zähmen? Na dann komm mal her!«

Es wieherte und schlug wild um sich. Jeder Tritt hätte für Gin tödlich enden können.

»Willst du mich etwa herausfordern?", provozierte Gin das Tier immer mehr.

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now