19. Kapitel

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Ich verstummte und wusste nichts darauf zu sagen.

»Eine Gruppe aus den unterschiedlichsten Wesen steht direkt hinter Euch. Ich denke, dass es gefährlich wird, aber wir ... Ihr könnt es schaffen. Auch ihn zu befreien.«

Erschrocken schaute ich auf. Gracely hatte mich durchschaut. Sie wusste, dass ich ihn aus seiner Gefangenschaft holen wollte.

»Ich weiß nicht wie«, wimmerte ich bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn ich es nicht schaffte.

Nichts von dem.

»Ich wünschte so sehr, dass du recht behältst", flüsterte ich und legte meinen Kopf gegen ihren Hals.

»Ihr müsst Euch ausruhen. Macht Euch nicht verrückt. Wie heißt es? Nun ist guter Rat teuer? Aber es heißt auch: Kommt Zeit, kommt Rat. Man kann die Dinge drehen, wie man sie will, und schon betrachtet man alles aus einer ganz anderen Perspektive.«

Ihrer warmen, weichen Stimme zuzuhören, war wie Balsam für meine Seele. Sie war unendlich klug und wusste mehr über das Leben, als ich es je hätte vermutet. Aus ihrem Mund klang es so einfach und klar. Vielleicht halfen mir ihre Worte eines Tages nochmal. Vielleicht. Innerlich hoffte ich zumindest darauf.

»Ist es schon besser?«

»Ja. Vielen Dank, Gracely. Ich zittere kaum noch.«

»Dankt mir nicht dafür. Ich habe zu danken.«

»Wofür?«

»Dass Ihr mich so gut aufgenommen habt. Ihr kanntet mich gar nicht und trotzdem war ich in Euren Augen kein Feind. Ich hätte tatsächlich nicht gewusst, wohin mit mir, nachdem ich aus Darkbreshton geflohen bin. Eigentlich kann ich froh sein, bei euch gelandet zu sein, auch wenn mich dieses schreckliche Gör da draußen ganz schön nervt.«

Ich musste grinsen. »Glaub mir, da bist du nicht die Einzige.«

»Wahrscheinlich kann ich es deswegen auch so gut ertragen«, kicherte sie zurück. »Ich denke bloß, dass ich ihr bald keine Widerworte mehr geben kann. Pech für mich, Ruhe für sie.«

Ich riss die Augen auf. Natürlich. Jetzt erst fiel es mir wieder ein. »Gracely«, hauchte ich. » I-ich habs total vergessen. Ich wusste gar nicht mehr, dass du nur ein gewisses Kontingent an Worten besitzt. Oh nein. Du hättest was sagen müssen, dann hätte ich dich doch gar nicht so viel gefragt! Scheiße.«

»Hey, Miss Amelie. Es ist alles gut. Glaubt mir, ich hätte an niemanden lieber all meine Worte verschwendet als an Euch.«

»Ich würde dich jetzt gerne fragen, wieso, aber ... bitte sags mir nicht. Behalte deine Worte für wichtigere Situationen«, bat ich sie.

Ich hörte ein Lächeln in ihrer Stimme. »Weil Eure Unterhaltungen die wertvollsten waren, die ich bisher in meinem Leben führen durfte.«

Ich konnte nicht glauben, was sie mir da unterstellte. Meine Erzählungen gaben ihr wirklich so viel? Warum? Weil wir beide quasi dieselbe Geschichte zu erzählen hatten, weil es da, auf irgendeine Art, eine Gemeinsamkeit gab? Niemand hatte meine Unterhaltungen jemals spannend gefunden und nun sagte mir ein Einhorn, dass sie wertvoll waren?

Mein Kopf fühlte sich schwer vom vielen Denken an. Mein Körper hatte für einen Moment seine Krankheit vergessen, doch mein Gehirn erinnerte ihn mit voller Wucht wieder daran. Ohne noch etwas zu sagen, kuschelte ich mich näher an Gracely heran und schlief ein. Es war besser für mich, weil ich mich so ausruhen konnte, und besser für sie, weil ich ihre vorhandenen Worte verschonte auszusprechen.

»Die kleine Gesellschaft vor mir kann auseinanderrücken, denn ich habe das Heilmittel! Danket mir nicht meine Fans, ich weiß, dass ich gut bin!«

Vollkommen verschlafen schlug ich meine Augen auf und blinzelte zu Gin, die siegessicher mit einer pinken Blume in der Hand, vor mir stand.

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now