Die Trümmer einer Ehe

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Triggerwarnung: Blut, Tod

Das war keine Bühne... das war ein Richtplatz und die Menge war hier, um auf die Hinrichtung einer Person zu warten.

Mein Kopf fuhr zu Chan herum und ich starrte ihn einen Moment ungläubig an. „Wir sehen uns eine Hinrichtung an?"

Der Dämon schien sofort zu erkennen, dass mir die Situation unangenehm war und zog mich näher zu sich. Aber nur so weit wie es unauffällig für die Umstehenden war. „Ja... das ist richtig. Aber es ist nicht einfach irgendeine Hinrichtung. Ich kann dir sagen, dass die Person nicht leiden wird. Ich bin mir sicher, dass du das schaffst, Seungmin. Sonst hätte ich dich nie hierher gebracht."

Er sprach sanft und schien genau die richtige Intonation zu treffen, um mich zu beruhigen. Zwar starrte ich ihn weiterhin an, doch als ich auch in seinen braunen Augen nur die Überzeugung sah, dass alles gut werden würde, nickte ich langsam. „O-ok. A-aber bleib bitte dicht bei mir", nuschelte ich und schielte zurück zum Richtblock. „Du hast gesagt, es ist keine gewöhnliche Hinrichtung", flüsterte ich anschließend, um niemanden auf uns aufmerksam zu machen. „Also kenne ich diese Person auch?"

„Du hast sicherlich schon in deinen schlauen Büchern von ihr gelesen." Bestätigte Chan und nickte knapp. Sein Blick ruhte immer noch auf mir und dann hob er einen Mundwinkel an und lächelte verschlagen. „Willst du raten?"

Ich legte den Kopf schief und blinzelte. Er schien zu verstehen und sah auffordernd zu mir herab. „Na dann... du hast noch genau drei Minuten", sagte Chan nach einem prüfenden Blick in Richtung des Towers. Da ich keine Zeit verlieren wollte, hinterfragte ich seine genaue Zeitangabe nicht sondern durchforstete meine Gedanken nach den wichtigen Informationen. Das Nachdenken hielt mich immerhin davon ab, mir blutige Hinrichtungsszenen auszumalen. 

Also... wir sind in England. In London und gleichzeitig in der Festungsanlage des Towers of London. Und es ist eine Hinrichtung, die nicht gewöhnlich ist. Das heißt, es geht entweder um einen Adligen, bekannten Geistlichen oder Philosophen oder eine ähnlich bedeutende Persönlichkeit.

Überlegend knabberte ich an meiner Unterlippe und versuchte mich zu erinnern.

Kommt mir überhaupt eine Person in den Sinn, die im Tower hingerichtet wurde?

„Verrenn dich nicht zu sehr in diesen Überlegungen. Denk an das Jahr und dann sieh dich nochmal genau um", meinte Chan ruhig.

Das Jahr... 1536. Und wir befanden uns im Tower of London... Es musste einen wichtigen Zusammenhang geben. Wenn ich die Person womöglich auch kannte, würde mir mein geschichtliches Wissen sicher helfen. Welcher König war denn gerade an der Macht? 1536. Dann ist es Heinrich der Achte. Hat es mit ihm zu tun? Ich glaube, er war sogar der letzte König, der selbst im Tower übernachtet hat. Aber er ist nicht selbst hier gestorben. Aber halt...

Ungläubig drehte ich mich wieder so, dass ich in Chans Augen sehen konnte.

„Wie ich sehe, hast du eine Vermutung. Also folge deiner Spur." Ermunterte mich Chan und ließ seine Hand unauffällig über meinen Arm gleiten.

Heinrich der Achte hatte zwei Ehefrauen, die er hinrichten ließ... beide auf dem Tower Green direkt vor uns. Und die Jahreszahl passte auf eine von beiden tatsächlich sehr genau.

„Anne Boleyn."

Erneut versank ich in seinen dunkelbraunen Augen und für einen Moment funkelten sie ein wenig heller aber sahen weiterhin zufrieden auf mich hinab. „Sehr gut Puppy. Das war sehr clever von dir."

„Du willst dir wirklich ihre Hinrichtung ansehen? Mit mir?" Immer noch konnte ich diese Tatsache nicht ganz glauben auch wenn ich jetzt eher weniger besorgt war. Etwas zwischen Zurückhaltung und Neugier drückte auf meine Stimmung und ich warf einen flüchtigen Blick auf die Umstehenden.

Dancing with DemonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt