27. Kapitel

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Ich riss die Augen auf. Sofort war ich zurück im Leben. War es tatsächlich ... nein, das konnte nicht sein, nicht in diesem Leben. Auch wenn ich versuchte, mir meine Vermutung aus dem Kopf zu schlagen, so rebellierte mein Körper so stark, dass er mich förmlich zum Aufstehen zwang.

In einem Lichtkegel stand Jonathan. Vollkommen fertig mit der Welt, demoliert und trotzdem so wunderschön.

»Nur eine weitere Illusion«, säuselte ich, bis ich in Tränen ausbrach.

Er war bloß eine Erscheinung meiner Gedanken, nichts Reales.

Ein Wunschtraum und mehr nicht.

Er atmete schwer, sah mich kurz verwirrt an, bis eine Gewissheit in sein Gesicht trat, die klarer hätte nicht sein können.

»Ich bin zu spät«, flüsterte er leidend.

Ich hielt der Erkenntnis, dass er auch bloß aus Goldpartikeln bestand, nicht länger Stand und sackte wieder in mir zusammen, landete mit den Knien hart auf dem Boden und schlug die Hände vors Gesicht.

»Amelie!«, rief er wieder, diesmal verzweifelt und angsterfüllt.

Mit großen Schritten kam er auf mich zugerannt und packte mich bei meinen Armen, während ich vor ihm kauerte. »Ich bin keine Illusion! Ich bin hier! Sieh mich an!«

Ich konnte nicht aufschauen, ergab mich bloß meinem hemmungslosen Weinen, welches mich ganz und gar für sich beanspruchte. Ich musste diese aufgestauten Gefühle loswerden, ich musste meine Einsamkeit verkraften und Platz für sie machen, weshalb ich tausende von Tränen weinte.

»Ich wusste doch, dass es so kommen würde«, hörte ich ihn sagen und spürte das Gewicht seines Kopfes auf meinem. »Es wird wieder gut. Glaub mir. Das hält nicht ewig.« Immer noch rannen mir weitere salzige Tränen über meine Wangen, wo sie ein unangenehmes Brennen hinterließen. »Bist du verletzt? Haben sie dir irgendetwas angetan?"

Ich schüttelte mit dem Kopf und schaute mit Tränen in den Augen zu ihm empor. »Nicht was nicht wieder heilen würde.«

»Du hast dir deine Arme und Beine aufgeschlagen«, stellte sein Hologramm entsetzt fest.

Es wartete erst gar nicht auf eine Antwort und hob mich wieder hoch, damit wir beide auf Augenhöhe waren. Sein Griff war ziemlich stark, dafür dass er bloß eine Erscheinung war.

»Ich bin hier«, flüsterte er. »Ich bin keine Illusion, okay? Ich bin zurückgekommen, um dich hier rauszuholen!«

Erst da fiel mir auf, dass eine Wärme von seinem Körper auf meinen überging, nicht so wie die Partikel, die mein Herz erfrieren lassen hatten.

Seine Hände, die meine Taille so fest packten, dass ich mich nicht hätte bewegen können, dieser erdige Geruch von draußen ...

Ich hatte mir seine Stimme tatsächlich nicht eingebildet. Er war da, er war zurückgekommen.

Als ich ihn verblüfft ansah und registrieren konnte, dass er wirklich vor mir stand, konnte ich einfach nicht anders: Meine Arme schlangen sich um ihn und ich drückte ihn so doll, wie es nur ging.

»Jonathan«, schluchzte ich lauthals.

Ich war nicht mehr allein, nicht mehr allein in dieser dunklen Kammer und nicht mehr hilflos. Jonathan sagte nichts. Er erwiderte meine Umarmung jedoch ebenso kräftig.

»Du bist keine Erscheinung«, schluchzte ich erleichtert.

»Nein, ich bin keine Erscheinung, Amelie«, flüsterte er und seine Stimme klang wie süßer Honig. »Sie wollten dich nur kirre machen, damit du schon gebrochen auf das Spielfeld kommst. Deswegen zeigen sie dir extra die schlimmsten Dinge. Das Schlimmste, worunter du leidest, wenn du hier bist.«

Kerrinia - Anuras AufstiegWhere stories live. Discover now