6. Kapitel

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Ich versuchte mich ganz auf das Schneiden des Salats zu konzentrieren.

Amanda und Mary gaben währenddessen gegenseitig ihre besten Verkaufsstrategien der anderen zum Besten, um ihre weitere Zukunft am heutigen Abend endgültig in trockenen Tüchern zu wissen. Immer wenn Mum zu einer Firmenfeier einlud, meinten die beiden, sich jeglichen Geschäftsfrauen und – männern an den Hals zu werfen, um einen der heiß begehrten Jobs bei Partners&Buildings zu ergattern. Leider hatte selbst Mums Einfluß auf die Obersten der Firma für Solarenergie. Könne war gefragt, weshalb meine Schwestern das Beste aus ihren Bewerbungsmappen herausgeholt hatten. Und diese konnten sich mit ihren guten Notendurchschnitten un den Empfehlungen sich an den hochrangigsten Universitäten zu bewerben, wirklich sehen lassen konnten. Zwar hatten die beiden niemals etwas mit Solarenergie zu tun gehabt oder sich wirklich dafür interessiert, aber wenn sie einen guten Deal witterten, war ihnen wohl alles andere herzlich egal.

Ich seufzte und schnitt die Paprika etwas fester, als ich es hätte tun müssen. Eigentlich wollte ich gar nicht hier sein. Auf der Feier durfte ich natürlich nicht fehlen, aber ich hätte den Abend lieber in der Stille meines Zimmers verbracht, um mir den Kopf darüber zu zerbrechen, die der Schlüssel zu Jonathans Zimmer mit in der Schultoilette mitten vor die Füßen fallen konnte.

Zu dumm, dass er mir vom Schoß gefallen und Mum vor die Füße geschlittert war. Ich hätte damit endlich mehr über meinen verstorbenen Bruder kennenlernen können. Ob es jemand so gewollt hatte? Vielleicht sogar er selbst? Stand es vielleicht in Zusammenhang mit dem Leuten der Eiche letzte Nacht? Ob ich allmählich verrückt wurde?

»Ich werde dann von Amelies fiesem Salat ablenken, damit die Feier nicht zum kompletten Desaster ausartet.«

»Mary«, fauchte Mum.

Ich drehte mich herum und sah, wie sie eine fiese Fratze zog und sich Amanda kichernd eine Hand vor den Mund presste.

»Du kannst mir nicht erzählen, dass diese ganzen Leute nur wegen den Salaten kommen.«

»Das ist geschäftlich«, sagte Mum und beendete somit eine weitere heiße Diskussion, die sich mal wieder nur um mich gedreht hätte.

»Schon eine Idee, wie wir den Tisch decken sollen?«

Anscheinend hatte sie nochmal über mein Vergehen, den Schlüssel aus ihrer Schatulle gestohlen, hinwegsehen können, obwohl das so nie passiert war.

»Amelie, ich rede mit dir.«

Da erst erwachte ich wieder und Schnitt mir vor Schreck in den Finger. »Au«, zischte ich und hielt ihn mir direkt vor die Lippen. Amanda und Mary stöhnten genervt hinter mir. »Nein, keine Idee«, nuschelte ich und sah mich um.

Die weiße Tischdecke war bereits aufgelegt. Ich hatte etwas Goldenes gepaart mit etwas Rosafarbigem vor Augen, aber ich wollte mich nicht dazu äußern. Hinterher gefiel es doch niemandem.

»Dann ...«, sagte Mum und hob die weißen Kerzenständer an, »nehmen wir einfach die hier. Schlicht und elegant.«

»Damit kann man nichts verkehrt machen«, lächelte ich halbherzig.

Mum deckte den Tisch, während ich mich um das Buffet kümmerte. Ich stellte Salate, Brot, Käse- und Fleischhäppchen zur Auswahl auf Platten und ließ alles so ordentlich wie möglich aussehen.

Als der Tisch in einem schlichten Weiß gedeckt war und das Buffet bereitstand, befahl Mum mir und meinen Schwestern uns nun nach oben zu begeben, um unsere Abendrobe anzuziehen. Auch wir mussten angemessen angezogen sein und trugen deswegen Kleider, die Mum eigens für diesen jährlichen Anlass genäht hatte. Sie bestanden aus weißem, leichtem Tüll, der um Schultern und Dekolleté eher schlicht gehalten war. Die Kleider besaßen weiße Ärmelchen, welche gerade eben die Schultern bedeckten. In der Taille wurden sie etwas enger und flossen in sanften Stoffwellen die Beine hinab. Jede von uns trug passend dazu ein anderes farbiges Satinband um die Taille, was wohl als kleiner Hingucker dienen sollte. Amandas war zart Rosé, Marys himmelblau und meins straßenkatzenorange.

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now